Heute möchte ich über unsere Apotheke berichten oder vielmehr über den langen Weg bis zum Bau derselben. Roland Böhme hatte vor ein paar Jahren schon einmal die Geschichte des Hauses beschrieben, aber das möchte ich nicht noch einmal wiederholen. Mir geht es mehr um die sozialen Umstände der damaligen Zeit.
1903 ist das erste Mal die Bitte an die Amtshauptmannschaft Bautzen gerichtet worden, in Sohland eine Apotheke errichten zu dürfen. Der Antrag wurde auf Empfehlung des damaligen Bezirksarztes abgelehnt, weil die Lebensfähigkeit einer Apotheke in Sohland in Frage gestellt werden musste. Es waren nicht genug Einwohner in Sohland und Wehrsdorf vorhanden. Mindestens 10 000 Personen seien nötig, um rentabel arbeiten zu können und Schirgiswalde und Neusalza -Spremberg hatten bereits eine Apotheke.
1914 tritt eine neue Reichsversicherungsordnung in Kraft und damit werden mehr Einwohner der Krankenversicherung unterworfen. Deshalb tritt 1913 das Königliche Landesgesundheitsamt an den Gemeindvorstand von Sohland heran, um zu prüfen, ob sich „ durch die erhöhte Anzahl von Versicherungspflichtigen …... die Möglichkeit einer Apothekenvermehrung bietet“. Dafür muss die Gemeinde Auskunft geben, wie viele Einwohner bereits der Krankenversicherung unterworfen sind (1221 Pers.), wie viele nach der Neuerung hinzukommen werden (ca. 1000 Pers.) und wie viel die Krankenkassen im Jahr 1912 verausgabten (4195, 31 Mark). Natürlich muss die Angelegenheit streng vertraulich behandelt werden, „ um jedwede Beunruhigung der beteiligten Kreise zu vermeiden“. Als geeignetster Platz wird die Nähe des Hotels „ Drei Linden“ befunden, weil es von da aus zu einer gerechten Wege-Verteilung kommen würde. Aber der ganze Plan scheitert am Ausbruch des 1. Weltkrieges.
Hier die Aufzählung der Sohlander Betriebe und deren Angestellten nach der Arbeiterzählung von 1914:
1.) C.A. Hentschel, mechan. Buntweberei ( G. Hauptmann Str. 10) = 173 Beschäftigte 2.) Gebr. Harnisch, mechan. Scheuertuch - u. Deckenweberei ( Rosenbachstr. 19) = 44 Mitabbeiter =(MA); 3.) Ernst Grumbt, Dampfsägewerk ( Zittauer Str. - jetzt Fa. Paulick) = 116 MA; 4.) E. Hantusch & Co., Seyenitwerke, Grabmonumente – Industrie (Rosenbachstr. 24 u. ) = 122 MA; 5.) Sohland – Berliner Knopffabrik, Alex Pier ( heute Fa. Schicktanz) =135 MA;6.) Böhme Nachf. Gmbh Knopffabrik ( ) = 32 MA 7.) Hugo Paul, Lausitzer Konservenfabrik, = 14 MA, und während der Saison zusätzlich 30 -50 Arbeiter; 8.) Johann Paulick´s Söhne, Maschienenfabrik = 13 MA ( Himmelsbrückenweg 9); 9.) Ernst Kalauch, Steinbruchbetrieb = 11 MA 10.) Hermann Steglich, Sägewerk ( Zittauer Str. 24) = 9 MA; 11.) Ernst Wenzel Zigarrenfabrik ( Zittauer Str. 36?) 8 MA; 12.) Frau Anna Keil, Mestro – Fahrradwerk (Zittauer Str. 24 ) = 6 MA; 132.) Franz Büchel, Klempnerei und Autokessel- Bauanstalt ( Hauptstr. 71 - Seitengebäude) = 6 MA; 14.) Emil Arnold, Bierverleger ( Bautzener Str. 12 ) 5 MA,
Außerdem gab es noch 23 kleinere gewerbliche Betriebe wie Schlosser, Schmiede, Maler, Bäcker, Fleischer, Tischler, Gastwirte usw., welche 1 - 4 Arbeiter beschäftigen. Eine eigene Betriebskrankenkasse hatte die Knopffabrik Carl Stein ( heute Jokey Plast) = 198 MA und Fa. Gebr. Friese Kirschau - Werk Sohland ( Spreetalstr. 10) = 258 MA. Damals konnte man Sohland wirklich als Industrieort bezeichnen und unser Bahnhof hatte demzufolge nicht nur Personen sondern auch einen starken Güterverkehr zu verzeichnen. Z.B. im Jahr 1880 = 22 996 abgereiste Personen, dagegen im Jahr 1912 = 75 689 Personen. Beim Güterverkehr beliefen sich die Zahlen 1880 auf 3736 Tonnen versendete – und 51 444 Tonnen empfangene Güter. Das war schon sehr beachtlich.
Nach dem Ende des 1. Weltkrieges sah die Sache für unsere Apotheke wieder nicht gut aus, denn die Einwohnerzahlen hatten sich durch den Krieg nicht verbessert. Auch das nun ein Teil von Taubenheim und Wehrsdorf mitgerechnet wurden, brachte nicht den gewünschten Erfolg. Der Standort der Apotheke wurde jetzt dahin geändert, dass sie in einen Flügel des neu zu Erbauenden Postgebäudes untergebracht werden sollte. Trotzdem gab es eine erneute Absage durch den Bezirksarzt Dr. Sauer. Nach Aussage des Landesgesundheitsamtes hätte die Errichtung einer Apotheke vor dem Krieg 25 – 30 000 Mark gekostet, nun 100 – 150 000 Mark.
Im Januar 1922 ist die Frage der Unterbringung gelöst, heißt es von der Gemeinde. Nicht im neuen Postgebäude, aber da ein neues Schulgebäude errichtet werden soll, wäre das alte Schulgebäude in der Mitte des Ortes ideal. Im Mai des Jahres wird auf den 1. Oktober als Eröffnungstermin hingewiesen, weil die Gebäude noch im Bau sind. Im Juli 1922 wird in der Sächs. Staatszeitung die Stelle für einen Apotheker in Sohland ausgeschrieben. Bewerbungen gehen an die Kreishauptmannschaft Bautzen. Der Bewerber muss mitbringen: seinen Approbationsschein (staatlicher Zulassungsschein), einen Ausweis über die Staatsangehörigkeit, ein Behördliches Leumundszeugnis sowie einen lückenlosen Lebenslauf. Nicht angenommen werden Apotheker, deren Approbation noch nicht 12 Jahre zurückliegt oder die nicht ständig als Apotheker gearbeitet haben. Am 25.9.1922 bekommt Paul Rudolf Neumann aus Bischofswerda „die Berechtigung zum Betriebe der neu zu errichtenden Apotheke in Sohland“. Allerdings heißt es erst im März 1924 „ die hiesige neu errichtete Apotheke ist am 5.März eröffnet worden und ist in den Räumlichkeiten des früheren Gasthofes „ Drei Linden“ untergebracht, die entsprechend umgebaut sind“.
1926 sind erste Mängel zu beanstanden. Es mehren sich Beschwerden über nicht einwandfreie Heilmittel, weil die Räume, die von hohen Mauern und Erddämmen umgeben sind, feucht, finster, dumpfig und mit Hausschwamm durchsetzt sind. Neumann hat im Zentrum bereits Bauland erworben, kann aber den Bau nicht allein finanzieren und auch die Gemeinde hat kein Geld. 1926/27 errichtet Neumann schließlich den Anbau, der den meisten von uns noch als Apotheke bekannt ist. Zu Beginn führten die Stufen direkt vom Markt in das Gebäude, ab ca. 1960 wurde der Eingang dann seitlich an die Kirchstufen verlegt, wo er sich bis zuletzt befand.
Dem Apotheker Neumann (1924 -1943) folgten Dr. Bernhard Nusser, aus Bayern gebürtig (1944 – 1960), Pharmazierat Barth (1960 – 1992), Frau Diplompharmazeutin Elke Ullrich (1992 -2019), welche mit der Apotheke in den neuen Standort in der Bahnhofstraße zog. Sie behält den Namen „ Lindenapotheke“ bei. 2019 übergibt Frau Ullrich die Leitung an ihren Sohn, der die Apotheke bis heute innehat.
Unser nächster Stammtisch findet am Donnerstag, den 6.11. 2025, um 18.00 Uhr in der „ Scheune am See“ statt. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.