OT Dornbock und Bobbe
Anstelle eines Vorwortes
„Maienzeit, Pfingstzeit im Dorfe!“ Rundum stehen die Felder im sattesten Grün, darüber Lerchengesang am strahlenden Frühlingshimmel. An den Wegen, an den Landstraßen, in den Gärten, überall prangen die Obstbäume im Blütenschnee. Schwellender Flieder und stark duftender Jasmin hängen über Mauer und Gartenzaun. Überall zirpt und singt es, in Gras und Busch und Strauch, und auch die Menschen sind fröhlich bis zum Übermut bei all dem Grünen und Blühen.
So beginnt der Dornbocker Ortschronist Gerhard Bringezu (1927-2000) seine Betrachtung zur Geschichte des Ringreitens im Ort. Sie wurde von mir redaktionell bearbeitet und wird hier gekürzt wiedergegeben.
Was eine Jahrhundertwende mit dem Ringreiten in Dornbock zu hatte
Der Chronist konnte nicht ermitteln, wann genau das Ringreiten in Dornbock erstmalig durchgeführt wurde. Er musste sich deshalb auf die Überlieferungen berufen, in denen es heißt, dass es “... mindestens seit 1900 traditionsgemäß am Sonntag nach Pfingsten stattfand“, so wie es die „alten Dornbocker“ erzählten. Dies hatte und hat natürlich auch den „Vorteil“, dass ein genaues Datum nicht genannt werden konnte und kann, weil so für die „Übereifrigen“ es entfällt, ständig in der Gegenwart darauf hinzuweisen, dass nun „das 1...ten Ringreiten in …….. stattfindet“, wie es in anderen Dörfern oft üblich ist.
Alles hat und braucht seine Zeit
Wenn diese gekommen war - wie sie zu Beginn geschildert wurde, war es auch, „die Zeit der langen und lauen Abende, wo die Dörfler plaudernd vor ihren Häuschen sitzen, behaglich das Pfeifchen schmauchend und im Gespräch vertieft“, denn es gab damals noch nicht das, was wir uns heute von den Massenmedien über uns ergehen lassen müssen. Bei diesen abendlichen Gesprächen in der „alten Zeit“ wurde vor allem von dem bevorstehenden Ringreiten gesprochen, von „dem Fest, das sie alle in ihren Bann schlug, Bauer und Knecht, Groß und Klein.“
Lange vorher mussten die ersten Vorbereitungen für das Ringreiten getroffen werden.
Die „aktiven Reiter“ und die „Passiven“ trafen sich dann an einem Abend im Gasthof in der heutigen Zuchauer Straße Nr. 65 (siehe Bild) und meldeten dort bei dem Wirt das Ringreiten an. Der wiederum gab dann schon in Erwartung dessen, was er bei dem Ringreiten durch den Verkauf von Getränken und Speisen zusätzlich verdienen wird, “eine Lage Freibier“. Bei diesen einen Bier blieb es natürlich nicht, dass aber von den „Aktiven Reiter“ und den „Passiven“ selbst bezahlt werden musste, trotzdem wurden alle organisatorischen Aufgaben besprochen, um das anstehende Ringreiten ordnungsgemäß durch zu führen. Zur Absicherung des eventuell notwendigen zusätzlichen Kaufes von Preisen und zur Schaffung eines finanziellen Polsters für vielleicht noch anstehende Ausgaben zahlten die aktiven Reiter (die zu dieser Zeit noch kein Startgeld bezahlen mussten) und die „Passiven“ einen vorher festgelegten Geldbetrag für ihr „Ringreiten“ in die Kasse ein. Die Preise für den Sieger und den weiteren Platzierten des Reiterwettkampfes wurden „von den Handwerkern des Ortes oder den Bauern gespendet“.
Dies waren u. a. „eine Pferdepeitsche, Kartätsche und Striegel, eine Holzharke, ein Lesekorb und andere Dinge“, die für den damaligen Alltag in der Hauswirtschaft gebraucht wurden.
Nach Pfingsten hatten die Dornbocker einen weiteren Feiertag
Wo heute darüber diskutiert wird, welcher Feiertag nun abgeschafft werden sollte, hatten in der „alten Zeit“ unsere „Altvorderen“ jedes Jahr einen zusätzlichen Tag. Denn: wie schon erwähnt, fand am Sonntag nach dem Pfingstfest das Ringreiten statt. Für die „aktiven Reiter“- die zu dieser Zeit alle aus dem Ort stammten, sowie die „Passiven“ begann dieser Tag schon am Vormittag. Zuerst wurde das „Maiengrün“- also dünne Zweige mit ihren grünen Blättern zum „Schmücken des Festplatzes am „Kunterhof“, dem heutigen Dorfplatz in der gleichnamigen Straße, herangeschafft.
Gegenüber dem jetzigen Grundstück Nr. 55 erfolgte dort der Aufbau des „Gerüstes“, heute wird es als „Galgen“ bezeichnet. In deren Aufbau und Funktion gibt es aber bis heute kaum einen Unterschied zwischen ihnen. Natürlich die dabei verwendeten „Materialien“ sind etwas anders.
Das Wichtigste aber blieb: die zwei Latten – in die „drei Nägel“ eingeschlagen wurden. Diese Latten waren und sind dann am oberen Ende der zwei „Pfähle“ - die in den Weg bzw. die Straße eingebaut waren - befestigt. An den „drei Nägeln“ hingen dann die Ringe, die als „Zielobjekt“ bei diesem Wettkampf dienten. Im Anschluss daran galt es, dies alles mit „Maiengrün“ zu schmücken. Selbst eine Abgrenzung „der Reitbahn“ gab es schon zu dieser Zeit. Dafür wurden „links und rechts der damaligen Reitbahn“ Seile gespannt. Bis zum Jahr 1996 verlief diese „Reitbahn“ direkt am „Kunterhof“, dem heutigen Dorfplatz, vorbei. Wenn das erledigt war, führten die „Reiter“ einen Proberitt durch. Anschließend ging es dann für sie schnell nach Hause, denn die Pferde mussten noch gestriegelt und mit dem Zaumzeug versehen werden. Nach der Mittagsmahlzeit trabten „Ross und Reiter blumengeschmückt durch Straßen und Nebengassen“ des Dorfes „zum Sammeln am Gasthof - denn um 14.00 Uhr sollte das Ringreiten beginnen“. Jetzt mussten durch den „Stiefelputzer“ - heute sind es zwei, der „Hauptmann“ - mit einer „schmucken Schärpe“ über seiner Brust abgeholt werden. Alle Reiter waren auf ihren Pferden „auf der dem Gasthof gegenüberliegenden Straßenseite angetreten.“ Der „Hauptmann“ stand mit seinem Pferd vor den Reitern. Ihre Anzahl betrug „in jedem Jahr um die fünfzehn“.
Der Reiterhauptmann hat nun das Wort
Vor den versammelten Reitern und den Zuschauern hielt er jetzt eine „zündende Rede“. Dabei war diese „nicht unbedingt die, die heute bei dem Dornbocker Ringreiten gehalten wird.“ Nachfolgend wird, d. h. der Text der damaligen Rede, gekürzt wiedergegeben, so wie ihn der Dornbocker Chronist festgehalten hatte: „Liebe Kameraden, verehrte Festteilnehmer!
Wieder ist ein Jahr vergangen, seit wir unser letztes Fest gefeiert. Drum sind wir nach so langem hier auf dem Festplatz hergekommen, zu feiern unser Reiterfest. Wir haben lange hin und her gesonnen, bis unsere Köpfe sind eins geworden. Drum ist heute der Tag, an dem wir unser Reiten vorgenommen. So lasst uns nun nach dem Ringe reiten, wo wir uns wollen emsig streiten. Und wer seine Sache am besten gemacht, der wird mit dem ersten Preis bedacht. Auch all denen ins gemein, die unserem Fest genützt, Sie sollen unseres Dankes sicher sein, weil sie uns so freundlich unterstützt. Drum ihr lieben Pferdebesitzer, weil ihr so freundlich waret und eure Pferde zu unserem Fest so freigiebig stelltet: Hoch! Hoch! Hoch!
„Auch die verehrten Zuschauer: Hoch! Hoch! Hoch!“
Zum Abschluss seiner Rede forderte der Hauptmann: „Wir wollen jetzt von dannen zieh´n, beginnen unser schönes Spiel“. Drum jetzt Musik vorwärts! Marsch! „Blast einen kräftigen Reitermarsch.“
Der Festzug durch das ganze Dorf
Angeführt wurde dieser von der „Dornbocker Blaskapelle“- ja eine solche gab es damals im Ort. Es folgten die Reiter in Zweierreihen – mit dem Reiterhauptmann und seinen „Schuhputzern“ an der Spitze. Den Abschluss bildete – im Gegensatz zum heutigen Ringreiten, “ der Ochsenwagen mit zwei oder drei Personen, die in einem Clownsanzug gekleidet waren“. Ihnen folgten dann die Dorfbewohner. Begleitet von “fröhlicher Marschmusik“ ging es „zum Festplatz“.
Dort angekommen hatte jeder Reiter einen Proberitt und danach begann der eigentliche Wettkampf. Dieser hat sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte kaum verändert:
„Jeder Reiter musste versuchen, mit seinem Stecher (Stock) einen der drei Ringe zu stechen und nicht irgendwie abzustoßen“. Hat er ihn gestochen, ließ er ihn wieder zur Erde fallen. (Heute wird er zumeist geworfen.) Von zwei Männern aus dem Kreis der „Passiven“, wurde er mittels eines langen Stockes wieder aufgehangen. Sogar „...Schiedsrichter…“, gab es, die die schwierige Aufgabe hatten bzw. heute immer noch haben, darüber zu wachen, ob der jeweilige Reiter einen der Ringe wirklich „gestochen“ (und nicht etwa bloß abgestoßen) hatte. „Sie waren und sind bis heute dabei, oft einer „lautstarken und manchmal unsachlichen Kritik“ der Zuschauer ausgesetzt!“ Bei einem erfolgreichen Ritt wird von der Kapelle ein Tusch geblasen. Sind alle Reiter durchgeritten, kommen die Clowns und sorgten für die notwendige Belustigung. Danach reitet die gesamte Reiterschaft unter den Klängen der „altbekannten Galoppmelodie „Lampenputzer ist mein Vater“, wieder zum Ausgangspunkt zurück.
Es gab insgesamt „die drei Wartungsritte“. Wer die meisten Ringe gestochen hatte, war der Sieger. Wenn mehrere Reiter die gleiche Ringzahl erreichten, fand ein „Stechen“ zwischen ihnen statt. Dabei war und ist es üblich, dass dazu „nur noch ein Ring an der Latte hängen blieb“. Wer beim Stechen das beste Ergebnis erreichte, hatte entweder den Sieg errungen oder belegte einen der nächsten Plätze. Damit war dann das Ringreiten am „Festplatz“ beendet. Danach geht es zum Stellplatz vor dem Gasthof zurück. Hier erfolgte die Preisverleihung. Der Hauptmann gab danach den Namen des Siegers bekannt: „Als Sieger von uns ging hervor der Kamerad.
Drum wollen wir vereint im Chor ein Dreifach Hoch ihm bringen! „Hoch! Hoch! Hoch!“
Dann wurden die weiteren Preise verteilt. Danach hielt der Hauptmann sein Schlusswort:
„Unser Wirt hat gut Bier und Wein und seine Bedienung ist flott und fein.“
Nun möge er uns auch bedenken und jedem ein Glas Bier einschenken. Und die Musik spielte den Walzer „Nur einmal blüht im Jahr der Mai“. Wenn das Bier ausgetrunken war, fuhr der Hauptmann mit seiner Rede fort: „Die schönste Zeit, die Pfingstzeit, hat uns schon oftmals hier erfreut. Auch in diesem Jahr gingen unsere Pferde über Stock und Stein. Gott der Herr hat uns beschützt, dass keiner brach sich Arm und Bein. Was unsere Herrschaften freut, weil niemandem geschehen ist ein Leid. Unsere Wohltäter, welche uns die Rosse geliehen haben, ein dreimal donnerndes Hoch.
Sie leben hoch, hoch, hoch! Es reite nun jeder sein Pferd nach Haus und komm hin zum Festgebraus. „Und hab ich meine Sache nicht gut gemacht, so trete einer vor, der es besser macht.“ Darauf antwortet dann der „Stiefelputzer“, dass der „Hauptmann“ seine Sache gut gemacht hatte und dass er im nächsten Jahr „er wieder unser Hauptmann sein kann“. Der bedankte sich für das „Lob“ und versprach, dass im nächsten Jahr er „wieder sein Stiefelputzer“, sein wird. Damit war der „offizielle Teil“ des alljährlichen Ringreitens in Dornbock beendet. Die Ringreiter brachten nun ihre Pferde nach Hause und versorgten diese dort mit „einem Eimer Wasser in der Krippe und einem Bund Heu im Rauf.
Kindertanz und Reiterball
„In der bis zum Abend noch verbleibenden Zeit fand ein Kindertanz statt. „Vor dem Gasthof standen Würstchenbuden, wo man Bockwurst und allerlei Süßigkeiten kaufen konnte“, so beschreibt der Dornbocker Chronist das Geschehen am Nachmittag nach dem Ringreiten. Am Abend kamen beim Reiterball Tanz und Frohsinn zu ihrem Recht. „Man plauderte und scherzte, zechte und tanzte bis nach Mitternacht.“ (In welcher Reihenfolge dies sich vollzog, ist nicht bekannt!) An einem späteren Wochenende wurde noch einmal ein Vergnügen für die „aktiven Reiter“ und die „Passiven“ im Gasthof von Dornbock durchgeführt. Dabei ging es darum, die übrig gebliebenen Einnahmen „an den dortigen Wirt“ zu bringen. Und vielleicht wurde dabei schon wieder an das nächste Ringreiten, am „Sonntag nach Pfingsten“ im kommenden Jahr, gedacht. (Ende des 1. Teils, Fortsetzung folgt)
Verwendete Literatur:
Gerhard Bringezu Chronik der Gemeinde Dornbock, - Auszüge – Heft 4, S. 43-47