Ansicht der Herzoglichen Försterei, Postkarte ca. 1900
Foto: Paul Gräber privat
Hugo Romanus, gleichzeitig Vorsteher des Schloss- und Forstbezirkes und Standesbeamter Foto: privat
Reitstall vor dem Abriss Mitte der 1980 Jahre, links ehemalige Försterei
Emil Weyhe schrieb 1907 in seinem zweibändigen Werk „Landeskunde des Herzogtums Anhalt“ folgende Zeilen über die Forsten im Altkreis Köthen.
„Der Cöthener und der Bernburger Kreis sind beide arm an Forsten, der eine muß mit 580,23 ha, der andere mit 766,05 ha zufrieden sein. Von Flußniederungen oder an deren Rand zurückgezogen, so der Klein-Zerbster Busch und der Diebziger Forst ...“
Die Erwähnung des Diebziger Busches erklärt die Bedeutung für unsere Gegend. Für die Hege und Pflege des Forstes waren Förster notwendig.
Interessant ist die Geschichte des Forstberufes. Seit der Zeit der Römer gab es in Germanien eine Verwaltung der Ländereien. Die sich im Mittelalter zur Gutsverwaltung an den Königs- und Fürstenhäusern entwickelte. So gab es die Forstmeister, die Förster und die Forstknechte. Dieser dreigliedrige Aufbau der forstlichen Berufe des frühen Mittelalters hat sich mit einigen Wandelungen bis heute erhalten.
Im Mittelalter waren allerdings der Forst- und der Jagdbetrieb zunächst streng getrennt. Die Jagd war damals ein beliebter Zeitvertreib der Könige und Fürsten. Für die Jagd existierte deswegen eine eigene Jagdverwaltung. Die Forstverwaltung hatte der Jagd zu dienen! Die Jagdbediensteten genossen ein sehr viel höheres Ansehen als die Förster. Erst spät im 18. Jahrhundert stieg das Ansehen der Forstbediensteten über das der Jagdbediensteten. Zunächst wurden die forstlichen Bediensteten mit Naturalien und „Accidentien“ bezahlt. Dies waren Steuern, Abgaben und Strafgelder, die überwiegend in Naturalien von der Bevölkerung entrichtet wurden. Holzdiebstahl, Wilderei und illegale Waldweide führten zu Konflikten mit den Einwohnern der umliegenden Dörfer. Klagen und Anzeigen seitens des Försters wegen Holzdiebstahl und Wilderei waren nicht selten. So prangerte der Förster von Diebzig im Jahre 1718 die Bauern beim Fürsten an. Der Grund war das Vertreiben des Wildes von ihren Feldern.
Das Amt des Försters wurde zu damaligen Zeiten vererbt. Dieser Art der Anstellung in forstlichen Diensten hat sich in manchen Gegenden noch bis vor 200 Jahren erhalten.
In Diebzig standen nachweislich ab 1656 Förster oder Jäger in den Diensten des Fürstenhauses Anhalt-Köthen bzw. ab 1847, nach dem Aussterben dieser Linie, Anhalt-Dessau.
Nach dem Thronverzicht des Herzoglichen Hauses im Jahre 1918 wurde der Forstbezirk am 1.11.1923 selbstständig. Das alte Forsthaus (heute Dorfplatz 55) war bis 1918 Eigentum des jeweilig regierenden Fürsten. Es diente den Förstern bis ca. 1924 auch als Wohnhaus.
Danach wohnten die Förster mit ihren Familien bis 1971 im Schloss. Die Witwe des letzten Försters Paul Gräber durfte bis zu ihrem Tod dort wohnen bleiben.
Folgende Förster lassen sich in Diebzig nachweisen:
1656 Franz Peine
1660 / 1670 Franz Graefe
1676 / 1687 July Otto
1690 Hans Jürge
1690 / 1693 Johann Georg Barthelt
1693 Franz Waschmann
1695 / 1700 Christian Müller
1755 Kohlberg
1796 /1773 Trebes
1771 Schmidt
1784 / 90 H. Joh. David Heße
1814 Göricke
1817 Louis Schott
1826 Sigismund Reißmann
1883 / 1888 Schettler
1888 /1922 Hugo Romanus, gleichzeitig Vorsteher des Schloß- und Forstbezirkes und Standesbeamter
1925 / 1932 Erich Spangenberg
1937 / 1950 Erdmann Müller
1947 / 1956 Ernst Markusch
1965 / 1971 Paul Gräber - letzter Revierförster
Bemerkenswert ist, dass Nachfahren des langjährigen Försters Hugo Romanus noch heute in Diebzig ansässig sind. Die Autorin bedankt sich bei der Familie für die interessanten Informationen und die Bereitstellung der Fotos.
Folgender Artikel, welcher 1913 in einer Zeitung erschien, erzählt uns die Geschichte dieses Forstmannes.
„Diebzig, 2. Oktbr. Der einer alten Försterfamilie entstammende Herzogliche Förster Herr Hugo Romanus in Diebzig feierte, wie wir schon gestern berichteten in seltener Rüstigkeit und Frische am 1. Oktober sein 50jähriges Berufsjubiläum. Er ist am 1. Oktober 1863 beim Magdeburgischen [1]Jägerbataillion Nr.4 in Sangerhausen eingetreten. In Folge eines Unglücksfalles beim Schießen wurde er am 1. August 1864 wieder vom Militär entlassen, besuchte ein Jahr lang die [2]Forstakademie in Tharandt, war längere Jahre im Königlich preußischen Forstdienst sowie auch als Feldmesser tätig und trat am 1. Mai 1878 in den Herzoglichen Hofforstdienst ein. Zunächst auf der Spekkinge, dann in Sollnitz stationiert, wurde er am 1. Oktober 1888 nach Diebzig versetzt, so daß es ihm vergönnt ist, am heutigen Tage neben seinem 50jährigen Berufsjubiläum auch das 25jährige Jubiläum als Förster in Diebzig zu feiern. Seine Hoheit der Herzog hat gnädig geruht, den Jubilar durch Überreichung Höchstseines Bildes mit eigenhändiger Unterschrift in Goldrahmen auszuzeichnen. Von den Vorgesetzten und Kollegen der Hof- sowie der Staatsforstverwaltung wurde dem Jubilar eine wertvolle Erinnerungsgabe überreicht. Möge es dem Jubilar vergönnt sein, in bisheriger Rüstigkeit noch lange Jahre seine Kräfte dem ihm lieb geworden Walde zu widmen.“
[1] Jägerbataillion steht für eine „mit der Büchse bewaffnete, vorwiegend zum Einsatz im zerstreuten Gefecht bestimmte Truppengattung der Infanterie“. Sie wurde 1631 in der Landgrafschaft Hessen-Kassel aus ausgebildeten Berufsjägern und Förstern erstmals aufgestellt. Die im jagdlichen und forstlichen Berufsleben bereits selbständig handelnden Jäger führten das Gefecht selbständig aus. Die Rekruten kamen meist aus entsprechenden Familien und wurden beruflich nach ihrer Ausbildung mit Stellen im Forstwesen versorgt. Sie verfügten berufsbedingt über bessere Schießfertigkeiten und ausgeprägtere Fähigkeiten zur Orientierung im Gelände, was im Gefecht sowie im Erkundungsdienst von Vorteil war.
[2] Älteste forstliche Ausbildungsstätte der Welt. Heinrich Cotta begann hier im Jahre 1811 die forstliche Ausbildung. 1816 wurde die private Forstlehranstalt als Königlich-Sächsische Forstakademie vom Staat übernommen.
Die Lebensdaten des Försters konnten bis jetzt leider nicht ermittelt werden. Fest steht, er war verheiratet mit Litti Laura und hatte drei Kinder. Laura Agnes Käthe Cecilie (geboren am 11.06.1874 und verstorben am 19.11.1945) verheiratete Enderling, Ida Anna und Sohn Arthur. Seine älteste Tochter verliebte sich in den Landwirt Gottfried Wilhelm Enderling aus der Großen Gasse 39 und blieb in Diebzig.
Hunde gehörten auch damals selbstverständlich zu einem Förster. Es sollen ein Münsterländer und ein Dackel gewesen sein.
Folgende Anekdote wird berichtet:
Förster Romanus war verantwortlich für die Durchführung der Jagd in seinem Revier. Sicher gehörte auch die Herrichtung des Schlosses, in dem die Herrschaften logierten, zu seinen Aufgaben. Der Herzog, als Dienstherr des Försters, sollte sich ja wohlfühlen. Eines Tages kletterte Arthur, der Sohn des Försters, bei der Ankunft des Herzoges und seiner Jagdgesellschaft auf den Giebel des „Reitstalles“. Als die hohen Herrschaften eintrafen blies der Junge in ein Jagdhorn das Jagdsignal „Sau tot“.
Der Fürst ignorierte oder überspielte diesen üblen Scherz des Kindes. Aber der Vater war, heute würde man sagen, stinksauer. Der Vorfall hätte Konsequenzen für ihn als Forst-Bediensteten haben können. Als die Jagdgesellschaft wieder in Richtung Dessau abgereist war, soll Hugo Romanus seinem Sohn den Hintern versohlt haben. Arthur blieb der Jagd treu und wurde, wie sein Vater und viele seiner Vorfahren, auch Förster und hatte sein Revier in Oranienbaum.
Quellen.
Geschichtliches über den Förster
https://www.wald-rlp.de
Ortschronik von Diebzig, 1998
Emil Weyhe: Landeskunde des Herzogtums Anhalt, Dessau 1907
Wikipedia
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Kirsten Jenrich (Ortschronistin von Diebzig)