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Rosenthal-Bielataler Dorfblatt
Ausgabe 6/2023
Klatsche
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Erinnerung an ein erloschenes Gewerbe...

„Warenhaus Häberlein“ – Aufnahme von 1899. Im rechten Nebengebäude befand sich die Tabakspinnerei.

Titelblatt eines Handbuches für Zigarrenmacher aus dem Nachlass eines Rosenthaler Zigarrenherstellers.

von Hans-Georg Hering

So überschrieb der 1934 an die Rosenthaler Volksschule versetzte Lehrer Kurt Baumert einen Artikel in der Heimatlichen Rundschau für Stadt und Kreis Pirna des „Pirnaer Anzeigers“ im Jahre 1937.

Herr Baumert, der fast zeitgleich mit dem neuen Rosenthaler Bürgermeister Rudolf Höck seinen Dienst in Rosenthal antrat, wurde bald darauf von diesem angeregt, eine erste Dorfchronik für Rosenthal zu erarbeiten.

Und so erwies sich das Zusammentreffen dieser Beiden für Rosenthal damals als ein Glücksfall. Denn sowohl Bürgermeister Höck als auch Lehrer Baumert haben in der kurzen Zeit ihres Wirkens in und für Rosenthal positiv Zählbares und Bleibendes hinterlassen.

So regte Herr Höck, wie erwähnt, die Erschaffung einer ersten Ortschronik an und fand in Lehrer Baumert einen interessierten und kompetenten Mitstreiter, der sich sofort an die Befragung betagter Rosenthaler Einwohner nach ihren Erinnerungen an vergangene Zeiten machte und deren Auskünfte und Aussagen zusammentrug und für die geplante Chronik niederschrieb.

So auch über das oben im Titel erwähnte einstige erloschene Gewerbe des „Tabakspinners“ und „Zigarrenmachers“.

Herr Baumert schrieb dazu seinen Artikel an den „Pirnaer Anzeiger“ im April 1937 (Zitat Beginn):

„Rosenthaler Tabak? Vergebens würde man heute in unseren Geschäften nach ihm fragen. Und doch war er einmal in den Dörfern rings um den Hohen Schneeberg eine sehr begehrte Ware! Ja, er war sogar ein Ausfuhrartikel und wurde vom Militär für Heereslieferungen verwendet. Das klingt zwar recht großartig, war aber eigentlich eine doch ziemlich bescheidene Angelegenheit. Um 1850 war es, als der Rosenthaler Kaufmann Richter im 1825 erbauten Haus Nr. 50 (das spätere Warenhaus Häberlein wurde erst 1875 angebaut), in dem Nebengebäude seines Grundstückes, damals noch nicht durch die 1864 gebaute neue Dorfstraße getrennt, eine Tabakspinnerei einrichtete. Dazu hatte er einen Tabakspinner angestellt, dem bei Bedarf ein paar Schuljungen bei der Arbeit halfen.

Aus den Tabakblättern, die Richter meist aus Westfalen bezog, wurden etwa 5 cm starke feste Rollen von ca. 3 m Länge gedreht, wobei ins Innere der Rollen allerdings oft auch Blätterabfälle kamen. Jede dieser Rollen wurde dann über eine um ihre Achse drehbare Walze zu einer festen Spirale gewunden. Bei einem benachbarten Bauern wurden diese Tabakrollen dann im Backofen getrocknet. Kaufmann Richter machte mit seinem Rollentabak sehr gute Geschäfte. Die Rosenthaler kauften sich eben ein langes Stück Rollentabak, von dem sie täglich nach Feierabend die für den nächsten Tag benötigte Menge abschnitten und auf einem Schneidebrettchen zerkleinerten.

Wenn erwähnt wurde, dass der Rosenthaler Tabak auch einen begehrten Ausfuhrartikel darstellte, so muss dazu allerdings gesagt werden, dass die Einfuhr ins benachbarte Österreich zumeist auf illegale Weise vor sich ging. Mit anderen Worten – unser Tabak war eine begehrte und beliebte Schmuggelware!

Täglich kamen böhmische Schmuggler, „Pascher“ genannt, nach Rosenthal und kauften bei Richter große Mengen Rollentabak ein, um ihn dann auf Schmugglerpfaden und Schleichwegen unverzollt über die Grenze zu bringen. Als im sog. „Deutschen Bruderkrieg“ 1866 das sächsische Heer nach Böhmen gezogen war, um sich dort mit den Österreichern zu vereinen, wurde ihm von Rosenthal aus große Mengen dieses Rollentabaks nachgeschickt.

Die Rosenthaler Tabakspinnerei war bis nach 1880 in Betrieb. Zur selben Zeit wurden in Rosenthal auch Zigarren hergestellt. Freilich war dieser Betrieb noch kleiner als die Tabakspinnerei. Karl Hauschild, ein Bauernsohn, hatte die Zigarrenmacherei erlernt. Er übte sein Gewerbe im väterlichen Gut Nr. 49 aus. Ohne jeden Hilfsapparat drehte er seine Zigarren mit der Hand und stellte sie in verschiedenen Größen her. Einen Teil seiner Produktion verkaufte er an den benachbarten Kaufmann Richter, hatte aber auch selber einen großen Kundenkreis. Manch betagter Rosenthaler erinnerte sich, wie er sich seinen Rollentabak selbst zurechtschnitt und sich, meist sonntags, auch einmal eine gute Rosenthaler Zigarre leistete. Noch im Jahr 1903 wird am „Adress- und Geschäfts-Handbuch der Städte Schandau, Königstein und Wehlen sowie umliegende Landgemeinden“ für Rosenthal ein „Cigarrenmacher“ aufgeführt – dieser übte sein Handwerk in der Ottomühle Nr. 123, dem damaligen alten Mühlengebäude, aus. Sein Name: Hugo Büttner.