Der „kleine Bär“ im Bielatal
Das Jubiläum der Schweizermühle beging unsere Gemeinde mit einer Jubiläumswanderung am 16. Juni – dafür herzlichen Dank an Dagmar und Jürgen Gottschald – und einem Vortrag am 20. Juni ‘24 mit Bergsportchronist Joachim Schindler im Landgasthof Ottomühle. Erwähnt werden soll sein Lob für die Herausgeber um die unvergessene Annemarie Rehlich von „Robie's Dorfgeschichten“. Dergleichen finde man in der gesamten Sächsischen Schweiz kein zweites Mal.
Nach dem Vortrag stellte sich heraus, dass viele Teilnehmer noch mehr erfahren wollten. Besonders eine skurille Sache hatte es vielen angetan: Der „kleine Bär". Joachim Schindler übermittelte jetzt noch einmal die unglaubliche Geschichte dieses imposanten Felsens, der einst genau dort gestanden haben soll, wo heute die Kreuzung Schweizermühle-Ottomühle-Rosenthal ist und der 1888 – heute unvorstellbar – abgetragen wurde!
Im bekannten Bielatal gab es noch vor mehr als 130 Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach einen für den Klettersport interessanten Felsen, welcher Hammer und Meißel zum Opfer fiel. Entsetzte Gipfelsammler werden sich nun sicher die Frage stellen: Wo stand dieses Objekt? Unmittelbar an der ehemaligen Kaltwasserheilanstalt Schweizermühle zweigt eine steile Straße aus dem Bielatal nach Rosenthal ab. Inmitten des aus den Straßen gebildeten Dreiecks erhob sich etwa 50 Meter von der Nordostkante des „Vorderen Bielaturmes“ entfernt ein markanter Felsturm. Die älteste Zeichnung von diesem finden wir in den „Geognostischen Skizzen aus der Sächsischen Schweiz und ihrer Umgebung“ von August von Gutbier aus dem Jahr 1858. Zu dieser Zeit wird der Felsen noch der „Bär“ genannt, wobei später auch die Bezeichnung „kleiner Bär“ geläufig war. Zu Gutbiers Zeiten hatte man die Felsgruppe südlich der Schweizermühle mit allerlei Treppen und Brücken zugänglich gemacht. Es gab sogar eine gemauerte Grotte und eine künstliche Turmruine. Auf dem „kleinen Bär“ erhob sich ein hölzerner Pavillon, der nur mittels zweier steiler Holzleitern zugänglich war. Sicherlich weilten hier häufig die Kurgäste, um die schöne Aussicht auf die Kaltwasserheilanstalt genießen zu können. 1887 erwarb der Dresdner Partikulier Julius Fessler, ein Privatmann, der von seinem Vermögen lebte, das Waldgrundstück neben der Straße nach Rosenthal vom Königlich Sächsischen Staatsfiskus, um sich darauf einen repräsentativen Altersitz errichten zu lassen. Noch während der Vermessungs- und Planungsarbeiten glaubte man, dass die Neigung des „kleines Bären“ den Neubau durch einen möglichen Felssturz bedrohen könne. Bereits im Jahr des Grundstückskaufes wurde deshalb der Felsturm Stück für Stück mit Hammer und Meißel, eine Sprengung war aufgrund der Nähe zur Straße verboten worden, abgetragen. So mancher Felsblock fand danach Verwendung beim Bau der neuen Villa. Insgesamt soll den Bauherren Fessler die „Felsvernichtung“ mehr als 6.000 Goldmark gekostet haben. Möglicherweise nur ein schwacher Trost für alle Gipfelsammler.
Quellenangabe: Michael Bellmann in „Der neue sächsische Bergsteiger“, Mitteilungsblatt des SBB, 2011, Heft 3, Seite 38.
Zeichnung: Gutbier 1858, Mitteilungsblatt SBB, 2011, Heft 3, Seite 38