Manche Jahre quellen vor Jubiläen nur so über. Dieser Gedanke zwingt sich mir gerade auf, als ich mich dabei ertappe, für diese Ausgabe des Peitzer Land Echos zum dritten Male über ein Jubiläum zu schreiben. Es ist wohl ein Jubiläum, das an den meisten Bürgern des Amtes Peitz vorbeiziehen dürfte, das ist auch überhaupt nicht schlimm, das macht es deswegen aber nicht weniger bedeutsam. Zum einen handelt es sich um ein Doppeljubiläum, zum anderen ist es für die Stadt Peitz ein besonderes Aushängeschild. Die Rede ist von der Jazzwerkstatt Peitz, die sowohl ihre sechzigste Ausgabe als auch ihre fünfzigjährige Existenz feiert. Was ist das nun aber für ein Aushängeschild für Peitz? Nun ja, dass die Veranstaltungsreihe ein bedeutendes Kapitel der jüngeren Kulturgeschichte der Stadt ist, ergibt sich aus dem Blick von außen auf Peitz. Bereits zu der Zeit, als sich die Jazzwerkstatt noch im Krabbelalter befand, also dem Jahrzehnt nach 1973, verdiente sich Peitz in der Jazzszene, die erstaunlicherweise weit über die gut befestigten Grenzen der DDR hinausging, den Ehrentitel „Woodstock am Karpfenteich“. Ein Titel, der bis in die heutige Zeit deutlich vernehmbar nachhallt. Schon allein dieses Kapitel der Jazzwerkstatt ist schon eines der faszinierendsten der Stadtgeschichte. Als die Veranstaltung dann nach superknapp 30 Jahren wieder in Peitz Fuß fasste, etablierte sie sich in Windeseile zu einem festen Termineintrag hunderter Jazzbegeisterter, diesmal auch weit über die bundesdeutschen Grenzen hinaus. In der jüngsten Zeit ist es ein neuer Ehrentitel, der sich in den Szene-Gesprächen über Peitz langsam aber stetig formt. Das haben wir bei den Recherchearbeiten zu unserem bescheidenen kommunalen Beitrag des Ehrenjahres, über den Sie gleich auch mehr erfahren, mitbekommen. Die Fischer- und Festungsstadt wird auch schon mal als das „Moers des Ostens“ bezeichnet, ein Vergleich, der es in der Szene wirklich in sich hat! Erstaunlich für welche Dinge eine Kommune, ohne immer selbst dabei verantwortlich zu sein, bundesweite, ja europaweite Bekanntheit erlangt.
Da ist es wirklich an der Zeit, alles „rund“ zu machen. Dass es im September, namentlich am achten bis zehnten, wieder eine reguläre Ausgabe der Jazzwerkstatt geben wird, ist gebongt, ist die Pflicht und hat die Zusatzzahl 60. Rund! Dass es in den Tagen unmittelbar nach Erscheinen dieses Peitzer Land Echos eine Jubiläumsveranstaltung mit dem Titel „Jazzwerkstatt Peitz - 50 Jahre Woodstock am Karpfenteich“ sowohl in Berlin, dem Zweitwohnsitz der Jazzwerkstatt, dort im Institut Français als auch im Kammermusiksaal, als auch in Peitz in gewohnten Spielstätten geben wird, ist die Kür und ebenfalls gebongt. Rund! Genial ist, dass dabei so richtige Urgesteine spielen werden, gerade bei den Peitzer Konzerten im April. Namen wie Conny und Matthias Bauer, Uschi Brüning, Joe Sachse, Uwe Kropinski oder dann im September Günther Baby Sommer und Ulrich Gumpert kennt jeder, der das örtliche Jazzgeschehen sowohl vor 1982 als auch nach 2011 verfolgt oder sich gar einmal die Ausstellung „Woodstock am Karpfenteich - Free Jazz in der DDR“ im Hüttenwerk Peitz zu Gemüte führte.
Es erschien uns als geboten, der Veranstaltungsreihe neben der zuletzt genannten Sonderausstellung einen sichtbaren Leuchtturm in Peitz zu setzen und uns an dem Jubeljahr zu beteiligen. Wie im Artikel zum Jubiläum der Amtsbibliothek angedeutet, haben wir dazu eine Doppelveranstaltung geplant, und zwar für den 10. Mai. Gegen 16:00 Uhr starten wir mit der feierlichen Enthüllung des Auftaktmoduls - im Grunde eine Infosäule - für die Hörführung „Jazz in Peitz - Die Stationen des „Woodstock am Karpfenteich““ auf dem Marktplatz in Peitz. Diese Hörführung - der Profibegriff lautet Audio-Guide - ist es, was ich weiter oben mit bescheidenem kommunalen Beitrag andeutete. Erarbeitet haben wir sie in gemeinsamer Arbeit des Bauamtes und des Kultur- und Tourimusamtes und es auch tatsächlich vermocht, so einigen der im vorangegangenen Absatz aufgezählten „Urgesteine“ des Peitzer Jazz‘ einen Wortbeitrag abzuluchsen.
Realisiert wurde das Projekt Audioguide im Rahmen der Aktion „Kulturgut - Alt(e)stadt gestalten“ des Kulturlandes Brandenburg durch die AG historische Stadtkerne im Land Brandenburg. Ein großes Dankeschön auch in diese Richtung. Ohne die Mitgliedschaft in der AG würden für uns in der Stadt Peitz viele Kulturbeiträge nicht realisierbar sein, beispielsweise auch nicht das in einem gesonderten Beitrag besprochene historische Spektakel. Im Anschluss an die feierliche Eröffnung der Hörführung werden wir auf dem Weg zur Amtsbibliothek einige der Hörstationen erlaufen und zum ersten Mal den Beiträgen lauschen. Um 17:00 Uhr beginnt dann die zweite Hälfte der Veranstaltung. Der bis jetzt im Artikel unerwähnte und doch allen bekannte Kopf der Jazzwerkstatt, Ulli Blobel, liest aus seiner Neuerscheinung „Woodstock am Karpfenteich II“, dazu erklingt das Tenorsaxophon von Herbert Weißrock. Wer den Band I des Buches kennt, weiß, dass die wunderbar anekdotenhaften Beiträge des aus Zeitzeugen bestehenden Autorenkollektivs der beste Einstieg in die für viele Anwohner sonst so mysteriöse Welt der Jazzwerkstatt Peitz ist. Um ein wenig den Kreis zu schließen, begeben wir uns wieder zurück in die Anfangsjahre, Sie wissen: die 70er, und nehmen mal eine kleine Kostprobe aus dem Beitrag von Christoph Dieckmann des oben genannten Buches:
„Mein Glück genoß auch Abstraktion und Atonalität mit einer Romantik, die den Musikern vermutlich fernlag. Doch ihre freien Klänge umfingen jegliches Gefühl; sie vertonten die Lebenslagen ihrer Hörer. Sie intonierten und transzendierten Individualität. Ihre Musik hatte es bis eben nicht gegeben; sie kam justament in diesem Kleinstadtkino zur Welt. Ich verstand nicht alles, aber fühlte mich verstanden und am wahren Ort. Mehr konnte der Traumtänzer nicht wünschen, damals in Peitz.“
Wenn Sie wissen wollen, was mit „Kleinstadtkino“ gemeint ist, müssen Sie wohl auch vorher die Hörführung mitnehmen. Es wird ein hörintensiver, dafür augenschonender Tag, kommen Sie also am 10. Mai unbedingt mit gewaschenen Ohren!