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Peitzer LandEcho - Beilage: Amtsblatt für das Amt Peitz mit seinen Gemeinden
Ausgabe 2/2025
Redaktioneller Teil
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Kein Filmpalast – aber ein bisschen Kathedrale

Alter, rauer Putz, mit Staub drauf, wo er hält und nicht weiterrieselt. Eine Kinoleinwand sieht anders aus! Selbst zuhause würde sich so mancher wohl eher eine dreißig-Euro-Aufklappleinwand für „ein-, zweimal im Jahr herausholen“ kaufen, als mit dem Beamer auf die Raufasertapete zu leuchten. Manchmal, aber nur manchmal ist Ambiente doch Trumpf und schlägt das „Verwöhntsein“.

Vielleicht war es aber auch die Kombination der Umstände, das Verweben einzelner Wolkenkuckucksheime, welche zum Erfolg des ersten Versuches eines Stummfilmabends zur herbstlichen Temporalverkrümmung führten. Die neue Orgel auf der oberen Gichtbühne der Hochofenhalle, die Sehnsucht, wieder ganz kleines Kino eben auch mal besonderer Sujets zu machen, der Versuch, eine ganze Kohorte von Museumsbesuchern stundenlang dazu zu bewegen, den Blick über diesen Koloss der Industriearchitektur, der wie in die Landschaft gerammt dasteht und aus Wetterfühligkeit mit einer Bohlenbinderhalle ummantelt zu sein scheint, mit seinem spitzbögigen Schmelzofenaltar und seinen etruskischen Säulen in schwindelerregender Höhe schweifen zu lassen, ihn zu mustern und zu studieren. Ich hätte nicht gedacht, dass wir das mal schaffen. Ja, es gab einige Anregungen, dass der Film – es war damals „Schloss Vogelöd“ von F. W. Murnau – noch etwas undeutlicher gewesen sei, als man es bei alten Stummfilmklassikern ohnehin schon gewohnt ist, dass man etwas fröre, dass der steile Winkel nicht unbedingt etwas für jedermanns Nacken sei. Ich postuliere, dass die liebevoll digital aufgearbeiteten Leihgaben der Murnaustiftung etwas Oberflächenverzerrung verträgt, zumal gerade die Stummfilmära mit langsamer und überartikulierter Mimik ebenso Gestik der theatergeschulten Schauspieler nicht geizt. Kalt war’s dann, es war Herbst und der Film auf Hochofenputz, das war ja der Witz. Aber es waren Kleinigkeiten, jedem hat der Abend gefallen, nur zwei Besucher waren zum Glück recht früh überfordert. Die Bilanz zeigte sich überaus positiv, ungewohnt für Peitz, da sonst weitaus barrierefreiere Veranstaltungen mehr Kritik erfahren.

Wir wollen weitermachen! Darin waren sich alle einig. Halbjährig, so haben wir uns das jetzt ausgedacht und zwar immer- damit haben wir ja schon ohne Absicht angefangen - zu den zwei Wochenenden horologischer Willkür im Jahr. Warum? Um zwischen minimalem Bibbern und frühestmöglichem Eintritt der Dunkelheit zu triagieren. Das bedeutet für die frühjährige Stundenverrückung den Samstag und für die herbstliche Uhrenverdrehung den Sonntag. Zweites merkt sich wohl einfacher, wenn wir vom „Abfischensonntag“ reden. Für das Frühjahr kann ich nur die Eselsbrücke „Uhr umdrehen, Stummfilm gehen!“ anbieten, obwohl das zwar wohl die pragmatische, nicht aber die konsekutive Reihenfolge ist.

Merken Sie sich also den 22. März 2025, wenn es heißt: Zwischen Licht und Schatten – Stummfilmkunst im Hüttenwerk Peitz.

Wenn sich die Nacht über die hölzernen Gerippe der Bohlenbinderhalle senkt und ein Meisterwerk des expressionistischen Kinos zu neuem Leben erwacht: Das Cabinet des Dr. Caligari – ein Film, der das Grauen in verzerrte Kulissen und taumelnde Schatten bannt, ein Fiebertraum aus Licht und Wahnsinn.

Wenn sich am Abend vor der Chronomanipulation zur Sommerzeit das historische Hüttenwerk zu Peitz in eine Bühne der filmischen Faszination verwandelt.

Wenn die monumentale Fassade des Hochofens zur Leinwand für Robert Wienes visionäres Stummfilm-Drama wird.

Wenn der morbiden Poesie der Bilder eine ebenso eindringliche musikalische Interpretation begegnet und der Organist Volker Jaekel auf der Schuke-Werksorgel auf der oberen Gichtbühne, gleich neben dem Hochofen ein Klanggewitter zwischen Expression und Improvisation entfesselt.

Wenn die Inszenierung einen cineastischen Ausnahmeabend an einem Ort verspricht, der wie geschaffen scheint für ein Spiel aus Schatten und Suggestion.

Wenn die Zeit für einen Moment stillzustehen scheint, kurz bevor sie sich in jener Nacht um eine Stunde nach vorn verschiebt.

Klingt das nach Ihrer Definition von Kultur? Dann reservieren Sie sich das Datum und betreten Sie am 22. März zuerst die Hochofenhalle des königlichen Hüttenwerks zu Peitz und dann das Cabinet des Dr. Calogari! Übrigens verzeihen Sie bitte den fünfmaligen Versuch, im vorangegangenen Text ein interessanteres Synonym zum langweiligen Begriff „Zeitumstellung“ zu finden.

Mirko Huhle