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Stolpner Anzeiger - Amtsblatt der Stadt Stolpen mit den Ortsteilen
Ausgabe 9/2025
Allgemeine Informationen
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Offener Brief der Stadt- und Ortschaftsräte an alle Bürgerinnen und Bürger im Stolpener Land

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

bitte nehmen Sie sich für das Folgende etwas Zeit. Das Thema ist wichtig und betrifft uns alle.

1. Ja zur Energiewende – aber verantwortungsvoll vor Ort

Die Energiewende ist ein gemeinsames Ziel. Auch wir in Stolpen verschließen uns ihr nicht. Erneuerbare Energien können ein Baustein sein, auf dem Weg zum Klimaschutz.

Gleichzeitig gilt:

Was im Grundsatz richtig ist, kann in der Umsetzung falsch gemacht werden!

Der Ausbau darf nicht zu unverhältnismäßigen Eingriffen in Lebensqualität, Gesundheit und Heimatverbundenheit führen. In einem dicht besiedelten und landschaftlich sensiblen Raum braucht es besondere Sorgfalt und Augenmaß.

2. Stolpen ist kein weißer Fleck, unser Beitrag steht

Seit 2001 stehen im Stolpener Land Windenergieanlagen. An zwei Standorten speisen sie (abhängig vom Wind) Strom ein. Damit leistet Stolpen bereits seinen Beitrag.

Wichtig ist: Für bestehende Standorte gelten kommunale Festsetzungen (z. B. Höhenbegrenzungen zum Schutz des Landschaftsbildes und touristisch bedeutender Sichtachsen, insbesondere rund um die Burg Stolpen).

Hinzu kommt: Die bestehende Geräuschkulisse beeinträchtigt bereits heute unmittelbar die Anwohnerinnen und Anwohner. Schon die jetzigen Anlagen zeigen, dass Belastungen nicht abstrakt, sondern konkret spürbar sind. Eine Vergrößerung oder Vervielfachung solcher Anlagen würde diese Situation deutlich verschärfen.

Darüber hinaus sehen wir die Belastungsgrenzen unserer Region erreicht. Das gilt auch innerhalb des Stadtgebietes: Das Stolpener Land darf nicht überproportional belastet werden.

3. Was derzeit vorgesehen ist, gefährdet die Landschaft und unser Zusammenleben

Nach aktuellem Stand werden Anlagen, verschiedene Windparks mit bis zu 285 m Gesamthöhe geprüft. Zudem sind bevorzugt markante Höhenzüge vorgesehen, bewaldete Kuppen, exponierte Hänge, weithin sichtbare Geländerücken.

Besonders problematisch ist: Es gibt gegenwärtig keinerlei verbindliche Höhenbegrenzung. Während bislang schon 285 m geplant werden, wird in anderen Bundesländern bereits die nächste Anlagengeneration getestet, etwa in Schipkau (Brandenburg) mit Bauhöhen von rund 400 Metern. Diese Dimensionen übersteigen alle bisherigen Vorstellungen und würden unser Landschaftsbild vollends dominieren.

Fachliche Hinweise zeigen schon heute, dass Bauhöhen von über 130 m das historische Erscheinungsbild der Burg Stolpen beeinträchtigen können. Was aber würde geschehen, wenn in Zukunft 300 oder gar 400 m hohe Anlagen beantragt werden?

Absehbare Probleme solcher Entwicklungen:

massive Dominanz im Landschaftsbild, sichtbar über weite Entfernungen,

drastische Verstärkung der psychischen Belastung durch „Überhöhung“ der Umgebung,

erhebliche Konflikte mit Tourismus, Erholung und Kulturlandschaftsschutz,

Unklarheiten im Recht, da es keine klaren Grenzen für Maximalhöhen gibt.

Damit ist klar: Es geht nicht allein um einzelne Projekte, sondern um die grundsätzliche Frage, welche Größenordnung wir unserer Region überhaupt zumuten wollen.

4. Der Rechtsrahmen, was der Stadtrat leisten kann und was nicht

Häufige Frage: „Kann der Stadtrat das nicht einfach verbieten?“ – Leider nein. Windenergie ist im Außenbereich privilegiert, sofern gesetzliche Voraussetzungen (u. a. Mindestabstand von 1.000 m zur Wohnbebauung, Erschließung) erfüllt sind. Verweigert die Stadt das gemeindliche Einvernehmen, kann es durch die untere Bauaufsichtsbehörde (LRA) ersetzt werden.

5. Geordnete Planung statt Vorgriffe

Die Regionalen Planungsverbände sollen festlegen, wo Windenergie möglich ist und wo nicht. Diese Abwägung benötigt Beteiligung und Zeit. Wenn Investoren schon jetzt Anträge platzieren, bevor klare Festlegungen bestehen, entsteht faktisch ein Bau- vor dem Planungsprozess, verbunden mit spürbarem Druck auf Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer.

6. Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer, Ihr Einfluss ist entscheidend

Ohne Flächen keine Anlagen. Ihre Entscheidung, zu verpachten, zu veräußern oder abzulehnen, hat öffentliche Wirkung. Sie verändert Landschaft, Nachbarschaften und das Zusammenleben. Rechtlich ist die Entscheidung privat, in ihren Folgen betrifft sie jedoch viele. Bitte wägen Sie private Vorteile und öffentliche Belange sorgfältig ab.

7. Bitte über den eigenen Zaun hinausschauen

Pachtangebote können verlockend sein. Zugleich entstehen Konflikte, wenn einzelne zustimmen und Nachbarn ablehnen: zerschnittene Landschaft, belastete Beziehungen, Spannungen im Ort.

Stellen Sie sich eine einfache Frage:

-

Würde ich heute ein Haus in unmittelbarer Nähe zu einer 285-Meter-Anlage bauen?

Wenn nein, sprechen gute Gründe dafür, auch bei einer Flächenüberlassung sehr zurückhaltend zu sein. Wir tragen Verantwortung, für uns, unsere Kinder, unsere Gäste und alle, die bleiben wollen.

8. Stolpen und seine Ortsteile sollen Orte zum Leben bleiben

Wir leben gern hier, wegen Landschaft, Ruhe und Gemeinschaft. Ein Wildwuchs großer Anlagen, Windparks würde nicht nur technisch eingreifen, sondern auch sozialen Sprengstoff in die Dörfer tragen. Wo zu viele sehr hohe Anlagen, Windparks auf engem Raum entstehen, droht der Charakter eines Industrieareals. Das schadet Anziehungskraft, Gastfreundschaft und Heimatgefühl.

9. Gemeinwohl vor Einzelinteresse, bewährter Grundsatz

Der Bundesgerichtshof hat 1967 betont: Die Nutzung des Bodens ist keine rein private Angelegenheit. Boden ist nicht vermehrbar und Grundlage unseres Zusammenlebens. Darum braucht es Verantwortung auch über die eigene Parzelle hinaus.

10. Unsere Bitte

Treffen Sie Entscheidungen mit Blick auf das Ganze. Sagen Sie nein zu zusätzlicher Überbeanspruchung unserer Höhenzüge. Sollte die übergeordnet vorgegebene Flächenkulisse auf Landes- und Bundesebene maßvoll reduziert werden, kann Verträglichkeit neu geprüft werden; derzeit sehen wir unser Stolpener Land deutlich überfordert.

Zeigen wir gemeinsam Haltung, für ein lebenswertes, friedliches und gesundes Stolpener Land.

Ohne Grundstücke keine Windkraft!

Ohne Ihre Zustimmung keine weitere Überformung unserer Landschaft!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Vertrauen.

Sprechen Sie bitte mit uns – bevor andere über uns hinweg entscheiden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Stadträtinnen/Stadträte und
die Ortsvorsteher der Stadt Stolpen

Gezeichnet durch:

Roman Lesch

Ronald Leideck

Thomas Nöpel

Richard Säuberlich

André Henke

Sven Wehner

Anne-Katrin Jahn

Sven Böhmer

Ralf Steglich

Torsten Kramer

Michael Walther

Tino Wehner

Kai Hemmerlein

Karl Kleinstäuber

Madlen Zumpe

Richard Säuberlich

Wolfram Albert

Sören Karsch