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Amtsblatt für die Stadt Spremberg/Grodk – Spremberger Anzeiger
Ausgabe 7/2025
Seite 2
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Liebe Sprembergerinnen, liebe Spremberger,

es ist Pfingstmontag, genauer gesagt Nachmittag, und ich bereite mich auf die kommende Woche vor. Dazu gehört auch der Beitrag für die Seite 2 des Amtsblattes. Immer wieder frage ich mich, wen erreiche ich eigentlich, was ist Ihnen wirklich wichtig? Die Diskussionen in der SVV werden von vielen Sprembergerinnen und Sprembergern als Belastung, wenn nicht sogar als Zumutung empfunden, jedenfalls wird mir das so gesagt. Oft mit Kopfschütteln und der Frage: wie halten Sie das aus? Nun, es war und ist ja nie leicht, Bürgermeister/in einer kleinen Stadt zu sein. Da ist man dicht dran an den Menschen. Die große Politik sagt das ja gerne: dicht bei den Menschen! Na, ich könnte Geschichten erzählen, wie ernst das wirklich genommen wird. Deshalb ist es mir so wichtig, ja es ist unverzichtbar, dicht dran zu bleiben an den Menschen. Das ist sehr schwer geworden. Wir erleben geradezu eine inflationäre Entwicklung bei allen möglichen AG´S, Beiräten, Beteiligungsformaten, Sondersitzungen, Arbeitsberatungen und nicht zu vergessen die unendlich vielen Anfragen von Institutionen und Journalisten aus dem In- und Ausland zum Strukturwandel. Und da sitzen ja immer die gleichen Leute, aber selten die Bürger. Oft wird darum gerungen, wer denn nun die Deutungshoheit hat, wer Recht hat, wer bestimmen darf. Oft wird es zum Kräftemessen, auch in der Stadtverordnetenversammlung. Leider hat das Tradition nach Kommunalwahlen. Ich erinnere nur an die unselige Diskussion zur Schwimmhalle. Für einen kurzen Moment war sich eine hauchdünne Mehrheit einig darin, dass die geplante Variante verworfen wird und alles zurück auf Null geht. Nun müssen alle damit leben, dass das Vertrauen der Bürger erschüttert ist. Daran ändern alle Rechtfertigungen nichts. Aber nun wird sie ja gebaut, endlich, wenn auch zu spät, denn bei der ganzen Streiterei hat die Schwimmhalle dann den Dienst verweigert.

Aber zurück zum Thema: wie bleiben wir im Gespräch, also Sie und ich und zwar konkret und direkt? Ich bereite mich heute auch auf die Bürgersprechstunde vor. Was ist da Thema? Ärztemangel! Eine Katastrophe, wirklich! Viele sind wirklich verzweifelt, weinen, weil sie Angst haben nicht mehr versorgt zu werden. Lange habe ich darauf vertraut, dass es ausreicht, den Ärztinnen und Ärzten gute Bedingungen zu bieten. Da haben wir ja wirklich viel geschafft, übrigens weil wir uns einig waren!!! Das Krankenhaus ist in sicherem Fahrwasser, die Bedingungen sind gut, wir erweitern die MVZ, Stadt, Krankenhaus und GeWoBa investieren viel. Trotzdem kommen die Ärzte nicht, bevorzugen die großen Städte. Die Gespräche mit der MUL-CT, also der Medizinischen Universität Lausitz – Carl Thiem, verlaufen sehr vielversprechend, aber es dauert noch lange bis die ersten ausgebildeten Mediziner die Uni verlassen werden. Übrigens, ich kann es mir nicht verkneifen, ohne Kohleausstieg und Strukturwandel hätten wir niemals eine Universität bekommen. Wir müssen also mehr tun, wenn wir den Ärztemangel kurzfristig beheben wollen. Spremberg/Grodk kann das, wenn wir uns einig sind. Ich werde meine Vorschläge machen und hoffe auf breite Zustimmung.

Welche Themen werden noch in der Bürgersprechstunde aber auch bei vielen Begegnungen, wo auch immer, angesprochen? Die Grundsteuer beschäftigt viele und so auch mich in den Gesprächen. Rund um Spremberg/Grodk haben die Kommunen die Grundsteuer erhöht. Anders in Spremberg/Grodk. Es ist natürlich mehr als verständlich, wer zahlt schon gerne Steuern? Jedoch werden uns die Einnahmen über kurz oder lang fehlen.

Etwas hat sich gewandelt in den Gesprächen: die wirtschaftliche Entwicklung steht nicht mehr an erster Stelle. Das ist nun wirklich gefährlich! Man kann nicht so tun, als stehe uns Geld einfach so zur Verfügung. Die ersten Kommunen müssen wieder Haushaltssicherungskonzepte erarbeiten, auch weil der Landeshaushalt, der ja immer noch nicht beschlossen ist, ziemlich desolat ist. Das schlägt auf die Kommunen durch, auch auf uns. Auch wir müssen uns strecken, dürfen uns nicht mehr alles leisten. Aber wir haben uns doch daran gewöhnt, dass die Zuschüsse für die Vereine, die Kultur, die Kinder usw. steigen. Was, wenn das nicht mehr der Fall ist? Wer übernimmt dann die Verantwortung? Die Bürgermeisterin natürlich von Amts wegen. Aber damit ist es ja nicht getan, Verantwortung zu übernehmen, wenn das Kind, in dem Fall der Haushalt, in den berühmten Brunnen gefallen ist. Verantwortung ist, Vorsorge zu treffen, die besten Bedingungen für die Entwicklung der Wirtschaft und des Handels zu schaffen, sofern es in unserer Macht liegt. Ich beobachte, dass da zu sorglos hantiert wird, ich kann es nicht anders bezeichnen. Geradezu sorglos wird mit der Zukunft der kommenden Generation gespielt. Manchmal denke ich, es geht uns zu gut. Manchmal denke ich, hätte ich es doch laufen lassen. Manchmal frage ich mich, wo kommt der Frust her, jetzt, wo es uns doch noch nie so gut ging? Wer hat Antworten auf die Fragen, die nicht nur ich habe?

Bestimmt nicht die Regierung, die, da braucht man gar nicht mit mir diskutieren, zu allerletzt an die Kommunen denkt. Dann sind da noch die „vielseitig Desinteressierten“, die auf den vermeintlichen Fehler lauern, um dann aber mal so richtig die Meinung zu sagen. Die sozialen Medien, aber auch die klassischen Medien sind voll davon. Wer hat das eigentlich gesagt: so eine Zeitung muss ja auch jeden Tag vollgeschrieben werden? War das Schröder? Auch nicht die werden uns die Antwort geben, die nur ihre Ruhe haben wollen, oft im wahrsten Sinne des Wortes. Manchmal frage ich mich auch, wie ich bis heute überhaupt überlebt habe, mit den vielen Umwelteinflüssen denen wir alle ausgesetzt waren.

Was macht Mut? Auf alle Fälle die Gespräche mit Menschen, die sich trauen, ihre Ideen kundzutun, die nicht abwinken und sagen: wird sowieso nichts. Mut macht auch die Anerkennung, die die Stadt für ihre Entwicklung bekommt. Manchmal schwingt ja auch etwas Neid mit. Mut macht die Erkenntnis, dass es überall schwer ist. Vor kurzem habe ich mir ein ganzes Wochenende Zeit genommen und bin der Einladung der Stadt Linz gefolgt. Linz ist seit 50 Jahren im Wandel von einer Stahlstadt hin zu einer Stadt der Vielfalt, einer Stadt, die ein Standort der Bildung und der Hochtechnologie ist, einer Stadt, in der Beteiligung gelebt wird. 50 Jahre! Und auch Linz ist noch lange nicht fertig!

Wir haben gerade erst angefangen, denn die ersten Jahre nach der Wende kann man ja nicht wirklich als Wandel hin zu etwas Besserem beschreiben, abgesehen von den großen Fragen Freiheit und Einheit. Das müssen wir uns immer wieder bewusst machen: die Voraussetzungen sind jetzt da, hart erarbeitet, aber es liegt an uns, was wir daraus machen. Halten wir am Alten fest oder wagen wir das Neue? Sind wir ängstlich oder mutig?

Aber das ist das Allerbeste: das es so viel zu tun gibt!

Ihre Bürgermeisterin
Christine Herntier