Älteste bekannte Darstellung der „Schweizermühle im Bieler Grund“ aus dem Jahre 1838
Handschriftliche Einladung Carl Merkels zur „Taufe“ der „Schweizermühle“ Juni 1824
Die Wasserheilanstalt bei der „Schweizermühle“ 1842
Wenn wir in diesem Jahr am 20.Juni der 200.Wiederkehr der Verleihung des Namens „Schweizermühle“ für die damalige alte „Oberhüttner“- o. „Grundmühle“ im oberen Bielatal gedenken, so wollen wir zuerst einen Blick in die Verhältnisse an diesem Ort um die Wende vom 18.zum 19. Jahrhundert werfen:
Man kann sich heute wohl kaum noch eine Vorstellung von der Weltabgeschiedenheit und Stille machen, welche noch zu Beginn des 19.Jahrh. zwischen den Felsen im Talgrund des oberen Bielatales herrschte. Wobei diese Stille aber erst ab 1726 einsetzte, denn bis dahin wurde sie über Jahrhunderte vom Pochen und Stampfen der Eisenhammerwerke Oberhütte und Brausenstein massiv gestört.
Erst mit der Stillegung dieser Produktionsstätten zum genannten Datum waren nur noch die Geräusche des Arbeitsalltages der wenigen Bewohner und das Klappern der Mühlräder zu vernehmen.
Für „Auswärtige“ galt deshalb diese Gegend damals noch weitgehend als eine „Terra inkognita“ – unbekanntes Land – welches aufzusuchen nur sehr wenige in Erwägung zogen. Nur einige besonders Felsen um welche einst furchtsame Schleier des Geheimnisvollen und Schreckhaften schwebten und durch dies fantastisch-übertreibenden Schilderungen eher noch mehr von Unheimlichem umwoben wurden.
Dieser oberflächlich-ungenügenden Kenntnis entstammt leider auch der zweifelhafte Name „Sächsische Schweiz“ für das einst nur „Meißner Hochland“ oder noch früher von seinen Bewohnern kurz „die Heide“ genannte Elbsandsteingebirge.
So tauchte die Bezeichnung einer „Sächsischen Schweiz“ zum ersten Mal literarisch in einem Tagebuch der Dichterin Elisa von der Recke auf. Nach einer Fahrt nach Liebetal und Wehlen am 15. Mai 1790 schwärmt sie für diese Landschaft in elegischen Worten und erwähnt dabei, dass der sie begleitende preußische Gesandte Graf von Geßler der Gegend den Namen einer „Sächsischen Schweiz“ gegeben habe.
Auch den Schweizer Zeichnern und Kupferstechern Adrian Zingg und Anton Graff schreibt man diese Namensgebung zu.
Engelhardt und Veith führten sie 1794 offiziell in die Literatur ein und die Pastoren Carl Friedrich Nicolei und Wilhelm Leberecht Götzinger sorgten durch ihre Schriften für eine Verbreitung und Bekanntwerdung dieses Namens, die alte Bezeichnung als „meißnisches Hochland“ allmählich verdrängend.
Kein Wunder also, dass auch der umtriebige Privatgelehrte und Forschungsreisende Carl Merkel, welcher zu Beginn der 1820ger Jahre auf der Flucht war vor Gläubigern, denen er vermutlich Geld schuldete, das obere Bielatal erkundete und in der stillen „Geißlermühle“, der einstigen „Oberhüttner“- oder „Grundmühle“, vorübergehend Asyl suchte und bekam.
Dabei war auch diesem Weitgereisten egal, dass diese Sandsteingebilde doch eigentlich wenig mit der Hochgebirgswelt der Schweiz gemein hatten – alles „Schweizerische“ war damals eben gerade im Trend. Also schwamm auch der „Entdecker“ des oberen Bielatales auf dieser Welle mit und hatte so einen zugkräftigen Namen für sein mittlerweile geliebtes Mühlchen gefunden.
Und so versammelten sich an jenem denkwürdigen 20. Juni 1824 auf Einladung Carl Merkels eine illustre Gesellschaft in Geißlers Mühle – Honorartioren und weitere Persönlichkeiten der umliegenden Gemeinde, um in einer fröhlichen Feier die nicht ganz so ernst gemeinte „Einweihung der westlichen sächsisch-böhmischen Schweiz“ vorzunehmen und dabei ihrem Gastort den später weithin bekannten Namen „Schweizermühle zu Oberhütten im Bielgrunde bei Rosenthal“ zu verleihen.
Aus dem Text der Einladung: „…die nun für Schweizreisende zum würklichen Gasthofe gewordene Oberhüttenmühle…“ und in seinem „Bielatalführer“ von 1826, S. 11: „…von mir, wegen ihrer reizenden Lage, Schweizermühle genannt“.
In einer „Acta – die von dem Besitzer der im Bielgrunde bei Oberhütte gelegenen Mühle, Johann Gottlob Geisler, gesuchte allerhöchste Concession zu Anlegung eines Gasthofes daselbst betr.“
Amt Pirna, Anno 1823, findet sich auch die handschriftliche Einladung Carl Merkels an die „Hornorartioren umliegender Dörfer und Städte zur gewünschten Teilnahme an dieser geplanten Einweihungsfeier sowie eine entsprechende Namensliste dieser gewünschten Gäste, welche über 50 Namen verzeichnet. (Dieses Aktenstück wurde mir vom Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden dankenswerter Weise als Kopie für meine Recherchen zur Verfügung gestellt.) H.-G.H.
Das geplante Fest sollte, wie in diesem handschriftlich verfassten Rundschreiben zu ersehen ist, um 1 Uhr nachmittags mit einem gemeinsamen „fugalen Mittagsmahl“ beginnen für das der nun zum Gastwirt aufgestiegene Müller Geißler eine „schnelle und billige Bedienung“ versprach.
Auch sollten „alle Arten von Getränken in Bereitschaft“ gehalten werden.
Den schon zeitiger am Vormittag eingetroffenen Gästen wurden Führungen zu den schönsten Punkten dieses „herrlichen Grundes“ in Aussicht gestellt.
Eine gedruckte Schilderung dieses Ereignisses findet sich in den „Miscellen zur Belehrung und Unterhaltung“ Nr. 25. Dresden, den 16.Juli 1824, S. 399 ff. (Zitat Beginn):
„Einweihung der westlichen sächsischen Schweiz. Am 20. Juni d.J. feierte eine fröhliche Gesellschaft, nach einer vorher von dem „Verfasser der Biela“ ergangenen Einladung, in der Schweizermühle zu Oberhütten im Bielagrunde bei Rosenthal, die Einweihung der westlichen sächsisch-böhmischen Schweiz. Nach eingenommenem gemeinschaftlichem Mittagsmahle begab sich die ansehnliche Gesellschaft in den oberen Theil des Grundes, stieg durch die herrliche Felsengasse hinauf zu den prächtigen Herkulessäulen, dem vollendetsten Meisterwerke der Natur in der ganzen östlichen und westlichen sächsischen Schweiz und ging sodann in den nahe dabei befindlichen, gleichfalls hohes Interesse erregenden Tempel der Natur. Während dieser Zeit war auf dem gegenüber befindlichen hohen Paulsstein ein Musik-Chor aufgestellt, wodurch der Genuß unendlich erhöht wurde.
Zuletzt verfügte sich die Gesellschaft noch nach den Uhusteinen und dem langen Gottfried, ging dann ins Tal herab und hierauf unter dem Vortritt der Musik wieder in die Schweizermühle zurück. So wurde dieser Tag, den auch die Witterung ungemein begünstigte, zu einem der schönsten, der vielleicht je auf diesem Punkte verlebt worden ist.
Mit Einbruch der Nacht waren sämtliche Theilnehmer wieder nach ihrer Heimath abgereist. Im Juli 1824.“ (Zitat Ende)
Die in diesem historischen Text genannten Felsnahmen heißen heute:
| Paulsstein | = | Johanniswacht |
| Uhusteine | = | Trautmannfels und Nachbarfelsen |
| Langer Gottfried | = | Kanzelturm. |
Der Sebnitzer Heimatforscher und Buchautor Manfred Schober fand bei seinen Archiv- und Quellenstudien zu seinem geplanten neuen „Mühlenbuch“ heraus, dass diese Einweihungsfeier am 20. Juni 1824 dem Müller Geißler einigen Ärger einbrachte, den ihm der Besitzer des Rosenthaler „Erbgerichtes“ bereitete. Dieser hatte in der Feier eine Einschränkung seiner althergebrachten Gasthofsvollmacht gesehen und deshalb bei der Behörde Einspruch erhoben. Da Geißler diesen ignorierte und die Feier in seinem Gasthof trotzdem durchführte, zog dies einen Prozess nach sich. Das Verfahren endete mit einer Verwarnung und einer Geldstrafe für den Müller und Wirt Geißler. Der Initiator Carl Merkel war schon vor Prozessbeginn mit unbekanntem Ziel aus dem Bielatal verschwunden.
Als sich 1924 die Namensgebung zum 100. Mal jährte, erschienen in einigen Zeitungen und Periodica unserer Region würdigende Artikel, so z.B. im „Pirnaer Anzeiger“ und einigen Dresdner Zeitungen, z.B. der „Dresdner Mieterzeitung“ aber auch in weiter entfernten Blättern, wie dem in Bischofswerda erschienenen „Sächsischen Erzählter“. Autor einiger dieser würdigenden Beiträge war u.a. der sehr rührige Dresdner Lehrer Sigfried Störzner, so verfasste er u.a. den Artikel „Hundert Jahre Schweizermühle sowie: Was man vor mehr als einem Menschenalter von der Schweizermühle erzählte“.
(Quellen im Text erwähnt) Januar 2024, Hans-Georg Hering
Ein Literaturtipp:
Hans Pankotsch: „Wanderungen durch das romantische Bielatal“ – Auf den Spuren Carl Merkels“
Kursächsische Wanderungen Heft 13, Hellerau-Verlag Dresden 20