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Rosenthal-Bielataler Dorfblatt
Ausgabe 3/2025
Klatsche
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Es begann mit „VK 3.5“ und „Caro Bube“

von Hans-Georg Hering

Dass von 1974 bis Juli 1991 im VEB Karosseriewerk am Rosenthaler Neidberg verschiedenste Varianten des Campinganhängers „Bastei“ und mehrere Verkaufswagenmodelle hergestellt wurden, ist sicher noch vielen Einwohnern unserer Gemeinde in Erinnerung.

Weiniger im allgemeinen Gedächtnis geblieben sein dürfte die kurze Produktionsphase des Verkaufwagens „Ergo-Shop nova“ in Lizenzherstellung durch die „Fahrzeugbau Gabriel GmbH“ im einstigen „Rapido“-Werk vom Juli 1991 bis April 1994.

Und nur noch ganz wenige werden sich an die Herstellung der ersten Verkaufs- und Wohnwagen in Rosenthal erinnern können – begann deren Bau doch schon 1967 mit einigen Versuchsmustern.

Im September 1967 wurden vom „VEB Karosseriebau Rosenthal“ Perspektivpläne erarbeitet und eingereicht, in welchen auch die Produktionsaufnahme von Verkaufswagen „VK3.5“ in Lizenzbau der Dresdener Firma „Wohnwagenbau Richard Nagetusch, Dresden A20“ vorgesehen war.

Diese Firma hatte mit ihren Produkten im In- und Ausland einen sehr guten Ruf ob der Qualität ihrer Erzeugnisse. Die „Nagetusch-Reisewagen“, wie damals genannt, hatten laut Werbung der Fima (Zitat aus einem Prospekt von 1962): „…jahrzehntelange Erfahrungen im Wohnwagenbau, welche in diesem Erzeugnis ihren Niederschlag gefunden und deshalb in vielen Ländern begeisterte Freunde fanden… Sie stellen ein Spitzenerzeugnis handwerklicher Qualitätsarbeit dar, welches in Formgebung und Äußerem dem Karosseriestil moderner Zugfahrzeuge angeglichen sind. Durch das abgerundete Formbild ist der Luftwiderstand reduziert. Fahreigenschaften, Kurvenlage und Schlingerfestigkeit haben sich als hervorragend sicher und standfest erwiesen. Selbst bei annormal hohen Geschwindigkeiten über 100 km/h garantieren alle Typen einen ruhigen Lauf.

Sämtliche Fahrzeuge sind allseitig isoliert und schaffen somit die Voraussetzungen für ein behagliches Wohnen zu jeder Jahreszeit.“ (Zitat Ende)

Sechs Ausführungen des „Reisewagens“ wurden von der Firma Nagetusch hergestellt:

Cabinet 2.6, Brilliant 3.0, Diamant 3.5, Exquisit 4.0, Excellent 4.4 und der Verkaufswagen Verka 4.0. An diesen Qualitätsprodukten wollten die VEB’s natürlich gern teilhaben!

So waren im Planentwurf des Karosseriewerkes Rosenthal für 1968 schon 500 Stück Verkaufswagen VK 3.5 Lizenzbau Nagetusch vorgesehen.

Trotz noch fehlender technologischer Unterlagen für diesen Verkaufswagen wurde die staatliche Planauflage für den Bau erteilt.

Die zuerst vorgesehene völlig unrealistische Anzahl zu bauender VK 3.5 wurde dann aber von 500 auf 200 Stück reduziert.

Materialbeschaffungsschwierigkeiten bei Aluminium und Sprelacart für die Außenverkleidung und Innenausstattung verhinderten vorerst eine höhere Stückzahl, auch wurde am 25. November 1968 die Sperrung der bisherigen Montagehalle am Beginn des „Pflasterberges“ für den vorgesehenen Verkaufswagen wegen akuter Einsturzgefahr verfügt und die Halle abgerissen – eine Neue musste erst errichtet werden.

Auch der vorgesehene Preis von 12.000 Mark pro Stück wurde auf 10.200 Mark reduziert.

So konnten trotz vieler Schwierigkeiten und unrealistischer staatlicher Planvorgaben im Jahre 1969 72 Stück als Campingwagen umgebaut und 54 Stück „Caro Bube“ Campinganhänger gebaut werden.

Wie aus Aufzeichnungen einer leider bruchstückhaften „Chronik über den VEB Karosseriebau Rosenthal“ hervorgeht, hatte man im Rosenthaler Werk während der gesamten Produktionsdauer des „NAGETUSCH“-Lizenzbaues ständig mit irgendwelchen Schwierigkeiten zu kämpfen, welche auch durch unrealistische staatliche Vorgaben hervorgerufen oder zumindest beeinflusst wurden. Bei der ständigen Material- und Arbeitskräfteknappheit war dies‘ kein Wunder und kaum dauerhaft zufriedenstellend zu lösen.

Am 22. Juli 1968 war bereits der Rosenthaler Betrieb von der I. und H.-Bank Pirna für kreditunwürdig erklärt worden und für fällige Vertragsstrafen mussten ca. 45 Tausend Mark gezahlt werden.

Durch die erwähnte Demontage der Fertigungshalle für Verkaufswagen im November 1968 entstanden zu Jahresbeginn 1969 noch immer und weitere Schwierigkeiten in der Verkaufswagenproduktion.

Als eine Erfolgsgeschichte kann und wurde deshalb der Lizenznachbau des „NAGETUSCH-Reise- und Verkaufswagens“ im Karosseriewerk am Rosenthaler Neidberg leider wohl kaum in die Werksanalen eingegangen sein – trotz aller Anstrengungen und des Engagements aller dort Beschäftigten.

1972 wurde die Firma Richard Nagetusch zwangsverstaatlicht, ihr Besitzer, wie damals in der DDR üblich, unter fadenscheinigen Beschuldigungen für ein Jahr in’s Gefängnis gesteckt – danach ging dieser natürlich folgerichtig „in den Westen“.

1974 begann dann in Rosenthal der Bau einer neuen Generation von Campinganhängern – des begehrten und beliebten „Bastei“ – aber das wäre eine weitere Geschichte wert …

(Quellen im Text benannt)

Zu Thema ein Buchtipp:

Frank Hartwig / Christian Suhr „Nagetusch-Wohnanhänger aus Dresden“, 2018, Verlag Kraftakt,

136 Seiten, 250 Bilder, Preis 29,95 €

Bezugsmöglichkeiten:

- frankhartwig@gmx.net

- www.verlagkraftakt.de