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Rosenthal-Bielataler Dorfblatt
Ausgabe 9/2023
Klatsche
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September 2023 – 200. Todestag von Pfarrer Carl Heinrich Nicolai, dem selbsternannten „Pförtner der Sächsischen Schweiz“

von Hans-Georg Hering

Am 18. September 1823 verstarb in Lohmen der Pfarrer Carl Heinrich Nicolai, geboren am 26. November 1739 in Berlin, der Verfasser eines ersten Führers durch die Sächsische Schweiz. Dieses Schriftchen, von ihm „Wegweiser“ betitelt, befasste sich zuerst allerdings nur mit dem rechtselbischen Teil unseres Felsengebirges.

Kurz zur Person: Nachdem Nicolai noch mit 58 Jahren, also 1799, eine Prüfung als Theologe abgelegt hatte, übernahm er die freie Pfarrstelle in Lohmen am Rande der Sächsischen Schweiz. Diese Landschaft wurde gerade so nach und nach als Reiseziel entdeckt und der nun dort tätige Nicolai eignete sich in sehr kurzer Zeit umfassende Kenntnisse über sie an. Bereits 1801 erschien dann schon beim Verlag Friedrich Pinther in Pirna sein „Wegweiser“ als erster Führer durch dieses Gebiet mit selbst gezeichnetem Kärtchen.

Sein Neustädter Amtskollege Wilhelm Leberecht Götzinger veröffentlichte erst drei Jahre später, also 1804, sein inzwischen zum „Klassiker“ avanciertes Werk „Schandau und seine Umgebung oder Beschreibung der sogenannten Sächsischen Schweiz“.

Nicolais Führer erlebte bis 1825 fünf Auflagen.

Sein 1801 erschienenes erstes Büchlein brachte ihm Ruhm und Anerkennung ein. Sein Pfarrhaus wurde zum Anlaufpunkt für Reisende in die Sächsische Schweiz, in die man zu Beginn des 19. Jahrh. über Lohmen anreiste.

So bezeichnete er sich selber scherzhaft als „Pförtner der Sächsischen Schweiz“ und übernahm selbst oft die Führung von Reisenden in die Umgebung.

Sein Zuhause wurde neben dem Lohmener „Erbgericht“ eine beliebte Übernachtungsstätte für Reisende aus dem gebildeten Bürgertum, was oft recht lästig war.

Es wurde überliefert, dass die Frau des Pastors, wenn ihr Mann längere Zeit abwesend war, auch am Tag die Fensterläden schloss und für niemanden, der anklopfte, um Quartier zu begehren, zu sprechen war.

Erst in der dritten „neu umgearbeiteten Auflage mit einer erweiterten und verbesserten Reise-Carte“, erschienen 1816 in der Dresdener Arnold‘schen Buch- und Kunsthandlung, widmete er auch dem linkselbischen Teil der Sächsischen Schweiz seine Aufmerksamkeit und so konnten die Leser von Seite 139 bis auf Seite 143 auch etwas über unseren „Bielaer Grund“ erfahren.

Nachfolgend einige Ausschnitte (Teilzitat Beginn): „§44 – Wir kehren wieder in unseren Bielaer Grund und gehen an dem Bache hinauf, der Oberhüttenmühle zu wo diejenigen hineinkommen, die über Rosenthal gegangen waren. Dieser Weg ist sehr unterhaltend. Bald sehen wir Holzflößen, bald stoßen wir auf eine Mühle, und bald zeigt sich sonst ein romantischer Punkt oder Partie.

Endlich werden die Bordirungen felsiger, es zeigen sich wieder Wände. Über der rechten Wand kommen Häuser, die zu dem alten Eisenhammerwerk Brausenstein gehören. Unter diesen ist eine sehenswerte Tiefe zwischen den Felswänden, unter dem Namen des Raubloches bekannt. Der Weg dort hinunter, so wie die Spuren ehemaliger Bewohnung sind glich merkwürdig.

Nicht weit von hier kommt dann die Oberhüttenmühle. Und hier fängt der Grund an, eine reizende Gestalt anzunehmen.

Die Felsenwände thürmen sich zu beiden Seiten hoch hinauf und ziehen sich in langen Reihen dahin. Von der Mühle aus kann man weit in das Thal hinauf sehen – das ist ein gar vergnügender Anblick! Oh! Welche Augenweide!

Bei dem gebildeten und überaus gefälligen Besitzer dieser Mühle kann man ausruhen, sich nähren und stärken. Gleich bei dieser Mühle bewundert man ein Haus, das ist unter einem großen Felsüberhange eingebauet. Schuppen und Keller sind natürliche Höhlen des Felsens.

Hat man neue Kräfte geschöft, so geht es im Thjale hinauf. Am oberen Ende ist es ordentlich bewohnt. Da stehen verschiedene Häuser und Münlen beisammen. Man gehet unter ujnd zwischen den Wänden dahin, an einigen Stellen wie durch einen Lustgarten in einer prächtigen Stadt…

Zur Rechten, auf der südlichen Seite, stehen sie auch zum Theil säulen- oder pyramidenförmig in ganzen Gruppen zusammen. Eine Säule von diesen heißt die „Kanzel“. Besteigt man diese, so findet man sie oben auch wie eine Kanzel mit einer Brustlehne umgeben. Sie soll auch ehedem, als hier noch ein Hammerwerk im Gange war, einem von den Gewerken angenommenen Prediger zur Kanzelpredigt gedient haben. Nun stehe einmal hier und denke dir den Prediger von dieser erstaunenden Höhe unter freihem Himmel herabrufen! Eine sehr eigene Vorstellung!

Die letzte Mühle, die wir antreffen, ist Ehrlich‘s Mühle. Diese bewohnen ebenfalls sehr freundliche Leute, wo man wohl aufgenommen und mit einem guten Trunke erfrischet wird.“ (Teilzitat Ende)

Nicolais weiter Schriften befassten sich auch mit verschiedenen anderen Themen, so z.B. dem Blitzableiter.

Gegen Ende seines Lebens verfasste er auch noch eine Autobiographie.

1822 musste er infolge Krankheit in den Ruhestand treten (zunehmende Erblindung), ein Jahr später verstarb er in Lohmen. Sein Grabmal blieb erhalten.

Der „Nicolaiweg“ und eine alte Sandsteintafel nahe der Basteibrücke, die Nicolai und Götzinger als Erschließer der Sächsischen Schweiz würdigt, sind Belege dafür, dass Carl Heinrich Nicolai und seine Verdienste nicht völlig vergessen sind.

(Quellen: Nachwort zur ersten Ausgabe von 1801, Neusatz vom Hellerau-Verlag Dresden GmbH, 1990 und dritte Auflage von 1816)

Das Portrait eines unbekannten Künstlers zeigt C.H. Nicolai im Alter von 78 Jahren (1817).