Teil 2
Ein besonderen Wert erhält die Urkunde dadurch, daß in dem lateinischen Text die Namen unserer Dörfer in ihrer alten deutschen Form auftreten. Die Übersetzung verdanken wir Herrn Studienrat Thum, aus Löbau.
Der Text hat folgenden Wortlaut:
„ Otto und Woldemar, von Gottes Gnaden Brandenburgische, der Lausitz und von Landsberg Markgrafen. Alle Gläubigen Christi, die die vorliegende Urkunde sehen oder hören werden, die Kenntnis der Unterzeichneten. Handlungen, die die Welt regelt, vernichtet oft der Fortgang der Zeiten, wenn sie nicht gesichert werden durch die Schrift. Deshalb wollen wir, daß bekannt sei allen Gläubigen Christi, den zeitgenössischen wie den späteren, daß wir den lieben Bürgern in Löbau zu besonderer Förderung, die wir ihnen widmen, und zur Bereicherung der Stadt mit vollem Recht die folgenden Dörfer zusprechen;
nämlich Gherardesdorpp (Gersdorf), Eversbach (Ebersbach), Khotdmersdorpp (Kottmarsdorf), Heinrickesdorpp (Dürrhennersdorf), Sconenbuch (Schönbach), Lube (Laube), Levensvald (Lawalde), ambas Sweynicz (beide Schweinitz), ambas Conradersdorpp (beide Cunnersdorf), ambas Theesyn (beide Dehsa), Olsen (Oelsa), antiquam Lobaviam (Altlöbau), Dibesdorpp (Tiefendorf), Neechan (Nechen), Luchowe (Laucha), Uwer (Unwürde) und Georghewicz (Georgewitz). Damit aber hierüber in Zukunft bei niemand ein Zweifel entstehe, haben wir das vorliegende Schreiben zum Beweis gegeben und durch unsere Siegel im Anhang bekräftigt unter Hinzuziehung geeigneter Zeugen ...
Verhandelt und gegeben in Löbau im Jahre des herrn 1306 am Tage der seligen Jungfrau Walburgis (1. Mai).“
Ein Blick auf die ältesten Rechtsverhältnisse erklärt den Sinn des markgräflichen Dekretes. Von Anfang an hat die Stadt Löbau einen Erbrichter gehabt, der mit den Gerichtsschöppen die niedere Gerichtsbarkeit verwaltete. Sein Wirkungsbereich ging jedoch nur bis an die Stadtgrenze. Die Obergerichtsbarkeit übte ein Landvogt aus, der seinen Sitz in Bautzen hatte.
Wie sah nun unser Heimatdichter Oskar Schwär die Gründung unseres Heimatortes. In seiner Chronik „Lebensgeschichte eines Dorfes“ schrieb er; Ostlandfahrer gründeten Heinrichsdorf.
Es war um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Auf der Hohen Straße, die aus dem Westen über Leipzig, Königsbrück, Bautzen nach Schlesien führte, näherte sich ein Zug bäuerlicher Menschen. Es waren zumeist junge Männer mit ihren Frauen und Kindern; nur wenige ältere darunter, in denen der Wanderdrang noch ein mal erwacht war, als die jungen Leute sich zur Fahrt nach dem Osten entschlossen. Die Pferde zogen schwerbeladene Wagen; denn die Auswanderer hatten ihre ganze Habe, Truhe und Schrank, Topf und Krug, Ackergerät und Handwerkszeug, dazu Vorräte und Saatgetreide mitgenommen. Rinder wurden zwischen den Wagen getrieben. Als wachsame Hut liefen Hunde vor oder hinter dem Zug.
Als die Ostlandfahrer Budissin hinter sich hatten und auf der Alten Straße ihrem Ziele näherkamen, belebten sich die Züge der Ermüdeten. Aller Augen leuchteten erwartungsfroh: nun lag die letzte Tagesstrecke der langen Wanderung vor ihnen. Die Männer stimmten das Lied an, das sie an jedem Morgen auf der Landstraße hatten erschallen lassen:
Nach Ostland wollen wir reiten,
Nach Ostland wollen wir gehen,
Wohl über die grüne Heide,
Da ist ein bessres Stehn.
Zwar in der alten Heimat, inThüringen, Hessen, Franken oder am Rhein konnte der Bauer sich eines behäbigenn Wohlstandes erfreuen; doch war schon eine Übervölkerung eingetreten, so dass viele junge, tathungrige Männer nicht aus eigener Kraft sich ein Leben gestalten konnten, sondern abhängig werden mußten, vom Bruder oder einem andern. Aus Eintracht wurde Zwietracht in manchem Hause, wie es seit Menschengedenken und allerorten ist, wenn Gleichgeborene nicht mehr das Gleiche von der Mutter Heimat fordern können. Da traf die Kunde, dass über der Elbe „Niemandsland“ zu besiedeln sei, wie eine frohe Botschaft. Als ein Werber eines Lausitzer Grundherrn erschien, erklärten sie sich zur Auswanderung bereit. Der Abschied fiel ihnen nicht schwer: ihre Herzen erfüllte ja eine schöne Hoffnung.
Nun erreichte der Zug schon Kittelitz. Hier lenkte ihn der Führer auf die Straße, nach Böhmen zu, abzweigte. Die beiden Kuppen des Lobawschen Berges stiegen hoch auf. Rechts davon, wohl nur eine gute Meile weiter, dehnte sich quer ein mächtiger Berg. Nach ihm wies der Führer. Er nannte ihn den Kothmersberg. Von dieser Höhe flutete dunkelgrün der Markwald über die Nachbarberge und die Täler. Dorthin, ins unwirtliche Land hinein, sollten die Wanderer ziehen. Sie fürchteten die Wildnis nicht, auch nicht die Mühlsal, die ihnen bevorstand: sie würden ja auf der großen Erde nun ihren kleinen Teil finden, den sie zu ihrer neuen Heimat machen konnten. Dort ist ein bessres Stehn!
Hinter der jungen Stadt Lobaw schlugen sie den Weg „ins Gebirge“ ein. Den Weg mußten sie aber bald wieder verlassen.
Fortsetzung folgt!