Teil 1
Die Geschichte der Weberei ist fest mit der Geschichte der Oberlausitz verbunden. Bei uns in der Oberlausitz dehnen sich die Siedlungen meist lang in den Tälern. Immer reihen sich an den beiden Seiten die Bauernhöfe, am Schlängellauf des Baches und an der Straße die Häuser der Handwerker. In vielen Orten steht noch manches aus alten Zeiten, anheimelnd sind ihre Bohlenwände mit den Umgebinden. Aus weißer, oft schön geformter Umrahmung lugen die kleinscheibigen Fenster. Die dicken Strohschoben hat man ihnen längst heruntergerissen, dafür haben sie jetzt ein rotes oder blaues, manchmal gemustertes Schieferdach erhalten. Das sind unsere oberlausitzer Weberhäuser. Wer die Sprache dieser Häuser versteht, der kann sich von ihnen die ganze Geschichte der Lausitzer Weberei erzählen lassen.
Auf den Bauernhöfen beginnt die Geschichte. Die Textilindustrie der Oberlausitz hat in der Hausweberei der Bauern ihre Wurzeln. Leineweberei und Tuchmacherei dienten ursprünglich nur der Selbstversorgung. Die Tuchmacherei erhielt durch im 13. Jahrhundert zugewanderte Flamen einen Aufschwung. Die Stadt Zittau hatte um 1367 über 600 Meister und Gesellen in der Zunft der Wollweber. Seit 1284 bestand auch schon in Bautzen ein Gewandhaus, welches dem Tuchhandel diente. Auch Löbau hatte dann später ein Gewandhaus, heute Eckhaus am Theaterplatz. Bautzen, Görlitz und Kamenz besaßen das Monopol des jährlichen Wollmarktes. Bis ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts war Bautzen der Hauptort der Tuchmacherei. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts entwickelte sich die Arbeitsteilung in dieser Branche. Es bildeten sich eigene Handwerke und Innungen, wie die der Färber und Drucker, heraus. Der Dreißigjährige Krieg hielt die Entwicklung lange auf, so dass die erneute Blütezeit der Tuchmacherei erst um 1750 erreicht wurde. Die Stadt Bautzen produzierte damals immerhin 27000 Stück Tuch jährlich. Die Leineweberei ist ein altes städtisches Gewerbe unter bedeutendem Einfluss der Zünfte. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts setzte sich die Leineweberei auch auf dem Lande durch und entwickelte sich zur Heimindustrie. Oderwitz, Olbersdorf und Herwigsdorf waren die ersten Weberdörfer. Nach dem Dreißigjährigen Krieg erlaubte zum Beispiel auch die Stadt Zittau das Weben in ihren Ratsdörfern und verlangte das sogenannte Stuhlgeld, 1 Taler pro Webstuhl. Auch bei uns hatte sich die Weberei schon frühzeitig etabliert. Gute Voraussetzungen dazu waren das reichliche Rohstoffaufkommen im unmittelbaren Umfeld. So züchtete allein unser Rittergut etwa 500 Schafe und jeder Bauernhof verfügte zusätzlich über eine kleine Herde. Die Schafherde des Rittergutes brachte jährlich etwa 50 Stein Wolle ein. Stein war eine Maßeinheit (Gewichtsmaß) und als Handelsgewicht in verschiedenen Regionen Europas in Gebrauch. Das schon im 17. Jahrhundert bekannte Maß war recht verschieden und warenabhängig. Auch gab es einen Unterschied zwischen dem Maß großer oder schwerer Stein und Kramergewicht. Wurde Flachs und Wolle gewogen, hatte man zwei verschiedene Steine, die bei Wolle nur halb so schwer waren. Das Maß Stein war in der Textilindustrie sehr beliebt. Ein Stein wog bei uns 20,5 Pfund. Da 1 Kilogramm 2,2046 Pfund entspricht war der Ertrag ca. 465kg Wolle im Jahr. Von den 500 Schafen vom Rittergut wurden ca 110 Lämmer jährlich aufgezogen. Wenn man nun abzüglich der eigenen Wirtschaftsbedürfnisse und des Verkaufs von alten Beständen absieht, hatte das Rittergut eine Gesamtgewinn der Schäfereinutzung von 644 Talern und 14 Groschen im Jahr. Das waren reichlich 200 Taler mehr, als die Rinderzucht erbrachte. Um die Arbeiten rund um die Schafzucht zu bewältigen, stand schon im ersten Urbarium (Ein Urbar oder laterinisirt Urbarium ist ein Verzeichnis über Besitzrechte einer Grundherrschaft und zu erbringende Leistungen ihrer Grunduntertanen. ) neun bestimmte Personen,die „helfen bey der Schaar die Wolle abnehmen“. Die Abfuhr der Wolle besorgten die Bauern.
Auch wurden nicht nur von den Bauern auf den Feldern, sondern auch von den Gärtnern kleine Flächen,mit Flachs bestellt. Die besondere wirtschaftliche Bedeutung, die unsere südliche Oberlausitz später erlangen sollte, hat darin ihren Ursprung. Der Bauernhof erzeugte Brot und den Stoff für die Weberei, Wolle und Flachs. Welchen Umfang der Flachsanbau und die Arbeit des Spinnens im Leben unser Dürrhennersdorfer früher hatten, das ließen die Urbarien erkennen. Groß – und Kleinbauern und Gärtner waren verpflichtet, für die Herrschaft jährlich ein Stück zu spinnen. Beim Aufwinden des Garns auf die Zählhaspel wurde nacheinander jeweils eine regional unterschiedliche Anzahl sogenannter Faden zu einem Gebinde verschnürt oder abgebunden. Daher der Name „Gebinde“. Eine bestimmte Menge von Gebinden bildete schließlich den fertigen Garnstrang. Ein Faden wurde durch eine volle Umdrehung einer Haspel abgemessen. Die Fadenlänge war daher vom Umfang der Haspel abhängig.
• 1 Faden = 3,5 Elen Haspelumfang
• 1 Gebinde = 40 Faden
• 1 Toll = 10 Gebinde = 400 Faden
• 1 Stück = 2 Toll = 20 Gebinde = 800 Faden
• 1 Spule/Spule/Spul Garn = 2 Stück = 4 Toll = 40 Gebinde = 1600 Faden
Häusler spannen „Flächsen Garn“ und „Mittelgarn“,jährlich zwei Stück. Noch 1830 zahlte die Herrschaft 23 Reichstaler, 8 Groschen für das Spinnenvon 140 Stück Werg und Flachs.
Fortsetzung folgt!