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Rosenthal-Bielataler Dorfblatt
Ausgabe 5/2023
Klatsche
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Von „Gemeindeknüppeln“ und anderen praktischen Kuriositäten

Ein zwar kurioser, aber auch interessanter Gegenstand dessen einstiger Zweck und Verwendung heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist, ist der auf der Abbildung, rund 55 cm lange, keulenförmige sogenannte „Gemeindeknüppel“.

Dieser war in einigen Dörfern des Dresdner Umlandes noch bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch.

Er war aus Birnbaum- oder Rüsterholz gefertigt und mit einem Strick oder Lederriemen zur Befestigung am Handgelenk versehen.

Die Vorgeschichte dieses martialisch-kuriosen Objektes war folgende: Noch bis ins 2. Drittel des 19. Jahrhunderts wurde so mancher Gemeinderat in die Siedlungen der Dresdner Elbniederung noch zu Sitzungen unter freiem Himmel auf dem Dorfplatz unter alten Bäumen zusammengerufen.

Eine solche patriarchische Verfahrensweise geht zurück bis in die Zeiten unserer „Altforderen“ bis zu den Germanen. („Thing“)

Stand nun wieder turnusmäßig oder auch mal außerplanmäßig eine solche Zusammenkunft an, so schickte der Gemeindevorstand, wohlgemerkt noch um 1860, einen Beauftragten meist zur Mittagszeit, in der die Bauern bestimmt zu Hause anzutreffen waren.

„Bewaffnet“ mit dem handfesten „Gemeindeknüppel“ zog er von Gehöft zu Gehöft, wo dann jedem Hoftor oder Haustür drei kräftige Schläge mit diesem Knüppel versetzt wurden, dass „das ganze Haus erdröhnte“, wie Zeitzeugen einst überlieferten.

Wie die so malträtierten Türen diese Behandlung auf Dauer verkrafteten, ist leider nicht überliefert.

Dieses laute Gepolter konnte einfach nicht überhört werden und so versammelten sich dann auch pünktlich die so „zart“ informierten Gemeinderatsmitglieder zu gewohnter Stunde unter den Dorflinden oder Kastanien, um zu beraten und zu entscheiden.

Was einst durch den handfesten „Gemeindeknüppel“ erreicht wurde, geschieht heute auf wenig drastischere Art durch Handy oder Amtsblatt.

Ein weiteres altehrwürdiges Gegenstück oder Nachfolger des „Gemeindeknüppels“ war er ebenfalls hölzerne „Gemeinde-Hammer“. Noch um die Wende zum 20. Jahrhunderts war dieser in vielen dörflichen Gemeinden unserer Region im Einsatz. Auch er diente der ländlichen Nachrichtenübermittlung und war wie sein Vorgänger (Knüppel) ein weiter verfeinertes, zuverlässiges und billig herzustellendes Gerät zur Gemeindekommunikation.

Zum Aufbau und Benutzung: Der Hammerstiel war etwa 25 – 30 cm lang und verfügte an seinem oberen Ende über ein eingeschnittenes Schraubgewinde welches nach Art einer Presse die beiden Teile des Hammerkopfes fest aneinander klemmen konnte. Der dazwischen gesteckte Zettel mit der amtlichen Nachricht oder Bekanntmachung konnte so nicht verloren gehen. Der Hammer diente dann als Klopfer, aber eben in erster Linie als Nachrichtenbeförderungs- und Übermittlungsgerät, welcher von Haus zu Haus weitergegeben reihum das Dorf durchlief und schließlich wieder beim Absender, dem Gemeindeamt, landete.

In unserer unmittelbaren Regionalgeschichte war es die volkstümlich so bezeichnete „Klatsche“, ein flaches Holzbrett mit Stiel, welches noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Örtchen Reichstein zur Nachrichtenübermittlung diente! Diese Kommunikationsform ließ sich bis zum 1. Weltkrieg in Reichstein noch in Gestalt eines original erhaltenen Übermittlungs-Brettchens mit aufgeklebten Resten einer Nachricht nachweisen. Diese letzte „Klatsche“ hat der Chronist noch während der Vorbereitung des Ortsfestes 1993 in Bielatal selbst in den Händen gehalten – Wo mag dieser dorfgeschichtlich wertvolle Zeitzeuge geblieben sein?

Ähnlich wie der Hammer, nur in vereinfachter Form, wurde die „Klatsche“ mit aufgeklebter Nachricht von Haus zu Haus weitergegeben. Begriffe wie „Bekloppter“ oder „etwas klatschen“ (weiterverbreiten oder erzählen, manchmal mit boshaftem Hintergrund) haben ihren Ursprung also in der ländlich-dörflichen Nachrichtenübermittlung vergangener Zeiten.

Der Kuriosität halber sei erwähnt, dass diese einfache und rustikale Form der Nachrichtenverbreitung noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts, also im Zeitalter von Handy und Internet, fröhliche Auferstehung feierte! Unglaublich – aber wahr: Die „Sächsische Zeitung“ berichtete am 29. Oktober 2003 (Zitat): „Heute gibt’s wieder Kloppe! – In den Riesaer Ortsteilen Nickritz und Oelsnitz kommen wichtige Informationen auf einem Holzbrett!“ (Zitat Ende).

Berichtet wurde, dass früher Termine, z.B. die Ausgabe der Lebensmittelkarten, Rentenauszahlungen, Aufrufe zur Kartoffelkäferbekämpfung, Viehzählung usw. auf den Brettchen weitergereicht wurden. Die neuen „Klatschen“ oder „Kloppen“ von 2003 enthielten auf der Vorderseite auf einem aufgeklebten Zettel die zu verbreitende Information, auf der Rückseite Straße und Hausnummern, in denen das Brett verteilt wurde. Wer die „Kloppe“ gelesen hatte, quittierte durch Durchstreichen seiner Hausnummer den Empfang. Meinung der Einwohner: „Einfach, billig und vor allem idiotensicher!“

(Quellen: „Über Berg und Tal“, Nr. 11/1900, Mündliche Auskünfte R. Dörner, „Sächs. Zeitung, 29.10.2003)