Frühere Oelsiger Kirche mit zweithöchstem Turm im Amtsbereich
Richtfest des Wiederaufbaus vor 50 Jahren
Die heutige Oelsiger Kirche
Der Name des 1380 erstmals urkundlich erwähnten Dorfes Oelsig hat einen slawischen Ursprung mit der Bedeutung "Siedlung am Erlenbusch". Im Ort gab es bereits ab 1515 eine Wassermühle. Um diese Zeit wird auch von einer Kirche berichtet, deren kleiner Turm aus einer Holzkonstruktion bestand. Der Bau dieser Kirche ähnelte vermutlich denen der heutigen Kirchen in Krassig und Malitschkendorf. Im Jahr 1856 verwandelte ein schlimmes Unwetter das damalige Oelsiger Gotteshaus in eine unbrauchbare Ruine.
Über den Hergang des Unglücks berichtete das "Schweinitzer Kreisblatt" in seiner Ausgabe vom 17. Juni 1886 wie folgt: "Bei dem Gewitter, welches am 1. Pfingstfeiertage (13. Juni) Nachmittags ¾3 Uhr hauptsächlich über die Fluren von Oelsig zog, wurde der dortige Kirchthurm von einem Blitzstrahle getroffen, welcher eigenthümlicher Weise erst auf das Dach des Thurmes erfolgte und von dort wieder hinauf das oberste Stockwerk durchbrach. Nun wandte er sich auf den nächsten Boden, wobei sämmtliche Fenster zertrümmert wurden, und ging von dort in die Erde, auf welchem Wege er noch die Thurmthür förmlich zerspaltete. Die angerichteten Beschädigungen sind derart, daß voraussichtlich der Thurm abgetragen werden muß."
Mit der Zerstörung der Oelsiger Kirche wiederholte sich das Schicksal der Stadtkirche St. Martin von Schlieben, die 1856 ebenfalls durch einen Blitzschlag schwer beschädigt worden war. Der im Jahr 1862 in Schlieben mit einer Höhe von 57 m in neugotischer Form errichtete Kirchturm war Vorbild für den Neubau der Oelsiger Kirche mit einem beeindruckenden 36 m hohen Kirchturm.
Bei den zum Ende des 2. Weltkrieges zunehmenden Fliegerangriffen hatten sich am 21. Mai 1944 britische Tiefflieger die Oelsiger Kirche als Zielobjekt gewählt, obwohl dieser keine militärische Ausrüstung enthielt. Bei Angriffen von Norden und von Süden zerschossen sie die Turmspitze, die Fenster sowie das Kirchenschiff. Dieser Beschuss hinterließ sehr schwere bauliche Schäden an der Kirche, die durch Witterungseinflüsse in den nachfolgenden Jahren zum Zerfall des Bauwerks führten.
Erst im Mai 1967 war nach Absprache mit dem Kreisbauamt eine Reparatur des Kirchendachs möglich. Nach der Berufung des Pfarrers Friedrich Wilhelm Pape nach Schlieben im Jahr 1969 beschlossen der Gemeindekirchenrat und der neue Pfarrer die Oelsiger Kirche zu erhalten. Um die notwendigen Baumaßnahmen zu realisieren, waren zur damaligen Zeit enorme Anstrengungen notwendig, denn Baumaterial und Bauhandwerker waren äußerst knapp. Viele Anträge mussten gestellt werden. Die Materialbeschaffung war schließlich möglich durch das Organisationstalent des Pfarrers Pape und das tatkräftige Engagement der Kirchenmitglieder.
Nach vielen Beratungen wurden als Baumaßnahmen u.a. festgelegt: Ein Glockenstuhl bleibt erhalten, die Kirchturmhöhe ist aber von 36 m auf 19,8 m zu reduzieren, die Seitenemporen werden bis zur Glockenempore entfernt, der Dachstuhl wird wegen Wurmbefall erneuert, der Altar wird renoviert und ein elektrisch beheizter Raum für Wintergottesdienste und Unterricht wird eingerichtet. Um die Kosten dafür so gering wie möglich zu halten, hatte man die ganze Gemeinde zu Spenden und zu Eigenleistungen aufgefordert. Viele Bürger und lokale Organisationen beteiligten sich dann tatsächlich u.a. an Baukiesbeschaffung, an Beräumung von Bauschutt und an späteren Maler- und Reinigungsarbeiten.
Am 19. April 1974 konnte schließlich das Richtfest gefeiert werden. Dabei trug der bekannte Zimmerermeister Adolf Alexander aus Grochwitz (im Bild zweiter von rechts) einen 78-zeiligen Richtspruch auswendig vor. Am 1. Dezember, dem 1. Advent, 1974 erfolgte zusammen mit vielen Gästen die Einweihungsfeier der wieder aufgebauten Kirche. Im Jahr 2004 sagte der Pfarrer Dr. Stephan Schönfeld zum 30. Jahrestag der Einweihung der Kirche: "All jene, die sich damals so intensiv für den Neuaufbau einsetzten, retteten die Kirche vor einem sonst vorprogrammierten Verfall".
Für eine breitere Nutzung in der Zukunft erfolgt gegenwärtig in der Kirche der Einbau einer Waschgelegenheit, einer Toilette und einer Küchenzeile. Die Kirche bleibt weiter das Haus für Gottesdienste. Zugleich wird sie aber auch für andere Zusammenkünfte, für Veranstaltungen und für die gelegentliche Übernachtung von Pilgern zur Verfügung stehen.