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Amtliches Mitteilungsblatt der Stadt Schirgiswalde-Kirschau mit den Ortsteilen
Ausgabe 13/2024
Aus den Ortsteilen
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100 Jahre Buchhandlung in Schirgiswalde

Frau L. Swoboda in der Buchhandlung (vor 1945)

Bücherstube am Niedermarkt

Erstaunlich ist es wohl, dass schon seit 100 Jahren ununterbrochen eine Buchhandlung in Schirgiswalde existiert, die noch dazu immer von Frauen geleitet wurde.

Ungewöhnlich und gewagt war es damals, gleich nach Ende der Inflation, auf dem Lande in einer so kleinen Stadt wie Schirgiswalde eine Buchhandlung zu gründen - noch dazu durch eine Frau. Louise Swoboda, die gerade erst durch Heirat nach Schirgiswalde gezogen war, ging dieses Wagnis ein und eröffnete am 3. Dezember 1924 – ihrem 29. Geburtstag – in einem kleinen Zimmer ihres Wohnhauses Sohlander Str. 112 o eine Buch- und Kunsthandlung. Im Angebot waren laut einer Anzeige: Bücher, Keramik, kunstgewerbliche Spielsachen, geschliffene Gläser, Weihnachtskrippen und Zeitschriften. Scheinbar blieb die Nachfrage nicht aus, so dass sich Frau Swoboda nach einem größeren Ladengeschäft umsehen musste.

Es wurde im Haus Hentschelgasse 2 gefunden, was nahe am Markt gelegen war. Bald ergab sich jedoch eine Gelegenheit, das freiwerdende Ladenlokal in der Hauptstraße 2 anzumieten. Hier waren nun größere Räumlichkeiten und 2 Schaufenster in bester Geschäftslage vorhanden. Zudem bot die in der Bautzener Straße ansässige Gärtnerei Zaute an, ein Schaufenster als Verkaufsmöglichkeit für Blumen zu mieten, um den Verkauf in der „Innenstadt“ zu ermöglichen. Manche ältere Einwohner werden das Swobodasche Geschäft in dieser Erscheinung noch in Erinnerung haben. Ein „Verkaufsvorteil“ war das breite Angebot an christlicher Literatur, Devotionalien, Weihnachtskrippen und anderen Andachtsgegenständen, die gerade in Schirgiswalde gute Nachfrage fanden. Louise Swoboda bewältigte alles ganz allein, da ihr Ehemann auswärts tätig war.

Erst nach 1945 half Carl Swoboda im Geschäft mit, ohne jedoch selbst Buchhändler zu sein. Geschäftsinhaber war Louise Swoboda bis zu ihrem Tod im Jahre 1969. Nun blieb nur eine Übergabe oder Schließung des Geschäftes übrig. Da bei Swobodas etwa seit der 1960er Jahre auch Wochenkarten für den Bus verkauft wurden, wäre eine Geschäftsaufgabe auch mit einem Verlust dieser wichtigen Nebentätigkeit für den VEB Kraftverkehr einhergegangen. Damit dies nicht nötig und eine Schließung der Buchhandlung abgewendet wurde, schaltete sich der CDU-Kreisverband Bautzen und der Leiter des Union-Verlages Herr Frauenstein ein. Durch dieses Engagement konnte in Schirgiswalde eine weitere „Bücherstube des Union-Verlages“ eingerichtet werden. Diese bezog neue Geschäftsräume am Niedermarkt 4 und wurde dort im Mai 1972 eröffnet.

Erste Leiterin wurde Frl. Lucia Ploß (später Lucia Hocke). Als Mitarbeiterin war Regina Rudolf angestellt, die 1974 selbst die Leitung übernahm und bis 31.12.1987 ausübte. Dann übernahm Frau Rita Wemme, welche schon seit 1975 als Halbtageskraft angestellt war. In diesen Jahren waren mehrere Frauen als Teilzeitkräfte im Verkauf tätig. Trotz geringer Verkaufsfläche konnte der Umsatz von Jahr zu Jahr gesteigert werden. Frau Wemme führte die Buchhandlung durch die schwierige Zeit der Währungsumstellung und der Neuorientierung zur „Wendezeit“.

1985 kam Ute Strohbach neu in das Buchhändlerkollektiv. 1996 wurde ihr die Leitung der inzwischen als „Wort und Werk“ firmierenden Bücherstube übertragen. Aber schon im Jahre 2000 wurde diese Firma insolvent und aufgelöst. Nun war der Fortbestand der Buchhandlung dem Engagement Ute Strohbachs zu verdanken, die diese privat weiterbetrieb. Nach der politischen „Wende“ gab es ein viel umfangreicheres Angebot an christlicher Literatur und christlichem Kunsthandwerk. Jetzt platzte die Bücherstube aus allen Nähten. In der Weihnachtszeit 2002 bis 2009 wurde das große Angebot an weihnachtlicher Kunst, Krippen, Weihnachtsbüchern und -kalendern in zwei Weihnachtssonderverkaufsräumen am Kirchberg 1 und 2 präsentiert. Im Jahre 2010 gelang dann der Umzug in die jetzigen Räume auf der Rämischstraße, die eine ausreichende Verkaufsfläche bieten. Dieser Umzug geschah kurz vor dem Hochwasser im Sommer 2010 und war somit ein doppelter Glücksfall. Frau Ute Strohbach führte das Geschäft bis zu ihrem Renteneintritt im Jahre 2022. Dann kam ebenfalls zum großen Glück Frau Anja Sorkalle mit ihrem Mann und übernahm die traditionsreiche Buchhandlung mit viel Engagement. Seitdem ist die Bücherstube auch zu einem kulturellen Mittelpunkt im Stadtzentrum Schirgiswaldes gewachsen. In diesem Sinne hoffen wir auf noch viele Jahre des Weiterbestehens als eine der wenigen kleinen Buchhandlungen. Ein besonderer Dank gilt auch der werten Kundschaft für die jahrelange Treue, die dieses Geschäft am Leben erhielt.

Text und Fotos: Stefan Wollmann/Ute Strohbach