von Hans-Georg Hering
In der „Klatsche“-Spalte unseres Dorfblattes Nr. 6/2019 stellte ich eine erste sagenhafte Begebenheit … („Die Zwerge vom Cottaer Spitzberg“) aus der Heftreihe „HEIMAT“, Jahrgang 1, von 1926 vor. Einige Ausgaben dieser von 1926 – 1935 erschienenen heimatkundlichen Arbeiten standen unter dem Motto „Aus dem Sagenborn“ und beinhalteten gesammelte sagenhafte und mystische Begebenheiten aus der Sächsischen Schweiz und dem Osterzgebirge.
Die meisten dieser Geschehnisse entstammen dem regionalen Volksglauben und fanden sich kaum in den bekannten Sagenbüchern von Grässe, Meiche und weiteren Autoren dieses Genres.
Es handelt sich meistens um nur volksmündliche Überlieferungen, von Lesern der „Heimat“-Hefte eingesandt.
Im 5. Jahrgang, Heft Nr. 12 von 1930, konnte man neben anderen Sagen auch die Folgende lesen (Zitat Beginn): „Das Gespenst in der Scheuer“ (Scheune)
In Langenwolmdorf war einmal auf einem Gute ein Knecht, der hieß Hans. – Eines Abends suchte er in der Scheuer nach seiner vergessenen Tabakspfeife. Wie er nun dort im Dunkeln umhertappt, sieht er plötzlich oben im Banselloch ein weißes Ding hocken, ein leuchtendes Gespenst, das ihn starr anglotzt und mit den dürren Beinen baumelt.
Hans fällt vor Schreck fast nach hinten über, rennt schließlich davon und kommt kreideweiß in die Küche. Man fragt ihn deswegen, aber er will nicht mit der Sprache heraus, weil er sich schämt. Doch endlich stottert er, in der Scheune hätte es eben gescheecht. Nach einer Weile rückt man gemeinsam hinüber, um nachzuschauen, findet aber nichts. Der Knecht aber schwört „Stein und Bein“, dass er das Gespenst deutlich gesehen habe! Manche lachen ihn aus, aber einige glauben ihm auch heimlich! – Nach ein paar Tagen geht die Mittelmagd abends noch Heu vom Oberboden holen. Sie stellt die Laterne auf die Tenne und steigt mit dem Heukorb die steile Treppe hinauf. Eilig drückt sie im fast Finstern Heu hinein. Beim Abwärtssteigen muss sie doch mal nach dem Banselloch hinübergucken. Da stößt sie sogleich einen furchtbaren lauten Schrei aus, lässt den Korb hinunterpoltern, stolpert selbst und fällt zu ihrem Glück in’s Heu. Entsetzt schaut sie nach oben. Wahrhaftig, da sitzt noch das bleiche Gespenst und die schlenkernden Beine sind dürr und weiß wie Totenknochen. Auf das Poltern und Schreien hin kommt die Großmagd gerannt und zerrt die zu Tode Erschrockene schnell auf den Hof. Als die anderen Leute zu Hilfe kommen wollen, ist wieder nichts mehr zu sehen. Seitdem ist aber tunlichst niemand mehr bei Dunkelheit in die Scheune gegangen.
Nach Jahren waren andere Knechte und Mägde in der Wirtschaft, die wussten nichts von dem „weißen Ding“.
Da hat einer nachts ein feuriges Kaninchen auf einem Dachsparren hocken sehen. Er erzählte es sofort weiter, jeder, der kam, sieht es auch wirklich sitzen, auch die Bäuerin und ihre Kinder. Weil es aber niemand ein Leid zufügt, so hat man keine Furcht. Einmal ist ein sehr frecher Kleinknecht auf dem Hofe. Er verspottet alle und sagt, er wolle das Karnickel fangen und die Frau Mutter müsse ihm einen guten Sonntagsbraten davon bereiten. Eines Nachts geht er auch wirklich im Finstern in die Scheune. Er nimmt einen Fischköcher mit, um ihm dem Tiere über den Kopf zu werfen. Ruhig sitzt das feurige Kaninchen auf seinem Balken. Als das Bürschlein auf der steilen Stiege immer näher hinanklettert, werden plötzlich die glühenden Augen immer größer und leuchten grün und gelb. Endlich haut der Knecht mit dem Käscher nach dem Tier. Da hat ihn das Karnickel sogleich am Kragen und schüttelt ihn, dass er meint, ihm würde der Hals umgedreht!
Es fährt mit dem Jungen die Balken hinauf und hinunter, springt mit ihm hoch in die Luft, schleudert ihn gegen die Dachlatten und in’s Heu, dass ihm Hören und Sehen vergeht, und wirft ihn zuletzt noch gegen das Scheunentor, dass es nur so dröhnt und die Flügel krachend aufspringen. Das Knechtlein aber liegt da und jammert, als ob es am Spieß stecke. Seitdem hat wohlweißlich niemand mehr das feurige Kaninchen in seiner Ruhe gestört.Erst als die alte Scheune abgebrochen worden ist, hat es sich nicht mehr sehen lassen.“
(Zitat Ende)