Um das Gedeihen der jungen Dorfgemeinschaft zu sichern, gab die Willkür jedem Bauern auf, die erworbene Hufe auch richtig zu nutzen. Angebautes Land sollte nicht wieder Wüste werden. Die Vernachlässigung der Ackerscholle, die das Brot spendete, hätte ja die Lebensgrundlage zerstören können.
Entstand Streit zwischen den Dorfgenossen, so trat das Dorfgericht zusammen. Heinrich rief die Schöppen, die von der Gemeinde gewählt worden waren, nach seinem Hofe. Die Männer auf der Dingbank, die Richter, sie alle kannten sich, und es wurde in diesen Verhandlungen jede Sache auf eine einfache und derbe Art ins Reine gebracht.
Das Haus des Richters suchten die Dorfgenossen aber nicht nur bei solchen Anlässen auf. Sie kamen auch her als Gäste seines Schankes; denn bald machte er, weil es sich als allgemeines Bedürfnis herausstellte, von seiner Schankgerechtigkeit Gebrauch. Der Richter und Kretschmer stand so ganz im Mittelpunkte des Dorflebens.
Was ist ein typischer Dorfkretscham in der Oberlausitz. Viele werden jedoch nicht wissen, was eigentlich das Wort Kretscham bedeutet. Wenn man sich aufmerksam in anderen deutschen Landen umhört, wird man das Wort Kretscham kaum finden nur in der Oberlausitz. In einem alten Lexikon steht unter Kretschem: „Kretscham mhd. kretschem, kretscheme, Dorfschenke; ein slawisches Lehnwort des östlichen Mitteldeutschlands, das im 16. Jahrhundert häufiger belegt ist, aber nachher aus der Schriftsprache verschwindet: tschechisch krčma, wendisch korčma, polnisch karčzma = Schenke“
In den ersten zwei Jahren der Besiedlung waren die Siedler vom Erbzins sowie von dem Kirchenzehnten befreit. Dann wurde der Erbzins vom Schultheiß, auch Richter, Schulze und später dann vom Gemeindevorstand den Siedlern abverlangt. Halb zu Walpurgis und halb zu Michaelis. Der Erbzins wurde an den Lehnsherrn abgeführt. Dem Lehnsherrn standen allein die Rechte zu, die heute der Bürgermeister, das Amtsgericht oder der Landrat ausübt. Er bestimmte auch den jeweiligen Richter im Ort. Bei uns in der Lausitz war die Wohnstätte des Richters gleichzeitig die Gerichtsstätte für die niedere Gerichtsbarkeit sowie die Schenke im Ort, die bei uns in der Oberlausitz Kretscham genannt wurde.
Um 1400 zählte Heinersdorf schon zu den großen Dörfern der Gegend. Die landvogteiliche Rente, die es 1419 nach Budissin abführte, betrug 15 ½ Scheffel Hafer, 7 oder 8 Scheffel Korn, ebensoviele „schillinge gr.“. Damit stand es unter den 51 Orten eines Verzeichnisses der Dörfer, an vierter Stelle. Hier heißt es nun zum ersten Male „Heynersdorff Dorre“. Der Widerspruch zwischen diesem Namen und der Leistungsfähigkeit ist wohl nur daraus zu erklären, dass man zur Unterscheidung der vielen Heinersdörfer im Lande irgend eine zufällige Erscheinung zum Beinamen unseres Dorfes benutzte.
Die Geschichte unseres Hofes sowie die Geschichte der Herrschaft zu Dürrhennersdorf ist fest mit unserem Dorf verbunden. Um 1334 gehörte das Dorf der Görlitzer Patrizierfamilie von Heller, vierzig Jahre später 1374 denen von Haugwitz auf Neukirch. Diese Besitzer traten wahrscheinlich in kein näheres Verhältnis zu unserer Dorfgemeinschaft. Sie ließen sich die ihnen gebührenden Abgaben durch den Richter übermitteln und kümmerten sich sonst kaum um das Dorf. Der Besitzerwechsel hatte darum auch keinen Einfluss auf die Entwicklung des Lebens der Gemeinde gehabt. 1561 bezeichneten sich zum ersten Mal die Söhne Rudolphs von Gersdorf, der diesen Ort wiederum 1519 von dessen Vater Christoph von Gersdorf erhalten hatte, als Caspar und Sigismund zu Dürrhennersdorf.
Jeder der beiden Brüder hatte ein Gut Dürrhennersdorf. Der Obere Hof, am südlichen Ende des Dorfes, wohl schon vom Gründer des Ortes angelegt, musste so vergrößert worden sein, dass er dem Niederen Hofe etwa gleichkam. Durch Urbarmachung immer weiterer Waldstücke, schließlich durch Kauf von Teilen einiger Bauernhufen, waren beide Höfe Großgüter geworden.
Von Caspar kaufte das Gut zu Dürrhennersdorf oder einen Teil Heinrich von der Kosel, der es aber später wieder an die Söhne Caspars abtrat.
Die Güter sollten den adligen Besitzern höhere Erträgnisse bringen. Frühere Grundherren hatten sich vom Richter die altfestgesetzten Zinsen auszahlen lassen, die jetzigen fühlten sich als Gutsherren und erstrebten planmäßig eine Steigerung der Leistungen. Sie hatten es sehr nötig. Ihr Stand hatte sich das kostspieligere Leben reicher städtischer Bürger angewöhnt, obgleich die Geldeinkünfte nicht gestiegen waren. Nun litt er mehr als ein anderer Stand unter dem eingetretenen Währungsverfall. Wie aber konnten die Großgüter auch Großgewinn einbringen? Wenn die Ausgaben auf einem Mindestmaß gehalten wurden. Das bedeutete: wenn die Einwohner des Dorfes mehr zur Hofearbeit herangezogen wurden. Sie bekamen die Kost als Lohn und waren also die billigsten Arbeitskräfte. Es war nicht schwer, sie in immer größerer Zahl aufzubringen. Beim Anwachsen des Dorfes stieg auch die Zahl derer, die keine lohnendere Beschäftigung fanden und die gern mit der Entschädigung, die ihnen auf dem Herrenhofe geboten wurde, fürlieb nahmen.
Noch wussten sie es nicht, in Wirklichkeit waren die Nachkommen freier Leute schon unfrei geworden. Bald aber vernahmen sie das Wort, das ihr künftiges Schicksal ausdrückte „Untertanen!“
Fortsetzung folgt!