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Rosenthal-Bielataler Dorfblatt
Ausgabe 12/2023
Klatsche
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Kinderzeit-Erinnerungen:Weihnachtszeit – Zeit der „Pflaumentoffel“

Ludwig Richter: „Striezelkinder mit ihren Pflaumentoffeln vor der Kreuzkirche“ 1853

Die Sonderbriefmarke von Post MODERN gab es ab 16.11.2021.

von Hans-Georg Hering

„Ich bin nur ein kleiner schwarzer Rüpel – aber ich bring‘ Glück und schmeck‘ nicht übel!“

Dieses Verslein charakterisiert und begleitet einen kleinen schmackhaften schwarzen „Glücksbringer“ aus gedörrte Pflaumen, welcher traditionell zur großen Schar sächsischer Weihnachtsfiguren gehört und zu liebenswerten Traditionen unserer Weihnachtszeit zählt.

In meiner Erinnerung an frühe Kindertage wurden die „Pflaumentoffel“ am Beginn der Adventszeit im Geschäft von Häberleins am Rosenthaler Dorfplatz gekauft, weniger in Pirna oder Königstein, wohin man damals zu Beginn der 1950er Jahre ja eher selten kam.

Das kleine schwarze lustige Männlein mit Zylinder und kurzer Leiter, manchmal auch einer Rute aus Zweigen, gehörte einfach zum Weihnachtsfest wie Bergmann, Engel und Räuchermännchen.

Er roch auch so gut nach Dörrpflaumen und meist durfte man ihn nach den Feiertagen genussvoll aufessen. Manchem war allerdings auch eine längere Existenz vergönnt.

Noch Mitte der achtziger Jahre konnte man „Pflaumentoffel“ sogar selber zusammenbasteln. In einem Bastelbeutel steckten jeweils elf Backpflaumen, drei Holzstäbchen, ein Holzbrettchen als Ständer, Leiter, Halskrause und Kopf aus Pappmaché mit Zylinder, dazu eine kurze Anleitung – alles zusammen für nur 50 Pfennige.

Der „Pflaumentoffel“ hat in den rund oder mittlerweile reichlich 200 Jahren seiner nachweisbaren Existenz regional unterschiedliche gute, aber auch schlechte Zeiten bis hin zu seinem zeitweisen Verschwinden durchlebt.

Wer jedoch den ersten bastelte wo, wann, warum und für wen, wird wohl für immer unberkannt bleiben.

Wollen wir trotzdem einige Blicke in die Entstehungsgeschichte dieses kleinen schmackhaften „Glücksbringers“ werfen und versuchen, seiner „Geburt“ ein wenig „auf die Schliche“ zu kommen.

Figürliche Bastelarbeiten aus essbaren Materialien, wozu sich getrocknete (gedörrte) Früchte und besonders Hauspflaumen ja wunderbar eignen – entstanden im Zusammenhang mit Festen vermutlich schon vor sehr langer Zeit.

Als Vorbild für die als Essenkehrer gestalteten Pflaumenmännchen galten die Kinder – Kaminfeger aus dem 17. Jahrhundert.

Laut einer Genehmigung der Obrigkeit von 1635 durften sich die amtlich bestallten Kaminfeger sieben- oder achtjährige Jungen „halten“, die von unten in die engen Essen krochen und mit Reißigbesen den Ruß herauskratzen mussten. Eine kurze Leiter diente dazu, den Einstieg in den Schlot zu erreichen.

Das gerade diese armen missbrauchten Kinder in ihrer trostlosen schmutzigen Arbeitskleidung als Vorbild für das Pflaumenmännchen herhalten mussten, hat sehr wahrscheinlich mit einem alten Aberglauben vom glücksbringenden Kamin- oder Schornsteinfeger zu tun.

Dresden uns sein Umland galten von jeher als „Hochburg des Pflaumentoffels“, ebenso das Erzgebirge und das Vogtland.

Vor allem der bekannte Dresdner „Striezelmarkt“ und er „Pflaumentoffel“ gehören von jeher untrennbar zusammen.

Ein datumsmäßig belegbares Auftauchen des Pflaumenmännchens auf dem seit 1434! bekannten Dresdner Weihnachtsmarkt lässt sich aber leider nicht nachweisen – vor reichlich 200 Jahren soll es die ersten dort gegeben haben.

Seine Bezeichnungen lauteten damals „Männchen aus Backpflaumen“, „Pflaumenmännchen“, später „Pflaumenfeuerrüpel“, aber auch „Pflaumenruprecht“.

An der Wende zum 20. Jahrhundert kam dann der Begriff „Backpflaumentoffel“ und schließlich der uns heute geläufige „Pflaumentoffel“ auf.

Der wohl älteste literarische Nachweis zu Pflaumenmännchen in Dresden stammt vom Jahre 1801 – dort wird in einem „Weihnachtstagebuch“ von „Männchen aus Backpflaumen und Rosinen“ berichtet.

In den Folgejahren erscheinen immer mal wieder in Berichten über den Dresdner „Striezelmarkt“ im typischen Angebot und Warensortiment auch „Schornsteinfeger von gebackenen Pflaumen“.

Zur frühen Literatur, in der „Pflaumentoffel“ erwähnt werden, gehört ein Büchlein aus dem Jahre 1850, auf dessen innerem Titelbild ärmliche Kinder zu sehen sind, die ihre „Pflaumenrüpel“ an die Kundschaft zu bringen versuchen.

Als Bildunterschrift steht ihr werbender Ausruf: „Kommen Sie ran, meine Herrschaften! Schöne Pflaumenfeuerrüpel, ein Dreier das Stück!“

Noch bekannter ist eine Darstellung des bekannten Künstlers Prof. Ludwig Richter aus dem Jahr 1853, die den armen frierenden „Striezelkindern“ mit ihren „Pflaumentoffeln“ im Schatten der Kreuzkirche ein bleibendes „Denkmal“ setzt!

Nach dem II. Weltkrieg wurden die beliebten und begehrten Pflaumenmännchen in den Dresdner Jugendwerkstätten in reiner Handarbeit an einer regelrechten Taktstraße hergestellt.

1946 kostete ein „Pflaumentoffel“ 2,50 Mark. Auf der Weihnachtsmesse 1946 wurde der Stand mit den „Pflaumentoffeln“ regelrecht gestürmt (wohl auch der Nachkriegs-Hungerzeit geschuldet), so dass sogar die Polizei eingreifen musste – in nicht einmal 1,5 Stunden waren 5000 Stück verkauft!

In den Dresdner Jugendwerkstätten wurden die „Pflaumentoffel“ bis 1950 hergestellt, danach übernahm die HO (Handels-Organisation) in den Jahren der DDR die weitere Produktion.

So beschäftigte die HO Stadt Dresden z.B. um 1987 acht Rentnerinnen, welche ca. 30 000 „Pflaumentoffel“ und rund 100 000 Bastelbeutel zum Selbstbau zusammensteckten- und stellten.

1989, zum Jubiläum „555 Jahre Dresdner Striezelmarkt“, war der „Pflaumentoffel“ auf allen diesbezüglichen Veranstaltungs- und Hinweisplakaten als zentrale Werbefigur zu sehen.

Und so wollen und sollen „Pflaumentoffel“, diese beliebten und schmackhaften „Glücksbringer“ auch meiner Kinderzeit, weiterhin Freude bereiten, hoffentlich auch etwas Glück bringen – aber vor allem aufgegessen werden – daher viel Glück und guten Appetit!

(Quelle: Nach einem Beitrag in den „Mitteilungen des Landesvereines Sächsischer Heimatschutz 2/91, ebenfalls die Abbildungen)