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Amtsblatt für die Stadt Spremberg/Grodk – Spremberger Anzeiger
Ausgabe 8/2025
Seite 2
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Seite 2

schon 9 Jahre lang schreibe ich, mit ganz wenigen Unterbrechungen, diese Kolumne auf der Seite 2 des Amtsblattes. Seit einem Jahr ist der Wochenkommentar dazugekommen, manchmal auch häufiger in einer Woche. Dazu kommen unsere online Accounts auf Facebook, Instagram und LinkedIn.

Immer geht es um Information. Welcher Bürgermeister, welche Bürgermeisterin will nicht Positives berichten? Ich mache das sehr gerne.

Diesmal ist es anders. Und das fällt mir nicht leicht, denn es ist nicht gut für das Ansehen unserer Stadt und ich werde bestimmt auch viel Kritik dafür bekommen, aber daran bin ich gewohnt. Konstruktive Kritik ist sowieso ok und oft der Anlass, das Eine oder Andere noch einmal zu überdenken. Das wünsche ich mir aber auch von den Kritikern, egal worum es geht. Niemand von uns ist im Besitz der allein seligmachenden Wahrheit, auch nicht, wenn man ein gutes Wahlergebnis erreicht hat. Das trifft auf mich genauso zu, wie auf die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung. Kompetenz, sachlicher Austausch, Akzeptanz rechtlicher Vorschriften, aber auch die Einhaltung der Regeln eines guten Miteinanders von Verwaltung und politischem Raum gehören zu den Dingen, die unverzichtbar sind bei der Gestaltung unserer Zusammenarbeit und der Arbeit für eine gute Zukunft unserer Stadt.

Ich spreche nun ein Thema an, bei dem ich wirklich hoffe, dass wir alle, die wir von den Sprembergerinnen und Sprembergern gewählt wurden, also die Abgeordneten der SVV, die Ortsbeiräte und die Bürgermeisterin, eine Sprache sprechen und ein deutliches Zeichen setzen.

Ich hoffe für Spremberg/Grodk, dass wir aus der Sprachlosigkeit herausfinden.

Gemeinsam.

Anlass für mein heutiges Thema ist die Verlegung von weiteren 4 Stolpersteinen in Spremberg/Grodk und die feierliche Gedenkveranstaltung für Verfolgte des NS-Regimes in unserer Stadt. Anlass ist auch die Flut von Schmierereien, verfassungsfeindlichen Symbolen, Verherrlichung von Adolf Hitler mitten in der Stadt, eine nie dagewesene Sachbeschädigung und Vermüllung von öffentlichen Einrichtungen. Wo führt DER III. WEG, denn den meine ich mit Sachbeschädigung an öffentlichen Gebäuden, hin? Wer will hier in unserer Stadt „das Sagen haben“? Wie kann es sein, dass die beliebte DDR-Marke Simson Suhl zum Symbol einer rückwärtsgewandten, und zwar sehr weit zurück, Idee wird. Wie kann es sein, dass sich Menschen zurückziehen, weil bekannt ist, dass sie wissen, wer unsere Stadt vermüllt, ihrem Ansehen schadet? Wie kann es sein, dass Lehrer und Schüler aus beiden Oberschulen zu mir kommen, voller Wut und Angst, und mir Dinge erzählen, die ich nicht für möglich gehalten hatte. Wie kann es sein, dass man mich aber gleichzeitig anfleht, doch bloß nichts zu sagen?

Genau in dieser Stimmungslage, unsicher, wie ich als Bürgermeisterin damit umgehen soll, habe ich mir zwei Theaterstücke, aufgeführt von Kindern und Jugendlichen der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Perle der Lausitz angeschaut. Der Saal im Bergschlösschen war voll, die Theaterstücke ergreifend. Die Botschaft: nicht wegsehen, nicht schweigen, nicht weghören! Wir sind doch nicht die berühmt berüchtigten 3 Affen! Und doch ist es genau so schon einmal geschehen, auch in Spremberg/Grodk. Es wurde weggesehen, weggehört, weggeschaut. Die Folgen sind bekannt. Engagierte Ehrenamtliche des Georgenbergvereins haben anlässlich des 80. Jahrestages des Endes des 2. Weltkrieges Tafeln in Spremberg/Grodk aufgestellt, auf denen man sehen kann, was aus unserer Stadt geworden ist, was Hass schon einmal angerichtet hat. Damals, in der Zeit des Nationalsozialismus, herrschte eine Diktatur, alles war gleichgeschaltet. Die Angst regierte. Das kann heute keine Ausrede mehr sein! Jedoch erwarte ich, und mit mir gemeinsam ganz viele Mitbürgerinnen und Mitbürger, dass der Staat auch handelt, eben weil er nicht gleichgeschaltet ist. Wir wollen Antworten haben. Die Zivilgesellschaft alleine kann das nicht leisten, auch wenn da ganz viel in Bewegung gekommen ist. Wir können uns nicht ausruhen auf Beteiligung, auf dem Projekt „Demokratie leben“, wir können uns auch nicht ausruhen auf wirtschaftlichen Erfolgen und auch nicht auf finanzieller Unabhängigkeit. All das ist übrigens vielen auch nichts wert. Es ist selbstverständlich, weil es keine eigene Anstrengung gekostet hat. Weil man es eben einfach mitnimmt, die vielen Vergünstigungen und Unterstützungen, die es gibt.

Jede Umleitung die nicht rechtzeitig bekannt gegeben wird ist wichtiger als das was uns doch bedroht, wirklich, es ist zu einer Bedrohung geworden. Wir reden nicht darüber! Das ist doch schlimm!

Mindestens das habe ich jetzt getan, das Schweigen gebrochen. Ich habe das auch deshalb getan, weil ich so beeindruckt war von der Aktion der Schülerinnen und Schüler der 8. Klassen der BOS, die die Unmenge von Aufklebern des FCE entfernt haben. Deutschlandweit erlangte das Video 100.000 Aufrufe. Viele Kommentare, positive, negative, spöttische, anerkennende Kommentare. So muss das sein! Auch der FCE will nicht in diese rechte Ecke gestellt werden und wir als Stadt, als Stadtgesellschaft, sollten das auch nicht zulassen. Lasst uns darüber reden! Als Anfang!

Ihre sehr nachdenkliche Bürgermeisterin
Christine Herntier