Unmittelbar über der Bahnstation Obervogelgesang ragt am Elbausgang des Struppenbachtales ein Felsenriff auf, dessen nach Norden gerichtete Spitze als Königsnase bekannt ist. Die Bezeichnung Königsnase finden wir noch für das östliche Felsenhorn der Festung Königstein und für einen Felszacken im Rathener Gebiet.
Die Struppener Königsnase will laut mündlicher Überlieferung geheimnisvoll Glauben an einen unterirdischen Gang von der Königsnase bis zum Schloss Struppen (Kirche) und zur Festung Königstein erwecken.
Mitglieder des Schlossvereins Struppen e. V. haben am 6. November 2013 den untersten Gewölbekeller erforscht und untersucht. Neben erheblichen Mengen an Bauschutt, der jetzt vermauerten Zugangstreppe, einem sandsteingefassten Wasserloch und einer schmalen Innentreppe fanden sich keine Spuren von vermauerten Gängen oder Stollen. Damit könnte man den unterirdischen Gang Königsnase – Schloss Struppen – Festung Königstein in das Reich der Sagen ablegen. Die Königsnase selbst lässt bei näherer Untersuchung die Realität eines geheimnisvollen Ganges wieder aufleben.
Wenn man von der Bahnstation Obervogelgesang aus aufsteigt, erblickt man von halber Höhe aus ein riesiges, markantes Sandsteinprofil. In einem Artikel der Zeitschrift „Der Fahrgesell“ vom 15. Februar 1925 von R. H. Viebach kann man lesen:
„Wer von der Steinbank oben ein wenig schräg ab über einen kleinen Steg und einige Blöcke hinab nach Norden vorklettert, gewahrt hinter einem Felskopf eine etwa 12 qm starke Vermauerung einer Kluftsohle. Und wer sich oben von der Steinbank und der Elbaussicht weg nach Süden wendet, der sieht 25 Schritte vor sich am Rande der Fichtenschonung ein etwa 6 qm großes, ½ m tiefes, seitlich ½ m hoch aufgemauertes Geviert, im Süden durchbrochen von einem zu etwa 2/3 vom Boden her verschütteten Eingang eines rohschichtigen, sturzverdämmten Mauerwerkes. 2 m dahinter kann man sich durch eine Einsturzöffnung von oben her etwa 2 m tief und 4 ½ m weit hinabzwängen. Dann gebietet eine quer vorgestürzte Wand leider rasch Halt. Folgt man dagegen von der Steinbank weg dem hart am Elbtalrande hinführenden Wege, so trifft man etwa nach 60 Schritten zur rechten Hand, etwas innerhalb der Schonung auf nordsüdlich laufende Senkmulden und in diesen auf zwei etwa 15 Schritt von einander entfernte Einstiegslöcher zu einem durchaus rohwandigen und unebenen Gesteinsstollen. Diesen Stollen kann man durch die erste, nach Westen offene, nur ¾ m hohe Öffnung 7 ½ m weit in knapp 1 ½ m Höhe und Breite begehen, während die südlichen, nach Osten offene, nur ebenso große, ca. 2 m tiefe Einsturzstelle in einen Gang führt, der sich nach 6 ½ m in einen oberen, noch 3 m weiter reichenden und einen etwas tieferen, noch 5 ½ m langen Zweitstollen teilt. Diese beiden, vielleicht nur durch späteren Einsturz getrennte Gänge sind bis zu 2 ½ m hoch und liegen 4 – 5 ½ m unter der Hochfläche der Königsnase. Sie führen heute zwar rechts des Weges, aber doch bis dicht an die Außenwände heran, lagen früher indessen um etwa Steinbruchbreite weiter rand-innen. Denn der Felsblock der Königsnase, ehemals nach beiden Tälern hin weiter vortretend, hat durch den Steinbruchbetrieb (Mitte 19. Jahrhundert bis Anfang 20. Jahrhundert) eine bedeutende Flankenschmälerung erlitten. Fest versackte Gesteinsmassen verwehren ein weiteres Vordringen in die Tiefe der Stollen. Doch ist die Erdoberfläche oben von Sturzmulden, -trichtern und -gräben über eine Fläche von etwa 300 qm derart auffällig durchzogen, dass der Umfang des unterirdischen Gangwerkes sich danach ungefähr abschätzen lässt.“
Öffentliche Warnung:
Besonders Kinder und Jugendliche sollten vom Erforschen des Stollensystems der Königsnase Abstand nehmen. Es besteht L E B E N S G E F A H R!
Da der unterirdische Gang Königsnase – Festung Königstein als Bauwerk unreal ist wird weiter spekuliert:
Handelt es sich hier um Arbeiten oder Vorarbeiten eines frühgeschichtlichen, sorbischen oder fränkischen Befestigungsversuches? Folgt man hier dem Berggeschrei aus dem Erzgebirge und grub in spätmittelalterlicher Zeit wie überall in der Sächs. Schweiz nach Gold und Silber? Da die Königsnase auch eine strategische Bedeutung hatte, dürfte sie kaum ohne Befestigungen, Verhaue, verdeckte und unverdeckte Gräben gewesen sein. War die Königsnase ehedem ein Ausguck oder eine Warte der Sorben, ein Stützpunkt der Franken oder ein Vorposten der Festung Königstein? Die Auflösung all diese Fragen bleibt wohl nachfolgenden Generationen vorbehalten.
Ungeachtet dessen sind viele Ereignisse „um die Königsnase herum“ geschichtlich belegt. Hier eine kleine Auswahl in chronologischer Reihenfolge:
1539 wird die Ansiedlung von „sieben Häuslein“ als „Königsnase“ (heutiges Obervogelgesang) genannt, welche 1548 nach Struppen pfarrt und seit ca. 1550 dem Rittergut Klein Struppen zugehörig ist. Die Elbe spielt schon immer eine Hauptrolle im Konzert der Ereignisse um die Königsnase. Erinnert sei hier an die Jahrhunderthochwasser 1845 und 2002. In strengen kalten Wintern war der Fluss zugefroren und konnte zu Fuß überquert werden, letztmalig wohl 1946/47.
Am 6. August 1837 fuhr das 1. Dampfschiff, die „Königin Maria“ von Dresden kommend bis Rathen und zurück zwei Mal an der Königsnase vorbei. Zwei Tage später nahm auch die „Prinz Albert“ die regelmäßigen Dampfschifffahrten auf der Elbe auf. Zwar hatten Fischer, Fährleute, Schiffer und „Bomätscher“ (Schiffszieher) schlimme Schimpf-, Droh- und Spottworte gegen die neumodischen Teufelsdinger ausgestoßen, aber die in Dresden erbauten Schiffe bewährten sich. Beinahe hätten sich die Jungfernfahrten verzögert, hatte man doch vergessen Schiffsjungen als wichtigen Bestandteil der Besatzung einzustellen. So wurden kurzfristig Zöglinge der Soldaten-Knaben-Erziehungsanstalt Klein-Struppen als Schiffsjungen verpflichtet. So fuhren Adolf Bach aus Dresden auf der „Königin Maria“, Wilhelm Schneider aus Schmorkau auf der „Prinz Albert“ und Julius Köhler aus Königstein auf der „Dresden“ unter Kapitän Keilig, der ebenfalls aus Königstein stammte.
Die Eisenbahnstrecke zwischen Pirna und Königstein wurde am 9. Juni 1850 in Betrieb genommen. Dem voraus ging der Bau der Millionenmauer (ca. 1,5 km zwischen Obervogelgesang und Pötzscha) zum Schutze der Bahnanlagen vor Erdrutschen und Felsstürzen von der Königsnase.
Die Steinbrecherei an beiden Flanken der Königsnase ist seit 1412 dokumentiert und wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eingestellt. Am 9. März 1902 verunglückte durch Absturz im Steinbruch Klein-Struppen Friedrich Max Saupe, Gefreiter der 6. Komp. des 12. Inf.-Reg. Nr. 177 im Alter von 22 Jahren tödlich. Damals stand ein Steinbrecher-Gebäude noch in der Nähe der sogenannten „Räuberstufen“.
Nach dem 9. Mai 1945 entstand am Ortsausgang von Struppen links der Straße nach Obervogelgesang in den Eichen ein Feldlager der Roten Armee.
Ein grausames Verbrechen geschah am 11. Oktober 1945 am Weg vom Bahnhof Obervogelgesang zur Königsnase unterhalb einer 8 m hohen Felswand. Hier erschlug der Bäckermeister Hans Weise aus Pirna seine Frau Gertrud. Die Leiche wurde erst im Februar 1946 entdeckt und von Einwohnern vor Ort begraben. Im Zuge staatsanwaltlicher Ermittlungen erfolgte 1953 die Exhumierung. Die Kripo Pirna ermittelte im Umfeld einer Dreiecksbeziehung, kann aber des mutmaßlichen Täters nicht habhaft werden. Hans Weise stirbt bereits am 15. März 1947 im NKWD-Lager Bautzen, wo er wegen anderen Delikten einsaß. Die Polizeiakten des Hammermörders von der Königsnase wurden damit geschlossen.
Auch die Neuzeit schreibt Geschichte. So verkaufte die BVVG Bodenverwertungs- und Verwaltungs- GmbH Berlin am 20. Oktober 2002 die Bärensteine mit den Wäldern zwischen Weißig, Naundorf und Obervogelgesang einschließlich der Königsnase an Privat. Die Privatisierung löste viele öffentliche Diskussionen aus. Inzwischen wurden die damit verbundenen Einschränkungen von den Institutionen und der Bevölkerung hingenommen.
Die Königsnase selbst mit ihrem Bestand an Eichen, Buchen und Fichten und mit dem herrlichen Blick auf die Elbe bleibt ein empfehlenswertes Ziel für Tageswanderungen und Wochenendausflüge und ist mit dem Malerweg Bindeglied zwischen der Kreisstadt Pirna und der Sächsischen Schweiz.
Das Porträt eines unbekannten Elbeschiffers meißelten vermutlich Arbeitslose aus Struppen während der Weltwirtschaftskrise um 1925 in eine Felswand der Königsnase. Es ist seit etwa 1970 nicht mehr vorhanden.
Die Tanzfee Frau Minna verw. Lichtenberger geb. Haubold, Obervogelgesang Nr. 15 a begrüßte seit Jahren mit einem roten Sonnenschirm die Schiffe. Kommt aber das Konzertschiff, so riskierte die alte Dame ein regelrechtes Tänzchen. – Aufnahme von 1932 –
Quellen:
Der Fahrgesell 1 1925 / 160 Jahre Elbedampfschifffahrt
v. H. Taubitz / Chronik Ortsverein v. 2007 / SZ 24. Oktober 2016/
Eigene Sammlung