In der vorletzten Ausgabe des Peitzer-Land-Echos berichteten wir über ein kurioses Phänomen, das sich in der Hochofenhalle des Museums „Johanneum“ abspielte. Dort, wo seit neuestem Peitz’ kulturelles Erbe gepflegt wird (warum die Umbenennung, erfahren Sie in der nächsten Ausgabe), steht kein klangvolles Pianoforte, sondern eine Orgel! Eine Orgel mit hunderten Pfeifen – und das in einer alten Industriehalle? Wo bekommt man sowas? Im nächstgelegenen Musikladen jedenfalls nicht.
Orgeln sind nun mal keine Massenware. Diese majestätischen Instrumente werden in der Regel eigens geplant und angefertigt, oft von hochspezialisierten Orgelbauern, deren Handwerk fast schon als Kunstform gilt. Natürlich kostet solch ein Unikat, je nach Größe und Komplexität, gerne mal ein kleines Vermögen. Doch wer einmal an einer Orgel gebaut hat, weiß, dass sie dafür nicht nur für Jahre, sondern oft für Jahrhunderte Bestand hat. Doch, liebe Leser, seien wir ehrlich: Eine solche Investition überstieg eindeutig die Möglichkeiten des Museums. Also musste eine andere Lösung her, ein kleineres Instrument mit einem Bassregister, um genau zu sein. Ein Kompromiss, ja – aber ein raffinierter.
Zuerst wurde experimentiert: Mit ein paar Pfeifen aus der großen Kirchenorgel testeten wir in der Hochofenhalle an verschiedenen potenziellen Standorten Ansprache und Klangentfaltung, und siehe da – die Akustik war wie gemacht für eine Orgel! Der optimale Platz? Die obere Gichtbühne, rechts vom Hochofen. Nun musste nur noch das passende Instrument gefunden werden. Das Schicksal meinte es gut mit uns: Im Internet stießen wir auf eine kleine, feine Orgel der evangelischen Kirchengemeinde Sonneberg in Thüringen. Baujahr 1984, also für Orgelverhältnisse ein Jungspund! Und, wie es der Zufall wollte, handelte es sich um ein Instrument der renommierten Firma Schuke aus Potsdam. Solide Bauweise, kräftiger Klang – da musste man nicht lange überlegen.
Der nächste Schritt war eine Reise ins Thüringische. Am 6. Februar 2024 machte sich die Kulturdelegation aus Peitz auf den Weg, um die Orgel zu begutachten. Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Der Zustand des Instruments war hervorragend. Die Windlade, das Herzstück der Orgel, wirkte gar wie ein meisterhaftes Gesellenstück. Nach kurzen Preisverhandlungen – wer handelt nicht gerne? – war der Deal perfekt.
Doch bevor wir jubeln konnten, musste noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Denn, seien wir ehrlich: Nicht jeder war sofort begeistert von der Idee, eine Orgel in einer ehemaligen Industriehalle aufzustellen. Die Finanzierung war ein weiterer Stolperstein. Doch dank des unermüdlichen Engagements des Fördervereins Hüttenwerk Peitz e.V., der Jazzwerkstatt Peitz und des Amtes Peitz/Picnjo konnten wir auch diese Hürde überwinden. Am 17. April 2024 wurde der Kauf in der Stadtverordnetenversammlung einstimmig beschlossen. Respekt für den Mut zu dieser Entscheidung und dem klaren Bekenntnis zu niveauvoller Kultur!
Und dann ging alles ganz schnell: Der Kaufvertrag wurde am 3. Mai unterzeichnet, und schon am 23. Mai machten sich Peitzer „Orgelbauer“ auf den Weg nach Sonneberg, um das Instrument abzubauen. 511 Pfeifen, davon 42 aus Kiefernholz, mussten sorgfältig verpackt werden. Besonders die dünnen Zinnpfeifen erwiesen sich als zerbrechlich wie ein rohes Ei. Der Spieltisch wurde von der Windlade getrennt, das Gehäuse zerlegt. Innerhalb weniger Stunden war alles verladen – und das mit tatkräftiger Hilfe einer Gruppe interessierter Flüchtlinge, die zufällig vorbeikamen. Solche Begegnungen sind doch die schönsten, oder?
Nach einem üppigen Grillfrühstück – ja, die Sonneberger Kirchengemeinde weiß, wie man Gäste bewirtet – machten wir uns am nächsten Tag mit unserer kostbaren Fracht auf den Rückweg nach Brandenburg. Der Aufbau verlief ebenso zügig wie der Abbau. Dank der Unterstützung des Peitzer Bauhofs stand das schwere Chassis bald sicher auf der zweiten Gichtbühne. Bis spät in die Nacht arbeiteten wir daran, die ersten 142 der insgesamt 511 Pfeifen aufzustellen. Und dann, gegen 21 Uhr, erklang zum ersten Mal die Musik dieser besonderen Orgel in der Hochofenhalle. Ein Moment, den wir so schnell nicht vergessen werden – der Klang war überwältigend! Einer unserer Sponsoren war spontan dabei, und der Abend nahm einen klangvollen Ausklang, wie man ihn sich nur erträumen kann.
Am 21. Juni 2024 hauchte dann der weltweit tätige Intonateur Tino Herrig dem Instrument das endgültige Leben ein. Jede Pfeife wurde perfekt abgestimmt. Der Höhepunkt folgte am 8. Juli 2024, als der Berliner Organist Volker Jaekel, der in Peitz kein Unbekannter ist, das Einweihungskonzert spielte. Wie es bei solchen Anlässen Tradition ist, wurde am Ende das Volumen der größten Pfeife in Form von Wein ausgeschenkt. In unserem Fall waren das stolze 37 Liter.
Fazit: Mit den beiden Orgeln der evangelischen Kirche gibt es nun stolze 3.605 Pfeifen in Peitz. Für eine Stadt unserer Größe ein beeindruckendes „Pfeifen-zu-Einwohner-Verhältnis“, oder?
Und wie geht es weiter?
Bereits am 27.09.24 um 19:00 Uhr hält Julia Reinhold, die neue Kantorin der evangelischen Kirchengemeinde Peitz, an der „Werksorgel“ ihr weltliches Debütkonzert. Dort werden auch Vertreter höchsten Ranges der Sonneberger Kirchengemeinde ihr ehemaliges Instrument am neuen Standort bestaunen. Verpassen Sie also nicht, die Chance zu ergreifen und das Gespräch zu suchen.
Ein besinnliches Orgelkonzert stimmt am 06.10.2024 um 19:00 unter dem Titel "Hörst du das Plätschern, spürst du das Rauschen?" die 11. Peitzer Karpfenwoche musikalisch an. Dr. Matthias Blume entführt die geneigten Hörer mit bewegender Programmmusik rund um das Thema Wasser in klangvolle Welten.
Den Jahreshöhepunkt markiert der Auftakt der im vergangenen Artikel angekündigten neuen Symbiose aus historischen Stummfilmen und Orgel-Livemusik - also genau so, wie es ursprünglich sein sollte – unseren „Vernessages“ am Samstag des Großen Fischzugs, den 26.10.2024 um 17:00 Uhr. Dass Volker Jaekel die Hochofenhalle wieder zum Klingen bringen wird, verraten wir jetzt schon, welchen Film er begleitet, bleibt noch eine Weile ein Geheimnis.