Die Nutzung des Sandsteins hat eine lange Geschichte. Schon seit Jahrhunderten wurde der Sandstein in unserer Region von unseren Vorfahren abgebaut, als Baumaterial und Gebrauchsgegenstände vielfältiger Art genutzt. Wer aufmerksam durch die Städte und Dörfer unserer Region geht, sieht ihn noch heute in alten Mauern, Gebäuden und Skulpturen verbaut. In der heutigen Schnelllebigkeit machen sich wenige Leute noch Gedanken, wo kam eigentlich das Baumaterial, der Sandstein, her? Wo wurde er zu welcher Zeit gebrochen, verbaut und vor allem, wer hat ihn zu den damaligen Zeiten mit welchen Werkzeugen bearbeitet und transportiert? Die Quellenlage zur Beantwortung dieser Fragen ist, abgesehen von solchen Bauwerken, wie dem Bau des Schlosses Sanssouci, dem Dombau zu Magdeburg und Halberstadt, sehr mangelhaft. Am Sonnabend, den 29. März 2025, gingen 23 Wanderfreunde des Sagen- & Geschichtswanderweges, ausgehend von Neindorf, auf einem Rundweg durch das Hohe Holz bis zu ihrem Ziel, dem Schloss Neindorf mit Schlosskirche, auf die Spurensuche. Nach wenigen hundert Metern wurden sie das erst Mal fündig. Auf dem Friedhof in Neindorf besichtigten sie einen abseits an der Innenseite der Friedhofsmauer, meist unbeachtet stehenden, über zwei Meter großen, aus Sandstein gefertigten Grabstein mit einer fast unleserlichen Inschrift. Auf den ersten Blick wird für das ungeübte Auge nicht ersichtlich, wer hat bzw. trauert hier um wen. Aus den sehr schlecht lesbaren Gravuren wurde nach umfangreichen und noch nicht abgeschlossenen Recherchen sichtbar, dass hier der 1645 verstorbene Justus Oldenburger, Amtmann des Asseburgischen Amtes, geehrt wurde. Der aus hiesigem Sandstein gefertigte Grabstein hat bezogen auf die Zeitangabe der Gravur ein Alter von 380 Jahre. Die Nachforschungen ergaben auch, dass Justus Oldenburger der Mädchenschule in Oschersleben eine Spende zukommen lassen hat. Nach vorliegendem Archivmaterial im Landesarchiv Sachsen-Anhalt wird seine Tätigkeit für die Asseburgs durch umfangreiches Archivgut in Erbschaftsangelegenheiten, geführten Rechnungen über Strafgelder, die Bezahlung des Pastors, der Dienste der Untertanen von Beckendorf und Gunsleben zu jener Zeit belegt. In Anbetracht der bisherigen historischen Kenntnisse zu diesem Kulturerbe waren sich alle Wanderfreunde einig, so unbeachtet, ungepflegt und ungeschützt sollte man nicht mit unserem Kulturerbe umgehen. Eine Sicherung und Restauration sind unbedingt angeraten. Nach ca. drei Kilometern erreichte die Gruppe den in der Gebietsbeschreibung des Landschaftsschutzgebietes Hohes Holz den als Geotop ausgewiesenen, stillgelegten, aufgelassenen Sandsteinbruch Grüne Erdkuhle. Der ehemalige Sandsteinbruch gibt einen außergewöhnlichen Einblick in die Erd- und Landschaftsgeschichte. Sandstein ist ein faszinierendes Gestein, das in der Natur in verschiedenen Formen vorkommt. Der in dem Steinbruch vorliegende Sandstein entstand im Erdzeitalter Rät, einer Unterstufe des Oberen Keuper, welcher zum Erdzeitalter des Trias gehört. Sandstein entstand durch die Verfestigung von Sandkörnern, die durch die Erosion von anderen Gesteinen freigesetzt wurden. Diese Epoche begann vor etwa 252,5 Millionen Jahren und dauerte etwa 6,3 Millionen Jahre. Auf der geologischen Zeitskala kann man das Alter eines Menschen nicht darstellen und wie gehen wir Menschen mit den Ressourcen der Erde um? Auf der Route der historischen, seit langer Zeit stillgelegten Sandsteinbrüche durch das Hohe Holz wurden fünf ehemalige Sandsteinbrüche aufgesucht und über sie berichtet. Auf dem Weg durch den romantischen Hohlweg, an der alten Pinge vorbei, entlang der Einfriedung der Helios Bördeklinik, ging es dann über den ehemaligen Gutshof zu der am Schloss angrenzenden Schlosskirche. Sensibilisiert durch das bisher gesehene und die Berichte des Wanderführers entdeckten die Wanderfreunde in der Einfriedung des Schlossparkes im verbauten Baumaterial am Schloss und vor allem an und in der 1583 durch August von der Asseburg erbauten ehemaligen Gutskapelle sehr viel Sandstein. Aus der Bauforschung und der geringen Dokumentation ist bekannt, dass der verbaute Sandstein aus der umliegenden Region stammt. Die Sandsteinbrüche waren in unserer Region ausschließlich oberirdisch und um die Transportkosten niedrig zu halten, möglichst in der Nähe der Großbaustellen, wie Schloss- oder Kirchenbauten errichtet worden. In welchen der alten Sandsteinbrüche der Stein von wem, mit welchem Aufwand gebrochen wurde ist bisher nicht bekannt. Die Beförderung der benötigten Baumaterialien konnte nur mittels Muskelkraft der Menschen, Ochsenkarren und Pferdefuhrwerken bewältigt werden. Ausgehend vom Baujahr der Schlosskapelle 1583, den vorliegenden Unterlagen zu den Steinbrüchen in Wormsdorf und der Zunftordnung der Steinmetzmeister zu Rochlitz im Freistaat Sachsen sind die Arbeitsverhältnisse in einem mittelalterlichen Steinbruch bekannt. Natürlich baute der Grundherr, August von der Asseburg die Schlosskapelle nicht aus eigener Kraft. Die erbuntertänige Landbevölkerung musste zu jener Zeit an einer festgelegten Zahl von Tagen während des Jahres ihre Frondienste in Form der Hand- und der Spanndienste auf den Bau und in Steinbrüchen ableisten. Im Königreich Preußen wurde die Erbhörigkeit, Erbuntertänigkeit und Leibeigenschaft nach jahrzehntelanger stufenweiser Beseitigung erst 1807 durch Erlass des Königs durch die Hardenbergische Reform eingeleitet und beendet. Die Steinbrecher und Steinmetze, die oft seitens der Bauherrschaft gekauft oder angemietet waren, arbeiteten unter einem Meister als Mannschaft von Steinbrechern und Hilfsarbeitern unter freiem Himmel in dem für das Bauobjekt in der Nähe liegenden erschlossenen Sandsteinbruch. Das Handwerkszeug bestand im Wesentlichen aus Spitzhacken, Keilen, Meißeln, Fäusteln, Steinsägen und Brechstangen. Bei dem Betrachten des Baukörpers, der Besichtigung der Innenausstattung, wie zum Beispiel des kreuzrippengewölbten Innenraums, den prunkvoll gestalteten Epitaphen, den figürlich gestalteten Grabplatten im Fußboden vor dem Altarbereich und dem steinernen Handlauf im Treppenturm staunt der Betrachter über die handwerklichen Leistungen der Handwerker. Nach Aussagen aller Wanderfreunde haben wir an diesem Vormittag nicht nur etwas für unsere körperliche Fitness getan, sondern auch unsere Heimat besser kennengelernt. Die nächste Wandertour ist in Planung und wird zu gegebener Zeit rechtzeitig bekanntgegeben.
Ernst-Albert Kube