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Amtsnachrichten – Amtsblatt für das Amt Schlieben und die amtsangehörigen Gemeinden
Ausgabe 2/2023
Aus dem Amtsgebiet
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Weinbau vor 130 Jahren in Schlieben

Weintrinker vor dem Schützenhaus , Anfang 20. Jhdt.

Kellerstraße mit ehem. Wachlokal "Schiefer Hut" Anf. 20. Jhdt.

Unser Städtchen trägt seit 2020 auf dem Ortsschild die Zusatzbezeichnung „Historische Wein- und Kellerstadt“ und da in diesem Jahr der Schliebener Weinbauverein sein 30-jähriges Bestehen feiern kann, sollten wir doch einmal zurückblicken, welche Bedeutung der Weinbau bei unseren Vorfahren hatte.

Zufällig fanden sich in einer alten Urkunde von 1889 interessante Fakten zum Schliebener Weinbau in dieser Zeit. Immerhin sind 22 „Weinbautreibende“ in der Liste enthalten, die eine Belehrung zur Reblausbekämfung unterschrieben haben.

Neben Rittergutsbesitzern (Herwig und Hennig), Gutsbesitzern (Steinhard, Drasdo, Liebezeit u. Schumann), Mühlenbesitzer Seibt, Handelsmann Gassel, sind auch fünf „Winzer“ genannt (Ludwig Bischoff, Ernst Müller, Wilhelm Tanneberger, Wilhelm Schulze und Friedrich Lehmann). Von letzteren muss man annehmen, dass sie ihren Lebensunterhalt überwiegend aus dem Weinbau bestritten haben. Auch der damalige Besitzer des Schützenhauses Heyne, dessen Weinberg heute der Stadt gehört und vom Weinbauverein betrieben wird, ist auf der Liste aufgeführt.

Wie groß die Rebfläche in Schlieben damals war, wissen wir nicht, 1868 sind es 55,2 Morgen (ca. 13 ha) gewesen.

Nach den Veröffentlichungen von F. Stoy, H. D. Lehmann und H. D. Krausch wurde in Schlieben im Wesentlichen für den Eigenbedarf Wein produziert. Sicher, große Mengen wurden natürlich alljährlich zum Moienmarkt und anderen Festlichkeiten in der Region abgesetzt.

Allerdings wissen wir aus den Tafelbüchern des Fürsten Pückler (J. Friedrich), dass dieser von den heimischen Weinen, die er neben den französischen auch zuweilen trank, den „Wein aus den Schliebener Bergen“ bevorzugte. Der Fürst lebte natürlich vor der hier behandelten Zeit (er starb 1871 in Branitz), es wird aber auch später woanders Liebhaber des Schliebener Weins gegeben haben.

Nachdem der Weinbau Anfang des 20. Jahrhunderts in Schlieben eingegangen war, dauerte es etwa 80 weinlose Jahre bis zum Neubeginn 1992. Heute haben wir in Schlieben vier Weinbautreibende: der Verein, sowie drei Private. Diese bewirtschaften insgesamt ca. 1 ha Rebfläche. Das ist schon bescheiden, wird aber nur hobbymäßig betrieben. Die Weine sind anerkannt und beliebt und mit vielen Preisen im Weinbaugebiet und bundesweit ausgezeichnet. Der Fürst würde sich heute sicher auch für den „Schliebener Langen Berg“ entscheiden.

Dr. Eberhard Brüchner

Beide Fotos aus der Postkartensammlung Thomas Grosser