von Hans-Georg Hering
Carl Merkels Bielatalführer von 1826 gilt im Allgemeinen als erste umfassende Beschreibung des mittleren und oberen Bielatales in der Literatur. Was den Umfang seiner Schilderungen betrifft, stimmt dies‘ auch.
Die „Schweizführer“ widmeten den beiden literarischen Erschließern der Sächsischen Schweiz, Nicolai und Götzinger, 1834 diese Tafel an der Basteibrücke.
Aber schon 22 Jahre zuvor wendet sich Magister Wilhelm Leberecht Götzinger, 1758 in Struppen geboren, später in Neustadt/Sa. lebend und wirkend und 1818 dort verstorben, in seinem Reiseführer „Schandau und seine Umgebungen oder Beschreibung der sogenannten Sächsischen Schweiz“, Bautzen 1804, auch dem bis dato kaum beachteten Bielatal zu. In der bis dahin erschienenen Literatur über die Sächsische Schweiz, welche ja zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch in den „Kinderschuhen“ steckte und nur wenige Veröffentlichungen umfasste, wurde der Bielagrund, wenn überhaupt, nur mit wenigen Worten bedacht.
So z.B. in „Mahlerische Wanderungen durch Sachsen“ von Engelhard und Veith, Leipzig 1795, „Pitoreskische Reisen durch Sachsen oder Naturschönheiten Sächsischer Gegenden auf einer gesellschaftlichen Reise gesammelt“ von Brückner und Günther, Leipzig 1800, oder „Wegweiser durch die Sächsische Schweiz und die ganze umliegende Gegend von Dresden…“ Friedrich August Hasse, Dresden 1804.
Erst Götzinger widmete dem Bielatal etwas mehr Aufmerksamkeit, wenn auch noch recht rudimentär – so greift er in seinen Beschreibungen nur einzelne erwähnenswerte Punkte und Örtlichkeiten um Rosenthal und aus dem oberen Bielatal heraus.
So schreibt er z.B. ab S. 359: (Zitat Beginn) „ich weiße daher lieber in den hinter dem Dorfe sich hinziehenden „Bielergrund“, wo man ohne Anstoß reisen, auch dahin fahren kann. Dieser Grund fängt sich oben an der Böhmischen Grenze bei dem Dorfe Eiland an, und die sich in ihm herabschlängelnde Bielabach hat ihm den Namen gegeben. In einer halben Stunde ist man in diesem Grunde und an der „Oberhütten-Mühle“, bei welcher man sogleich einen überaus schönen Standpunkt antrifft.
Erste nachweisbare Darstellung aus dem oberen Bielatal von Christian August Günther von 1795 in Götzingers Beschreibung der Sächsischen Schweiz 1804/1812
Hohe Felsen türmen sich auf, und es ist sogar nahe an der Mühle unter einem großen Felsüberhange ein Haus eingebaut, und die von der Natur gebildeten Höhlen zu Schuppen und Keller benutzt. Die Ansicht dieser alten Felsenwohnung, welche von der neuen gutgebauten Mühle sehr absticht; die Aussicht in das schöne von beiden Seiten mit hohe Wänden eingeschlossene Wiesenthal hinunter; die auf der südlichen Höhe dieser Wände weiter hin liegenden Häuser des Hammerwerkes Brausenstein, machen diese Stelle zu einer der schönsten im ganzen Thale.
Bei dieser Mühle stand ehemals ein ansehnliches Hammerwerk und ein hoher Ofen, wie denn überhaupt noch mehr Hammerwerke, in diesem Grunde waren, wozu das Eisenerz von Gießhübel herüber geschafft ward. Seit etwa 60 Jahren sind aber diese Werke eingegangen.
An dem Besitzer der Mühle und seiner Gattin findet man sehr gefällige Leute, welche jeden Fremden den Eintritt in ihr gut eingerichtetes Haus verstatten und auf Verlangen ihn auch bewirten, wie denn überhaupt die Bewohner dieses Grundes gefällige und gesprächige Menschen sind.
Um aber die auffallendsten Seltenheiten dieses Grundes zu sehen, muß man von dieser Mühle aus den Grund hinauf gehen und man wird sich bald überzeugen, daß die Felsgestalten dieses Thales einen außerordentlichen und sehr eigenen Charakter haben, und sich vor allen anderen Felsenthälern, die man bereits gesehen hat, auszeichnen.
Das beigefügte Günther’sche Blättchen, welches einen Theil dieser seltenen Gestalten ganz der Natur gemäß trefflich darstellt, wird jeden davon überzeugen, der diese Seltenheiten noch nicht gesehen hat“. (Bei diesem Kupferstich: „Partie aus dem Bieler Grunde bey Rosenthal“ von Christioan August Günther aus dem Jahr 1795 handelt es sich um die vermutlich älteste nachweisbare Darstellung aus dem oberen Bielatal. H.-G. H.)
Weiter bei Götzinger: „Denn ununterbrochen sieht man auf der Höhe der nördlichen Wände des Grundes eine Menge hoher Felskegel sich lostrennen, und ihre gespensterartigen Gestalten in eine beträchtliche Höhe herausstrecken. Bald sind sie mit Urnen- und Vaßen-Gestalten gekrönt, bald mit einer Hut- oder Barett-Form bedeckt, bald sind sie aus verschiedenen Gliedern übereinander gesetzt, bald laufen sie an ihren Seiten glatt herab, bald stehen sie gerade in die Höhe, bald aber hängen sie so krumm gebogen in den Grund herüber, daß man nicht begreifen kann, wie sie Jahrtausende in dieser Stellung stehen bleiben konnten. Und woher sie ihr unerschütterliches Gleichgewicht haben.
Überhaupt sind fast alle Felsenkuppen und Spitzen auf beiden Seiten mit den sonderbarsten Gestalten bedeckt, die oft wie Wolfs-Hunds- oder affröse Gesichter herabsehen.
Besonders auffallend und einzig in ihrer Art ist die Gruppe dieser Felsgestalten, welche man bei den Ruinen des mittleren alten Hammerwerkes sieht, und die eben dieser Kupferstich abbildet“ (Zitat Götzinger Ende)
Wollen wir es hier genug sein lassen – in der zweiten Auflage aus dem Jahr 1812 von Götzingers Reiseführer erweiterte und ergänzte er seine Beschreibungen und Schilderungen aus dem Bielatal und Umgebung noch beträchtlich und weckte somit die Lust am Bereisen und Entdecken des bis dahin fast nicht bekannten Bielagrundes.
Und somit ist Carl Merkels Ruf als der „Entdecker“des oberen Bielatales nur eingeschränkt zutreffend - diesen Titel müsste er sich mit Magister Götzinger teilen!
Götzingers „Schandau und seine Umgebungen“ II. Auflage von 1812, wurde 1975 vom Zentralantiquariat der DDR in Leipzig als Fotomechanischer Neudruck der Originalausgabe herausgebracht. Preis 60,- Mark.