Diese Geschichte beginnt eigentlich schon im 9. Jahrhundert im Nachbardorf Delitz am Berge. Hier wurde auf dem Gebiet des heutigen Sportplatzes Wasser für den Betrieb einer Mühle angestaut. Die landschaftlichen Gegebenheiten ermöglichten hier den Rückstau von ca. 40.000 m³ Wasser. Die Mühle befand sich unterhalb des heutigen Sportplatzes und hatte den Ablauf über die Wasserrinne nach Benkendorf in die Hulbe.
Mit dem Wachstum der Bevölkerung reichte die Kapazität der kleinen Mühle nicht mehr aus und es wurde nach einer Alternative für den Mühlenbetrieb mit mehr Wasserkraft (Leistung) gesucht. Jetzt kommt Hohenweiden und die Saale ins Spiel.
Im 11./12. Jahrhundert änderte sich zudem das Klima in eine trockener Periode. So muss der Bau des heutigen Mühlgrabens in Angriff genommen worden sein. Zeitgleich erfolgte ein Neubau einer Wassermühle in Holleben. Man machte sich die Kraft der Saale zu nutze und errichtete den 8 km langen Kanal mit Dämmen. Auf der westlichen Seite konnte das natürliche Gefälle der Hügel Richtung Saale als Damm genutzt werden. Die Saaleseite wurde komplett neu errichtet. Für den Bau des Mühlgrabens mussten schätzungsweise 50.000 bis 100.000 m³ Erde bewegt werden.
Nach dem Bau des Mühlgrabens, urkundliche Erwähnung der Wassermühle Holleben im Brief von Kaiser Barbarossa 1174, und der Nutzung der Wasserkraft in Holleben zeigten sich aber auch negative Auswirkungen für die Ortschaften rund um Hohenweiden.
In den folgenden Jahren traten in den Ortschaften westlich des Mühlgrabens immer häufiger Hochwasser auf. Der natürliche Abfluss in die Aue und damit in die Saale war durch den Druck des Mühlgrabens auf das Gelände versperrt. Somit verblieb das Wasser stehend in den Dörfern und versickerte oder verdunstete nur langsam.
Eintrag Kirchenchronik zu Neukirchen von 1694:
Den 2. Feb. ist Georg Vester Nachbar zu Röpzigk verstorben, und sollt den 5. mit einer Leichenpredigt begraben werden, war ein so großes Wasser, daß die Leiche auffen Kahne biß an die Neukirchener Brücke gebracht worden musste. Von der ward solche wieder auffen Wagen geladen und nachen Rockendorff durchs Wasser geführet, bis Sie von da aus biß an die Pfarre geschafft und dahin abgeladen ward, weil man für das Wasser sich nicht behelffen konnte, so konnte auch sein hinterlassenes Weib Ihn des Wassers wegen nicht zu grabe begleiten helfen. Ende
Wie sich in der Chronik zeigte, sind in den laufenden Jahrhunderten die Dämme
vernachlässigt worden. Was daraus entsteht ist wohl keine Überraschung.
Für das 19. Jahrhundert kennt die Kirchenchronik folgende Einträge:
1828: Hochwasser, das 18 Wochen blieb. In den Schweineställen stand das Wasser über 1m hoch. (Wahrscheinlich aus diesem Grund wurden dann ab 1832 die
Mühlgrabendämme erneuert und erhöht.)
1843: Hochwasser durch Saaledammbruch zwischen Rattmannsdorf und Hohenweiden. In der ersten Märzhälfte stand das Wasser auf dem Pfarrhof in Neukirchen bis vor die Haustür. Die Felder konnten erst im Mai bestellt werden.
1863/64: Im Winter stand Neukirchen unter Wasser, das etliche Wochen zufror, “daß man vom Dorfe aus 1 Stunde weit auf Schlittschuhen fahren konnte“. Das ganze Gebiet zwischen Rattmannsdorf und Holleben muss also überschwemmt gewesen sein.
Alle 2 - 3 Jahre gab es großes Hochwasser mit Dorfüberschwemmungen besonders in Neukirchen, und das Dorfleben und die Wirtschaft wurden stark beeinträchtigt. Die Gründe für die Hochwasser waren teilweise wie dokumentiert Dammbrüche von Saale und Mühlgraben, aber meist Oberflächenwasserzufluss von den westlichen Anhöhen nach Tauwetter und starken Niederschlägen. Die Höhe und die lange Zeitdauer der Überschwemmungen sind eine Folge der Mühlgrabenerrichtung gewesen. Sie brachten erhebliche Schäden für die Landwirtschaft und die Bewohner der Orte. Die negativen Auswirkungen der Teilung des Wassersystems der Aue um Hohenweiden durch den Mühlgraben wurden erst Ende des 19. Jahrhunderts beseitigt, durch Maßnahmen, die die hydrologischen Verhältnisse ähnlich wie vor der Errichtung des Mühlgrabens wiederherstellten.
Diese wiederkehrenden Hochwasserplagen der Auenbewohner sollten sich erst 1881 bessern. Der Großgrundbesitzer Zimmermann aus Benkendorf kaufte das Rittergut Neukirchen. Über die unbefestigten Straßen nach Korbetha und Merseburg war bei Hochwasser kein Durchkommen, so das seine Transportwege von der Zuckerfabrik in Benkendorf abgeschnitten waren. Er ließ die heutige Hauptstraße auf der westlichen Seite der Ortsteile Rockendorf, Hohenweiden und Rattmannsdorf nach Korbetha bauen. Immer einem natürlichen Damm folgend.
In Hohenweiden wurde ein offenes Grabensystem geschaffen, dass das Oberflächenwasser wieder Richtung Mühlgraben leitete. Ein Düker (Unterführung des Mühlgrabens mittels Rohr) leitete das Wasser weiter in die Aue, somit war der natürliche Abfluss teilweise wieder hergestellt.
Wie uns diese Erfahrungen zeigen, sollte wohl auch heute der Hochwasserschutz in unseren Gebieten von Elster- Saale und Luppe nicht egal sein.
Die Hochwasser 1994, 2003, 2011 und 2013 sprechen ein eindeutige Sprache.
Leider warten wir in Hohenweiden noch immer auf den Bau des neuen Dammes, und das schon seit 2013, er sollte 2017 fertig sein.
Glückwunsch an Rattmannsdorf zum neuen Hochwasserdamm seit dem letzten Jahr.
Mit freundlichen Grüßen
Quellen zum Beitrag:
| - | Ortschronik und Kirchenchronik Hohenweiden |
| - | Die Hydrologie der Saaleaue um Hohenweiden zwischen Rattmannsdorf |
und Holleben im vergangenen Jahrtausend von Dr. Reinhard Nitzsche