Robert Sterl, Der Bürgermeister von Holzburg, 1894, Bleistift, Robert-Sterl-Haus, Struppen OT Naundorf, Inv.-Nr. Z 1014
„Ihre Sehnsucht nach Willingshausen muss nicht sehr lange angehalten haben, sonst hätten wir Sie doch schon längst in unserem Schosse aufgenommen […]“, mutmaßt 1893 der hessische Künstler Carl Bantzer (1857-1941) in einem Brief an seinen Freund und Malerkollegen Robert Sterl (1867-1932). Willingshausen ist ein kleiner kurhessischer Ort nahe Marburg in der sogenannten nach dem gleichnamigen Fluss benannten Schwalm. Abgeschieden und ländlich geprägt, zog es bereits im 19. Jahrhundert zahlreiche, der Industrialisierung überdrüssig gewordene Künstler in den Ort und die Umgebung. Mit ihrem Gründungsjahr 1824 feiert die Künstlerkolonie Willingshausen in diesem Jahr nicht nur 200. Jubiläum, sondern zählt auch zu den ältesten in ganz Europa. Von Anfang an haben sich die Künstler neben der Natur, vor allem für die aufwendige Schwälmer Tracht und Festtagskultur begeistert.
Carl Bantzer stammte aus der Schwalm und war überzeugtes und prägendes Mitglied der Willingshausener Malerkolonie. In Dresden bemühte er sich erfolgreich um den Aufbau einer ähnlichen Gruppe von Freilichtmalern, die südlich von Dresden in Goppeln gemeinsam ihre Motive suchten. Heute ist diese Gruppe junger Künstler, zu denen neben Robert Sterl beispielsweise auch Wilhelm Georg Ritter (1850-1926) oder Paul Baum (1859-1932) gehörten, als Goppelner Malerschule bekannt.
Im Jahr 1892 folgte Sterl einer Einladung seines Freundes Bantzer nach Willingshausen. Die Malerkolonie selbst konnte den jungen Künstler nicht auf Dauer halten, die Schwalm besuchte Sterl jedoch auch in den kommenden Jahren immer wieder einmal. Die aktuelle Sonderausstellung im Robert-Sterl-Haus ist den, in der Schwalm entstandenen Werken Robert Sterls gewidmet. Neben einer Auswahl eindrucksvoller Porträts von Personen in Schwälmer Tracht, zeigt die Ausstellung vor allem Darstellungen von Schäfern, Hirten und Handwerkern. In der Schwalm entdeckte der junge, gerade erst mit dem Studium fertig gewordene Sterl die sachliche Darstellung der Arbeit künstlerisch für sich und setzte damit den Grundstein für seine späteren, bekannten Steinbrecherbilder. Robert Sterls Aufenthalt in Willingshausen und der Schwalm war somit zwar zeitlich gesehen nicht langfristig aber dennoch ein wichtiger Impulsgeber für sein späteres Schaffen.
1893 entdeckte Robert Sterl dann wiederum auf Empfehlung Carl Bantzers das kleine hessische Wittgenborn bei Wächtersbach, etwa 80 Kilometer südlich von Willingshausen, für sich. In den folgenden Jahren entstehen zahlreiche Bilder der Landschaft sowie der dort ansässigen Töpfer und Bauern. 1899 kauften sich Sterl und seine Frau sogar ein kleines Haus in Wittgenborn. Willingshausen und die Schwalm waren somit für Robert Sterl der Auftakt einer jahrelangen tiefen Verbundenheit mit „Hessen“.
Die Ausstellung ist am 01. Mai feierlich eröffnet worden und noch bis zum 21.07.2024 im Robert-Sterl-Haus, donnerstags bis sonntags, 9:30 – 17:00 Uhr zu besichtigen. Führungen können nach Absprache gerne auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten stattfinden. Am Samstag, den 22.06.2024, wird um 10:30 Uhr eine öffentliche Führung durch die Sonderausstellung angeboten. Am Sonntag, den 21.07.2024, findet um 16:00 Uhr die Finissage der Ausstellung statt.
Außerdem kann in den Räumen der Sonderausstellung ein kürzlich restaurierter Waschtisch aus dem Nachlass Robert Sterls nach langen Jahren „neu“ entdeckt werden. Das Möbel musste aufgrund verschiedener Schäden jahrelang ein Schattendasein führen.