Aus dem Informationsblatt des Rates der Stadt und des Stadtausschusses der Nationalen Front Pegau
Februar 1974
Dass für die Jahre 1847 – 1874 eine recht ausführliche Pegauer Chronik vorliegt, verdanken wir dem hiesigen Kirchner und Mädchenschullehrer Kühn. Seine Schilderungen der örtlichen Ereignisse sind für den Heimatfreund recht aufschlussreich.
Erst durch den Anschluss an das Schienennetz war für Pegau eine industrielle Entwicklung möglich, deshalb hat die Stadt jahrzehntelang darum gekämpft. Das größte Ereignis des Jahres 1873 war für Pegau die Fertigstellung der Eisenbahnlinie Leipzig – Zeitz, für unseren Chronisten Stoff für vier Seiten seines Jahresberichtes.
Am 30. Juli fuhr blumenbekränzt und unter Böllerschüssen und donnernden Hurra's die erste Lokomotive von Leipzig kommend, in Pegau ein. Sie musste aber vorläufig noch Kies, Schwellen und Schienen für den weiteren Oberbau der „preußischen Strecke“ heranbringen. Trotz mancher Zweifel wurde der Bahnbau fast termingerecht geschafft, und die Eröffnung der Bahnlinie erfolgte am 20. Oktober 1874. Täglich verkehrten acht Personenzüge und zwei Güterzüge. Der Chronist Kühn hat auch die Fahrpläne überliefert. Erstaunlich ist, dass die meisten Züge nur eine knappe Stunde für die Strecke Pegau – Leipzig brauchten, allerdings hielt der Zug unterwegs nur viermal, die meisten Vororte hatten noch keinen Anschluss. Die Fahrt Pegau – Leipzig kostete 4. Klasse 7,5 Neugroschen = 75 Pfennige, 1. Klasse jedoch 23 Neugroschen = 2,30 M. Dieser Preis entsprach dem früheren Postfahrpreis, für den man obendrein das Vergnügen hatte, 3 – 4 Stunden im überfüllten Omnibus durchgerüttelt zu werden. Manches enttäuschte aber auch die Pegauer. Das Bahnhofsgebäude war ihnen nicht repräsentativ genug, denn es glich aufs Haar denen der kleineren Orte an der Strecke. Die Kaufleute klagten, dass die Waren aus Leipzig erste nach 8 – 14 Tagen ankamen, und die Zeitung gab es statt abends erst am nächsten Morgen. So wurde der Botenfuhrmann mit seinen 2 PS nicht brotlos, denn er musste weiter die eiligen Transporte durchführen. Mit der Post klappte es gleich gar nicht. Die Pakete mussten mit einem Handkarren zum Bahnhof gebracht werden und weil dabei einmal ein Briefbeutel mit 2300 Talern verlorenging, wurde daraufhin ein Postomnibus für den Transport benutzt. Nichts wie Ärger mit der Eisenbahn! So werden die Stadtväter gedacht haben, denn sie mussten nun auch noch zwei neue Straßenlaternen „auf eisernen Säulen“ auf der Chaussee zum Bahnhof, die noch nicht bebaut war, aufstellen lassen, Preis 70 Taler.
Die Jahre 1973 und 1974 sind bedeutende Jubiläumsjahre für die Eisenbahnverbindungen nach Pegau und Groitzsch. Für Pegau wurde es bereits im 'Informationsblatt' vom Februar 1974 erwähnt (Charlotte Ninchritz, „Vor hundert Jahren“). Es sei uns daher gestattet den Bericht etwas ausführlicher zu ergänzen.
Jubiläen sind Anlass, in Chroniken, zeitgenössischen Berichten und alten Akten zu blättern und der wechselvollen Geschichte dieser Jahre nachzugehen. Das Jahr 1873 hatte für den Verkehr der Stadt Pegau und das Jahr 1874 für Groitzsch eine ganz besondere Bedeutung. Diese beiden Jahre brachten die späte Entscheidung über den Anschluss an das damals bestehende Eisenbahnnetz.
Die ersten 1825 - 1829 in England in kurzen Zeitabständen erbauten Dampfeisenbahnen folgten die Eröffnungen weiterer Linien in allen wirtschaftlichen starken Ländern in Europa und Amerika. In Deutschland wurde die erste Eisenbahn 1835 von Nürnberg nach Fürth eröffnet. 1837 - 1839 folgte die 116 km lange Strecke von Leipzig nach Dresden, 1842 - 1848 die Sächsisch-Bayrische Bahn von Leipzig über Kieritzsch – Altenburg nach Hof. 1845 betrug die Linienläge des deutschen Eisenbahnnetzes bereits 2143 km und stieg im Verlauf weiterer 10 Jahre auf 7822 km.
Ein Nachteil für die sich im 19. Jahrhundert rasch entwickelnden Städte Pegau und Groitzsch war es, dass sich ein Eisenbahnbau infolge der Meinungsverschiedenheiten der sächsischen und preußischen Behörden immer wieder hinauszögerte. Bereits 1845 begannen die Verhandlungen. Bis Mitte der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts bestanden die meisten deutschen Staaten, so besonders in Preußen, Sachsen und Bayern, Privatbahnen und Staatsbahnen in großer Zahl nebeneinander, Erst durch die Bestimmung in Artikel 13 des Berliner Friedensvertrages vom 21.10.1866 verpflichten sich die Preußen und Sachsen gegenseitig, die Herstellung einer Eisenbahn on Leipzig über Pegau nach Zeitz zu gestatten und zu fördern, nachdem Preußen schon am 19. März 1859 eine Eisenbahn von Gera über Zeitz nach Weißenfels, als mit Umgehung sächsischen Gebietes, eröffnet hat. Im November 1866 richteten die Stadträte von Pegau, Groitzsch und Zwenkau an die sächsische Staatsregierung eine Petition, eine neue Bahn über die Städte zu führen. Zur gleichen Zeit wurde auch ein Projekt erörtert, eine Bahn von Altenburg über Meuselwitz-Groitzsch nach Pegau zu bauen.
Über das geplante Projekt brachte die „Berliner Zeitung“ 1866 folgende Notiz: „Zur Ausführung der Bahn von Leipzig über Pegau nach Zeitz, zu deren Bau die Thüringische Eisenbahngesellschaft durch Erlass des Königs vom 12. Dezember 1868 ermächtigt wurde, hat immer noch nicht beschritten werden können, weil die zu bauende Linie noch nicht feststeht. Während nämlich ein in Bezug auf diese Bahn zwischen Sachsen und Preußen abgeschlossener Staatsvertrag bestimmt, dass dieselbe von Leipzig in thunlichst direkter Richtung über Pegau nach Zeitz geführt werden soll und die Thüringische Bahn aufgrund dieses Vertrages bei der sächsischen Regierung die Erteilung der Conzession für eine solche Linie nachsuchte, stellt die letztere die Bedingung, dass die neue Bahnlinie mit möglicher Annäherung an die Stadt Zwenkau zu tracieren sei. …
Infolge dieses Umstandes, dass sich die Thüringische Bahn weigerte, nicht nur eine längere, sondern kostspieligere Route zu wählen, hat sich in Zwenkau ein Comité gebildet, welches die Erbauung eine Bahn von Zeitz nach Meuselwitz, Pegau, Zwenkau nach Gaschwitz, deren letzte Station der Sächsisch-Bayrischen Bahn vor Leipzig, anstrebt ...“
In der damaligen Zeit kam in Leipzig jenes Spottbild heraus, auf der die neue geplante Eisenbahn dargestellt wurde. Wir geben die Zeichnung wieder, weil sie zugleich durch ihre bildliche Darstellung der Spitznamen, die die Städte im Volksmund führen, volkskundlich wertvoll ist.
Im letzten Wagen steht neben ein paar Bierfässern der Fürst von Gera-Reuss mit einer langen Peitsche, im Zeitzer Wagen fahren die bewussten Mädchen, im Pegauer 3 Kühe, im Groitzscher eine Stange mit Pantoffeln und im Zwenkauer ein Gendarm mit gefesselten Dieben. Die Lokomotive wird von einer Kuh und einem Esel gezogen. Ein Häschen sitzt unbeeindruckt vor dem Dampfzug. Alles symbolisiert das schleppende Vorankommen dieser Eisenbahn.
Nach heftigen Auseinandersetzungen wurde schließlich der direkten Linie Leipzig-Pegau-Zeitz der Vorzug gegeben, da so eine zweimalige Überbrückung des Elstertales vermieden wurde. Am 20. Oktober 1873 wurde die Bahn durch die Thüringische Eisenbahngesellschaft mit großen Eröffnungsfeierlichkeiten zunächst eingeleisig dem Verkehr übergeben. Die Trasse, die Brücken und andere größere Bauwerke waren aber schon für den späteren zweigleisigen Ausbau vorgesehen. Der erste Fahrplan ist noch erhalten. Es verkehrten täglich 4 Personenzüge und 2 Güterzüge in jeder Richtung. Der Personenfahrplan hatte folgendes Aussehen:
Es fuhr sogar schon ein Eilzug, erstaunlich die damals gefahrene Reisegeschwindigkeit. Die Stundenzeiten wurden früher nicht wie heute in Fahrplänen von 0 – 24 Uhr angegeben, sondern jeweils von 1 – 12 Uhr vormittags und 1 – 12 Uhr nachmittags, wobei später die Minuten von 6 Uhr nachmittags bis 6 Uhr vormittags zu besseren Unterscheidung unterstrichen wurden. Waren es damals für den Bahnhof Pegau täglich 12 Zugfahrten, so hat er 1974 täglich 108 zu bewältigen. Der Leipziger Endbahnhof war damals der Thüringische Bahnhof, der sich auf dem Gelände des jetzigen Magdeburg – Thüringischen Güterbahnhofes – an der Westseite des heutigen Hauptbahnhofes – befand. Der Bahnhof Barneck ist jetzt Leipzig-Leutzsch. Die Bahnhöfe und Haltstellen Gohlis, Möckern, Großzschocher, Bösdorf, Profen und Bornitz wurden erst später auf Ersuchen der dortigen Behörden eingerichtet und in Betrieb genommen.
Nach der Verstaatlichung der Thüringischen Eisenbahngesellschaft durch Preußen im Jahre 1886 gehörte die gesamte Strecke Leipzig-Pegau-Zeit zur Preußischen Staatsbahn. Der Bahnhof Pegau nannte sich „Pegau Pr. Stb.“, dessen äußere Gestalt sich bis heute kaum verändert hat. 1898 wurde das zweite Gleis verlegt. Der Bahnhofsfußweg von der Eulauer Straße wurde Anfang 1900 zur Straße und beiderseits mit stattlichen Häusern ausgebaut.
Ein Komitee der Städte Zwenkau, Groitzsch und Meuselwitz unternahm dann eigene Schritte um eine entsprechende Eisenbahnlinie zu erhalten. Von der Sächsischen Staatsregierung wurde am 17. Januar 1870 die Verordnung erlassen, mit den Vorarbeiten für den Bahnbau von Gaschwitz über Zwenkau-Groitzsch nach Meuselwitz zu beginnen. Am 6. September 1874 konnte der erste Zug auf dieser Strecke fahren. Der langersehnte Zeitpunkt für den Anschluss auch der Stadt Groitzsch an das Eisenbahnnetz war gekommen und wurde festlich begangen. Nach langwierigen Verhandlungen kam es 25 Jahre später zu der dringend gewünschten Querverbindung von Pegau über Groitzsch nach Kieritzsch mit Anschluss an die Kreisstadt Borna. Die Strecke wurde am 30. September 1909 eröffnet und unterstand der Sächsischen Eisenbahnverwaltung. Neben dem ‚Preußischen Bahnhof‘ erhielt Pegau noch einen ‚Sächsischen Bahnhof‘ am Mühlweg, der noch heute als Wohnhaus ausgebaut auf dem Gelände des jetzigen Ostbahnhofes vorhanden ist.
Soweit der Bericht über die Anfänge der Eisenbahnen nach Pegau und Groitzsch. Eine Darstellung der wechselvollen Entwicklung bis zur Gegenwart soll einem späteren Beitrag vorbehalten bleiben.