Heutzutage ist es nicht einfach, in Vetschau Kleidung zu kaufen, aber das war mal ganz anders: Modehaus Bartsch, Modewaren Lindmüller, Tanaskowitzsch Kaufhaus, später Haus der Dame, Haus des Herren, Bailow, nach der Wende Indeed, BB Moden, Modeboutic Hedda, NKD und KIK.
Wie war das zu DDR-Zeiten? Als die Jeans noch Nietenhose hieß.
Als Ausdruck von Freiheit und Rebellion war die DDR-Jugend heiß auf Jeans. Doch die waren politisch lange nicht akzeptiert. Jeans galten als die „Hosen des Klassenfeindes“. Aber irgendwann liefen Chris Doerk und Frank Schöbel als junge Stars mit solchen Nietenhosen durch DEFA-Musikfilme. Die DDR erfand mit "Wisent" und "Boxer" eigene Jeans-Marken. Wer in den 50er- und 60er-Jahren in Jeans gekleidet zur Schule kam, musste sich die Frage gefallen lassen, wie es denn mit seinem Klassenstandpunkt aussehe. Später wurde es lockerer gesehen.
Textilien in der DDR hatten eigenartige Namen wie „Lederol“ (ein synthetischer Leder-Ersatz-Stoff), „Dederon“ (eine Wortschöpfung aus DDR und Nylon) oder “Wolpryla„ (Polyacryl-Garne zum Stricken), "Präsent 20", Grisuten, waren Versuche der Textilindustrie, mit neuen preiswerten Fasern mehr Farbe und Qualität in den Handel zu bringen. Den von den Käufern erwarteten West-Chic aber lieferten sie nicht.
Eine Lösung dieses Problems sollte das 1970 gegründete Volkseigene Produktions- und Handelsunternehmen "Exquisit" bringen, dass die Bevölkerung "mit Bekleidungserzeugnissen mit hohem Gebrauchswert und moderner Gestaltung im oberen Preisgenre" versorgen sollte.
Es ging auch anders.
Eine Nähmaschine gehörte schließlich zum Inventar eines jeden DDR-Haushalts. Mangels hochwertiger Stoffe griff man oftmals zu (frischen) Baumwollwindeln und Bettlaken und nähte sich Kleider oder Hosen nach, auf die man in Zeitschriften oder Filmen aufmerksam geworden war.
Es gab wunderbare Leinenstoffe, nur waren das Bettlaken. Man hat sie einfach gekauft und gefärbt und daraus Jacken, Röcke, Hemden und Blazer gemacht, Stoffwindeln waren ideale Textilien für leichte Sommerblusen und Sommerkleider. Junge Frauen leierten ihren Großmüttern ihre bestickte Leinenunterwäsche aus den Rippen, um daraus Sommerkleider zu nähen. Möbelbezugsstoffe waren beliebt, um daraus Jacken herzustellen. Lederabfälle, die bei der Textilproduktion entstanden, wurden zu Röcken und Jacken verarbeitet, aus Bast wurden Taschen gehäkelt. Sogar Scheuerlappen wurden umfunktioniert. Wegen ihrer weichen Struktur waren sie bestens als Innenfutter von Jacken geeignet. Es wurde gestrickt und gehäkelt, was das Zeug hielt. Auch Accessoires waren Mangelware. Deshalb griffen findige Frauen zum Beispiel auf Apfelkerne zurück, aufgefädelt ergaben sie eine schicke Kette. Kupferdraht wurde zu Ohrringen, Armbändern und Ketten verarbeitet. Aus Metallabfällen aus der Produktion wurden Broschen gefeilt und gehämmert. Selbst Knetmasse machten sich die Kreativen zu eigen: Suralin war der Grundstoff für eine Vielzahl von Schmuckgegenständen. In Modezeitschriften wie "Sibylle" oder "Pramo" gab es Schnittmuster. Vor allem die "Sibylle"-Schnittmuster waren heiß begehrt und wurden zum Teil weitergegeben bis sie auseinanderfielen. Auch begehrt: die aus der Bundesrepublik eingeschmuggelten Modehefte wie "Burda" und "Brigitte" als Vorlage für schicke Kleidungsstücke.
Ja selbst war die Frau, vielleicht wird das mal wieder so, denn selbst in den Großstädten schließen immer mehr Bekleidungsgeschäfte. Ganz zu schweigen von Warenhäusern. Internet ist zwar angesagt, selbst aus Fern-Ost werden die Angebote immer mehr und günstiger. Aber die Qualität? und was ist da mit dem ökologischen Fußabdruck?
Eins ist erfreulich, wegen der Nachhaltigkeit entstehen Second-Hand und Vintage Shops.
Selbermachen ist auch wieder angesagt.