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Amtsnachrichten – Amtsblatt für das Amt Schlieben und die amtsangehörigen Gemeinden
Ausgabe 2/2025
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Die Molkerei in Schlieben

Historisches Butterfass, Fundus Drandorfhof

Handbetriebene Milchzentrifuge, Baujahr 1951 Leistung 45 Liter pro Stunde, Fundus Drandorfhof

Die Schliebener Molkerei um 1900, Archiv P. Wolff

Milchwagengespann vor dem Haus Lange Straße 1, Archiv P. Katzschke

Schliebener Molkerei um etwa 1950, Archiv P. Wolff

Mitarbeiter der Schliebener Molkerei vermutlich um 1960, Archiv P. Wolff

Historischer Rückblick

Seit dem Beginn des Sesshaftwerdens in der Jungsteinzeit nutzen Menschen verstärkt die Milch von Tieren als Nahrungsmittel. Die Bibel beschreibt bereits ein Volk, das sich nach einem Land sehnt, "wo Milch und Honig fließen", d.h. nach einem grünen Land, wo es Kühe, Schafe und Ziegen gibt, die gemolken werden können, und wo natürlich auch Bienen reichlich Nektar finden.

Da frisch gemolkene Milch aber nicht lange haltbar war, lernte man schon früh, sie durch gezielten "Verderb" sowie anschließende Weiterverarbeitung in Quark und Käse in ein haltbareres Lebensmittel umzuwandeln. In Europa hat in der Vergangenheit Holland mit seinen regelmäßigen Niederschlägen und üppigem grünen Gras ganz wesentlich zur Entwicklung der Milchverarbeitung und der Käseherstellung beigetragen. Ermöglicht wurde die weitere Entwicklung durch eine immer höhere Milchleistung der Kühe, die sich bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts verdoppelt hatte.

In der gemolkenen Milch befinden sich fein verteilt Fettkügelchen mit Durchmessern von 0,1 bis 20 µm, wobei der Mittelwert 3-4 µm beträgt (1 µm = 1 Mikrometer = 1 Tausendstel Millimeter). Da das Fett leichter ist als die umgebende wässrige Emulsion, steigen die Fettkügelchen langsam an die Oberfläche. Man sagt, die Milch rahmt auf, eine Eigenschaft, die die Herstellung von Butter ermöglichte. Über lange Zeit war es daher auf den Höfen üblich, die Milch in einer Vielzahl flacher Tongefäße (Milchsatten) aufzustellen und nach ein bis mehreren Tagen die sich auf der Oberfläche angesammelte fetthaltige Sahneschicht abzulöffeln. Die abgenommene Sahne gab man in ein zylindrisches Butterfass, um sie dort durch Heben und Senken eines mit Löchern versehenen Stempels intensiv zu bewegen, sie zu "schlagen", bis sich das Fett herauslöste und eine feste Konsistenz annahm. Zurück blieb die fettarme, aber schmackhafte Buttermilch.

Hölzerne Butterformen mit eingeschnitzten, für die einzelnen Höfe unterschiedlichen Mustern dienten zur Festlegung der Größe der Stücke. Ein Mitglied des jeweiligen Hofs bot in dieser Form die Butter dann auf lokalen Märkten an. Dabei waren die Anbieter jedoch in keiner guten Position, denn die potenziellen Käuferinnen gingen herum, nahmen z.B. mit ihren Messern kleine Geschmacksproben, bemängelten angeblich schlechte Qualität und beschwerten sich über einen zu hohen Preis. Im Schweinitzer Kreisblatt von 2. August 1900 steht dazu: "Recht unappetitlich sieht es aus, wenn man beobachtet, wie auf hiesigen Märkten beim Butterverkauf vom Käufer mit den Fingern die Butter angefaßt wird, um den Geschmack zu prüfen. Behördliches Einschreiten wäre recht wünschenswerth".

Das damalige Verfahren der Butterherstellung war mühsam, benötigte viel Zeit und gelang bei warmem Wetter und schlechten hygienischen Bedingungen nicht immer. Im Jahr 1876 erfindet Wilhelm Lefeldt mit der Milchschleuder eine Zentrifuge, mit der es erstmals durch Zentrifugalkraft gelang, die Sahne von der Milch zu trennen. Ab 1890 baute basierend auf verschiedenen Patenten die schwedische Firma AB Separator die ersten kontinuierlich arbeitenden Zentrifugen (Zentralseparatoren) zur raschen und effizienten Trennung der Sahne von der Milch. Eine schnelle weltweite Verbreitung dieser Technik schloss sich daran an.

Gleichzeitig setzten sich mit rotierenden Fässern oder mit Verquirlen der Sahne auch bessere Verfahren zur Abscheidung der Butter aus der Sahne durch.

Die Gründung der Schliebener Dampf-Molkerei 1897

Am 11. Januar 1897 berichtet der Schliebener Stadt- und Landbote über die Anregung des lokalen landwirtschaftlichen Vereins zur Gründung einer Molkereigenossenschaft. Die Milch würde sich wie kein anderes Produkt zur genossenschaftlichen Verarbeitung eignen und einen ganz unverhältnismäßig höheren Gewinn abwerfen als die bisherige Form der Milchwirtschaft. Für Schlieben wäre die Gründung einer Molkerei besonders zu empfehlen wegen der hier vorhandenen ausgedehnten Wiesen. Mehr noch als für große Betriebe sei eine Molkerei von großem Nutzen für kleinere Wirtschaften mit z.B. nur zwei Kühen.

Daraufhin erfolgte am 17. Januar 1897 die Gründung der "Dampf-Molkerei Schlieben" als Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht. Beteiligt hatten sich anfangs 85 Genossenschaftler mit 285 Kühen. Man rechnete jedoch mit der Zeichnung weiterer Anteile und erwartete durch die Milchlieferung von etwa 400 Kühen eine tägliche Verarbeitung von 2400 Litern Milch. Die erste Generalversammlung der Molkereigenossenschaft am 20. März 1897 beschloss den Ankauf von einem Morgen Land in der Bahnhofstraße zum Preis von 1500 Mark. Auf diesem Gelände war dann schon am 20. September der Rohbau der Molkerei fertiggestellt. Das geschah dort, wo sich jetzt die Busschleife vor der Schule befindet. Die inzwischen aus Hamburg eingetroffenen Maschinen für die inneren Einrichtungen hoffte man bald aufstellen zu können. Bereits am 1. November (!) erfolgten die Einweihung und der Betrieb der Molkerei unter Anwesenheit vieler Besucher. Leider ist die technische Ausrüstung der damaligen Molkerei nicht bekannt. Vermutlich fauchte eine Dampfmaschine (Strom gab es erst ab 1922) und trieb über eine lange Transmissionswelle und über breite Treibriemen die Zentrifuge und verschiedene Rührwerke an. Bald diente der Dampf sicher auch für eine etwa 15 bis 30 Sekunden dauernde Erhitzung der Milch auf 72 bis 75 Grad zu ihrer Pasteurisierung.

Die Entwicklung der Molkereigenossenschaft verlief sehr positiv, wie sich u.a. bei der Generalversammlung am 27. Oktober 1900 zeigte. Im Berichtsjahr vom 1. Juli 1899 bis zum 30. Juni 1900 waren 2.151.512 kg Milch angeliefert und verarbeitet worden. Diese Menge entsprach im Mittel 5895 kg pro Tag. Der Durchschnittsfettgehalt betrug 3,34 %, und damit ergaben 13,19 kg Milch 1 Pfund Butter. Im gleichen Jahr hat man Anfang September der Schliebener Dampfmolkerei-Genossenschaft die Silberne Medaille mit dem Prädikat "Fein" für ihre auf der Ausstellung für Gesundheits- und Wohlfahrtspflege in Halle a.S. ausgestellte Butter zuerkannt.

Zur Lieferung der Milch in die Molkerei dienten standardisierte verzinnte Stahlblechkannen mit einem Volumen von 20 Litern. Vor den einzelnen Höfen befanden sich sogenannte Milchbänke, auf denen man morgens die gefüllten Kannen zur Abholung aufstellte. In regelmäßigem Wechsel sammelte jeweils ein Pferdebauer mit einem gefederten, genossenschaftseigenen Wagen die mit Nummern versehenen Kannen ein und brachte sie zur Molkerei. Das gleiche Fuhrwerk transportierte anschließend in den gleichen Kannen Molke, Magermilch oder auch Buttermilch, die man zur Fütterung der Tiere benötigte, zurück zu den Milchbänken. Die Menge der Rücklieferung war proportional zur Menge der abgelieferten Milch. Kleinere Landwirte aus dem Stadtgebiet brachten ihre Milchkanne(n) direkt mit einem Handwagen zur Molkerei. Vor einer erneuten Füllung mussten die sorgfältig gereinigten Kannen an einer geschützten Stelle umgekehrt und offen an Luft gelagert werden. Die Milchwagengespanne dienten in damaliger Zeit häufig zugleich dem Transport von Gegenständen aus den Dörfern in die Stadt, z.B. zur Reparatur, oder auch in umgekehrte Richtung.

Die Schliebener Molkerei war Vorbild für andere Orte. So berichtet der Stadt- und Landbote, dass am 5. Januar 1900 die aufs Beste mit elektrischer Kraft- und Lichtmaschine ausgestattete Dampfmolkerei in Kolochau ihren Betrieb mit einer Anfangsverarbeitung von 1500 Liter begonnen hat. Die Herzberger Molkerei begann ihren Betrieb am 15. Oktober 1902 mit am ersten Tag angelieferten 2250 Liter Milch. Hier hatte man ursprünglich geplant, im Gebäude zugleich ein Warmbad für die Anwohner einzurichten.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts ermöglichten technisch verbesserte Zentrifugen auch eine kontinuierliche Abtrennung von Schmutz, Haaren, Euterzellen, Blutkörperchen, Sporen und Bakterien und damit eine Erhöhung der Reinheit der Milch. Für Trinkmilch und auch für Kaffeesahne erfolgte in größeren Einrichtungen eine Homogenisierung der Milch. Die Bewegung der Fettkügelchen nach oben nimmt mit dem Quadrat des Durchmessers zu, d.h. Kügelchen mit doppeltem Durchmesser steigen vier Mal schneller auf. Zur Homogenisierung wird die Milch durch schmale Düsen gepresst, wodurch die Fettkügelchen zerteilt werden in viele kleine Kügelchen mit Durchmessern kleiner als 1 µm. Das hat zur Folge, dass sich Rahm nicht mehr oben absetzt, dass die Milch nicht mehr aufrahmt. Darüber hinaus bekommt sie eine hellere appetitlichere Farbe und ein volleres Aroma. Bei Kaffeesahne wird damit die Weißkraft im Kaffee erhöht.

Die Fettlücke in Deutschland

Im Vorkriegsdeutschland war die Landwirtschaft nicht in der Lage, die eigene Bevölkerung ausreichend mit tierischen und pflanzlichen Fetten zu versorgen. Es gab eine beträchtliche Fettlücke und daneben auch eine Eiweißlücke und eine Faserlücke. Mitte der 1930er-Jahre betrug der Selbstversorgungsgrad mit Fett für die Ernährung nur ca. 68 %. Um Devisen nicht mehr für den Import von vermeintlichem Luxus, wie z.B. Butter, auszugeben, sondern für die Beschaffung von Rohstoffen mit strategischer Bedeutung für eine massive Aufrüstung, gab es bereits ab 1936 mit der Einführung von Kundenlisten Beschränkungen beim Kauf von Butter ("Kanonen statt Butter"). Darüber hinaus hat man versucht, durch Bodenverbesserungen und einen zunehmenden Anbau von Raps und Lein die Futterbasis für die Kühe zu erhöhen. Später folgte ein Ablieferungszwang für Milch, gekoppelt mit dem strengen Verbot, für den eigenen Bedarf zu buttern.

Während des Kriegs gab es außerhalb der Molkereien zusätzlich Milchkontrolleure, die in kleinen Fläschchen Milchproben aller einzelnen Kühe des entsprechenden Dorfs oder mehrerer Dörfer der Umgebung sammelten und insbesondere bezüglich des Fettgehalts analysierten. Der Fettgehalt der Milch schwankte damals je nach Futterangebot für die Kühe und abhängig davon, ob sie zugleich auch als Zugtiere eingesetzt wurden, zwischen 1,8 und (in seltenen Fällen) 3,5 %. Die ermittelten Werte dienten der strengen Auswahl der Mutterkühe für eine verbesserte Nachzucht und damit einer künftigen Verringerung der Fettlücke. Wegen dieser Lücke war die NS-Regierung mehr noch als an Weizen an Ölsaaten aus der Ukraine interessiert.

Zur Verringerung der Fettlücke diente schließlich auch aus Kohle hergestellte künstliche Butter. Sie wurde zunächst an KZ-Häftlingen und beim Reichsarbeitsdienst getestet. Später halfen die ab 1941 monatlich hergestellten 250 Tonnen des künstlichen Speisefetts, dessen Geschmack dem der Butter nahe kam, zur anteiligen Versorgung von Schwerarbeitern, Krankenhausinsassen und sowjetischen Kriegsgefangenen. Eine bedeutende Rolle spielte die künstliche Butter bei der Ernährung von Soldaten in Afrika und von U-Boot-Besatzungen, da sie kaum ranzig wurde.

Die Schliebener Molkerei in der DDR-Zeit

Das folgende Bild zeigt die Molkerei Anfang der 1950er-Jahre. Neben einem typischen Pferdegespann bringt aus den entfernteren Dörfern auch ein Holzgasgenerator-LKW (hinter dem Milchwagen an der Rampe) die Milch heran. Kleinbauern oder Ziegenzüchter aus Schlieben nutzten dafür Handwagen.

Verbunden mit baulichen Erweiterungen war um 1960 die Molkerei auf Käseproduktion umgestellt worden. Nach Aufhebung der Lebensmittelkarten in der DDR im Jahr 1958 gab es weiterhin Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung mit Butter und anderen Milchprodukten. Das lag u.a. daran, dass damals noch nicht ausreichend Mineraldünger für die Felder und Wiesen zur Verfügung stand und dass sich die Züchtung von Kühen mit höheren Fettprozenten in der Milch (Einkreuzung des Jersey-Rinds) noch in der Entwicklung befand. Von der VdgB-Molkereigenossenschaft Herzberg/Elster Betriebsteil Schlieben, so die damalige Bezeichnung der Molkerei, wurde der Rahm in Tanks zur Butterherstellung nach Jessen gebracht. In Schlieben wurde Camembert hergestellt, den sich Käufer nach Jahren von nur Sauermilchkäse ebenfalls wünschten. Gemäß Plan setzte sich zu dieser Zeit der angegebene Fettgehalt des Camemberts zusammen aus 45 % Milchfett und 55 % pflanzlichen Ölen. Später sind auf Basis von besserem Futter und höherer Milchleistung der Kühe auch Brie und Rahmbrie produziert worden. In den 1980-er Jahren hat die VdgB Molkereigenossenschaft e.G. Jessen Werk Schlieben bei DDR-Vergleichsprüfungen für Labkäse (Camembert und Brie) mehrfach 3. Preise erhalten. Im Jahr 1988 bekamen sie sogar einen 1. Preis für Camembert 45 % Fett i.T. und einen 2. Preis für Sahnecamembert 62 % i.T. Bei der Butter gab es in der DDR nur die beiden Sorten: Tafelbutter (70 % Fett 2,40 Mark pro 250 g) und Markenbutter (74 % Fett 2,50 Mark pro 250 g).

Im Jahr 1990 endete der Betrieb der Schliebener Molkerei. Etwa 20 Mitarbeiter verloren ihre Arbeitsstelle. Der Abriss des Gebäudekomplexes erfolgte 2002, wobei das Umlegen des ca. 35 m hohen Schornsteins in die richtige Richtung eine besondere Aufgabe darstellte.

Gegenwärtiger Stand der Milchwirtschaft

Am 17. Mai 1930 fand, organisiert vom Überlandwerk, auf Einladung des Schliebener Landwirtschaftlichen Vereins auf dem Hof des Gutsbesitzers Paschke ein Schaumelken mit einer fahrbaren elektrischen Melkmaschine statt. Dabei überraschte die Zuschauer, mit welcher Selbstverständlichkeit sich die Kühe das neuartige Melken gefallen ließen. Das gute Ausmelken und das besonders gute Aussehen der Milch fand Bewunderung. Damit war diese Veranstaltung eine wirkungsvolle Empfehlung für das elektrische Melken. Seit vergangenem Jahr übernehmen in der nahen Agrargenossenschaft Beyern e.G. Melkroboter den kompletten Melkprozess. Mitarbeiter werden nur noch benötigt für die Überwachung des Geschehens.

In der DDR gab es räumlich verteilt unterschiedliche Versorgungsstufen bei der Belieferung mit Waren. So hatte insbesondere die Hauptstadt Berlin eine hohe Versorgungsstufe, wo manchmal auch hochwertiger Schnittkäse gekauft werden konnte. Gegenwärtig haben wir überall in Deutschland eine hohe Versorgungsstufe, was auch eine Vielzahl ausgezeichneter Milchprodukte betrifft. Es ist zu hoffen, dass dieses ausgezeichnete Angebot bestehen bleibt. Dafür ist es jedoch notwendig, dass die Produzenten und die Mitarbeiter im Handel für ihre Arbeit dauerhaft eine hohe Wertschätzung durch die Gesellschaft erfahren.

Freundeskreis Zliuuini