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Unterspreewald-Journal
Ausgabe 2/2024
Nichtamtlicher Teil
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75 Jahre Landambulatorium Golßen

Abb.: Landambulatorium und Berufsschule Golßen 1959. Im westlichen oberen Teil des ursprünglichen Herrenhauses war die Entbindungsstation untergebracht.

Die Entbindungsstation 1948-1963

Die Entbindungsstation war schon anlässlich der Erarbeitung der Chronik des 1. Landambulatoriums zum 35. Jubiläum 1983 seit 30 Jahren abgeschlossene Geschichte. Bereits im April 1949 stimmten das Gesundheitsamt in Potsdam und die Deutsche Wirtschaftskommission in Berlin (Vorläufer des Ministeriums für Gesundheitswesen) nur vorbehaltlich der Aufrechterhaltung der Entbindungsstation zu. Doch die permanenten Defizite der staatlichen Krankenhausbetreuung in der im Oktober 1949 gegründeten DDR ließen diese kommunale Einrichtung der Stadt Golßen bis 1963 insgesamt 15 Jahre bestehen. Die Entbindungsstation umfasste 2 Wöchnerinnenzimmer mit jeweils 4 Betten und entsprechend 2 Kinderzimmer sowie einen Personalraum.

Seit 1948 bestand als besonderes Aufgabengebiet die Entbindungsstation. Der Kreisarzt Dr. Quaas teilte 1949 mit, dass sie von den Frauen gern in Anspruch genommen wurde. Er schrieb: „Diese Einrichtung wird sich segensreich für die Landbevölkerung, vor allem für die Neusiedler und Umsiedler (verharmlosender Ausdruck für Vertriebene), auswirken. Wir alle wissen, unter welchen schlechten und schwierigen Bedingungen oftmals eine Entbindung von den Hebammen durchgeführt werden muss, wie oft die Regeln der Hygiene und Asepsis kaum gewahrt werden können. Aus diesem Grund war es für uns eine unbedingte Notwendigkeit, auch der werktätigen Landbevölkerung in dieser Beziehung wesentliche Hilfe zu leisten, so dass jeder Frau, die unter schlechten häuslichen Bedingungen lebt, auch ohne weiteres diese saubere medizinisch vorbildliche Einrichtung bei der Entbindung zur Verfügung steht.“

Die Entbindungsstation wurde bis 1953 vollkommen neu ausgestattet und erhielt u. a. am 11.01.1952 ein neues Entbindungsbett. Damit wurden noch bessere Bedingungen für die Wöchnerinnen und die Neugeborenen geschaffen. Von Januar 1949 bis Oktober 1953 wurden 582 Entbindungen registriert.

2½ Jahre später konnte der Leiter des Landambulatoriums Dr. Knobloch berichten: „Die 1000-ste Entbindung auf der Entbindungsstation des Landambulatoriums „Dr. Herbert Baer“ Golßen erfolgte am 16. April 1956 seit Bestehen der Entbindungsstation. Diese Station hat sich im Laufe der Jahre als Einrichtung für unsere werdenden Mütter bewährt und das Vertrauen der Mütter erworben, ganz besonders unserer Landfrauen. Zu 99 Prozent entbinden die Frauen aus den dem Landambulatorium angeschlossenen Gemeinden im Landambulatorium. Die Mütter erhalten hier alle notwendige Hilfe, die erforderliche Pflege und Verpflegung für sich und ihre Kinder. Aus den Urteilen der Mütter ist immer wieder zu entnehmen, daß die neun Tage, die normalerweise eine Mutter nach der Entbindung im Landambulatorium verbringt, gerade von den werktätigen Frauen sozusagen als Erholung angesehen werden. Die Mütter sind ja während ihres Aufenthaltes im Landambulatorium ihrer gewohnten, oft schweren Arbeit enthoben und können sich in Ruhe von den überstandenen Anstrengungen erholen. Die Entbindungsstation ist wohl eine der segensreichsten Einrichtungen für unsere Mütter in Stadt und Land.“

Zuvor wurde jedoch am 1.12. 1954 der im Ambulatorium Golßen stationierte Krankenwagen, der insbesondere Gebärerinnen in die Entbindungsstation fuhr, gänzlich nach Luckau übergeführt. Er musste im Bedarfsfall seither in Luckau angefordert werden.

In der Regel versahen 2 Hebammen und 2 Hilfsschwestern den Stationsdienst. Der diensthabende Arzt war gleichzeitig für die Entbindungsstation zuständig. Die dem Landambulatorium angehörende Küche, langjährig geführt von Lina Lehmann, sorgte für das leibliche Wohl der Wöchnerinnen. Bis 1958 mussten Lebensmittelmarken für die Frauen, ausgestellt von den Bürgermeistern der Gemeinden, abgegeben werden. 1961 konnten Bad und Kreissaal gefliest werden. Die Station erhielt ihre eigene Toilette, so dass den Frauen der Weg durch den Warteflur zu den Patiententoiletten erspart blieb. Für das Landambulatorium, seine Leitung und die Bevölkerung war es ein schwerer Schlag, als am 31.03.1963 die, wie Dr. Knobloch sagte, „ … mit viel Liebe und Bedacht …“ eingerichtete Entbindungsstation geschlossen wurde. Sie hatte in den 15 Jahren ihres Bestehens die Entbindung von 2078 Kindern aus Golßen, dem Einzugsbereich und darüber hinaus, besonders aus dem Baruther Raum, zu verzeichnen.

Dr. Michael Bock