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Unterspreewald-Journal
Ausgabe 2/2025
Nichtamtlicher Teil
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Golßen – Stadtteil Landwehr seit 75 Jahren

Zwischen Dezember 2021 und März 2024 wurde das Vorhaben „Gemeinsamkeit durch Information“ – Neue Ortstafeln für Stadt Golßen, Orts- und Gemeindeteile durch Gewährung einer Zuwendung im Rahmen der Richtlinie des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft über die Förderung der ländlichen Entwicklung im Rahmen von LEADER bewerkstelligt. Für die 8 Tafeln wurden u.a. historische Fakten zum jeweiligen Ort verfasst, die von der Stadtverordnetenversammlung, den Ortsbeiräten, dem Amt und Verlag örtlichen Gegebenheiten angepasst und durch touristische Aspekte erweitert wurden. Die Ortstafel Landwehr ist an der Bushaltestelle installiert. Hier die Erstfassung nach geschichtlichen Quellen.

Nach der Eroberung der slawischen, vor der Völkerwanderung germanischen aber bis dahin noch nicht erschlossenen und aufgeteilten Siedlungsgebiete zwischen Elbe und Oder im frühen Mittelalter, legte das Deutsche Reich zur Sicherung des Landes ein engmaschiges Netz von Burgbezirken an, die Burgwarde genannt wurden. Als Rechtsbezirk und politisch-militärisches sowie wirtschaftliches Zentrum umfasste die Burg Golßen zirka 21 Dörfer. Deren Bewohner mussten Abgaben und Leistungen zum Bau der Befestigung erbringen. Aus einer Vorburgsiedlung entstand im 13. Jahrhundert die Stadt Golßen, zu deren Schutz im 14. Jahrhundert eine Landwehr errichtet wurde. Am 2. März 1455, also vor 570 Jahren, wurde die ehemalige Landwehr von Golßen als Vorwerk zum ersten Mal urkundlich erwähnt.

Die Landwehr bestand seit dem Spätmittelalter als einfache aber großräumige Befestigungsanlage aus Wällen mit Palisaden und Hecken sowie Gräben und Teichen am südlichen, einzig passierbaren Zugang zur Stadt. Sie diente als Markierung der Stadtgrenze bzw. Feldflur und zum Schutz des Stadtterritoriums. Zusätzlich verfügte sie über eine nachgewiesene turmartige Warte. Die Warte, auch Wart- oder Wachturm genannt, war ein einzeln stehender, jedoch mit der Landwehr verbundener, wohl hölzerner Turm im Weichbild der Stadt. In Sichtweite von Golßen liegend bot der Wachturm im Notfall gute Warnmöglichkeiten der Wachposten für die Stadt.

Wenn die Landwehr auch nur einen begrenzten militärischen Wert hatte, so schützte sie doch die Stadt gegen Vieh- oder Ernteräuber und kleinere Trupps. Sie markierte vor allem ihre Rechts- und Anspruchsgrenzen.

Die Reste der Landwehr sind heute noch im kleinen Hügel am Ortseingang von Landwehr und im mittelalterlichen Teichsystem zu erkennen. Die Wälle der Landwehr wurden, wie der Stadtwall auch, im Laufe der Zeit eingeebnet und werden heute beackert. Im Ortsnamen des späteren Dorfes Landwehr blieb die Erinnerung an die Landwehr von Golßen über 550 Jahre lebendig.

Im Übrigen hat die Landwehr als Befestigungswerk im Gelände mit den Landwehreinheiten zur Landesverteidigung in den Befreiungskriegen 1813/14 nur den Namen gemeinsam. Da der Hügel von Landwehr im Volksmund auch „Franzosenhügel“ genannt wird, sind Reste der alten Landwehr wahrscheinlich von französischen Soldaten als Verschanzung gegen die alliierten Truppen während der Kämpfe im Sommer 1813 ausgebaut und genutzt worden, was den Namen erklären würde.

Das Gassendorf Landwehr, von dem die Torsaul- oder Hofnamen sowie viele Flurnamen überliefert sind, stand ständig in Verbindung mit Golßen bzw. den Anteilen, welche die Stutterheim seit 1439 besaßen. Diese Gutsflächen (1856 461 Morgen) gelangten 1721 an die Friligehausen, 1752 an Vieth von Golßenau, 1771 an von Redern, 1781 und 1809 an die Gräfinnen Fontana und schließlich von 1846 bis 1945 an die Grafen (1888 Fürsten) zu Solms-Baruth.

Schon 1455wurde ein Deditzer (Zeidler-Bienenzüchter) erwähnt. 1708 lebten in 11 Bauern- und Kossätengütern sowie 3 Buden 27 männliche Personen von 12 bis 60 Jahren. Bis 1810 stieg die Anzahl der Büdner und Häusler auf sechs. 1818 zählte man 32 Feuerstellen mit 151 Bewohnern, 1 Teichhaus mit 7 Bewohnern und ein Winzerhaus mit 2 Bewohnern sowie eine Windmühle. Teichhaus, Windmühle und Winzerhaus werden auch 1864 noch genannt. Am Heiligen Abend 1729 ist der Salzfuhrmann in der Landwehreinlage zwischen Wall und Graben am Wallhaus- oder Landwehrteich mit seinem Gespann tödlich verunglückt.

Die Landwehrschen Gemeindemitglieder sind nach Golßen eingepfarrt. Der höchste Einwohnerstand wurde 1871 mit 201 Personen erreicht. Zum 1. Juli 1950 erfolgte zusammen mit Prierow die Eingliederung in die Stadt Golßen.

Dr. Michael Bock