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Vetschauer Mitteilungsblatt - Neue Vetschauer Nachrichten (Amtsblatt)
Ausgabe 3/2023
Wissenswertes
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Der Erwerb des Schlosses in Vetschau durch die Stadtgemeinde im Jahre 1920

„Am 3. Februar 1920 erwarb die Stadtgemeinde von dem Besitzer Dr. Schwarzenberger das Schloss Vetschau mit Vorwerk Belten. Auf Beschluss der städtischen Körperschaften erfolgte die Freigabe und Eröffnung des Schlossparkes – jetzt Stadtgarten – am 1. Pfingstfeiertag 1920, vormittags 11 ¼ Uhr. Zu dieser Feier hatte sich eine sehr zahlreiche, mehr als tausend Personen zählende Menge eingefunden. Pünktlich eröffnete Stadtverordnetenvorsteher Dr. Kuschel die Feier mit einer Ansprache, in der er nachwies, daß die städtischen Körperschaften diesmal die Gelegenheit nicht ungenutzt vorübergehen lassen konnten, daß Schloß Vetschau mit den Patronatsrechten für die Stadt zu erwerben. Wie schwierig die Verhandlungen sich auch stellten, es gelang. Die durch den Weltkrieg für Deutschland so folgenschwere Zeit kann uns nicht veranlassen, glänzende Feste mit rauschenden Tänzen zu feiern, daher haben sich die städtischen Körperschaften dahin geeinigt, schlicht und einfach, aber würdevoll in Gottes schöner Natur die Feier zu begehen. Bisher dürften wir den schönen Schloßpark wohl von außen sehen, aber nicht betreten. Nachdem die Stadt aber Besitz von ihm ergriffen hat,

soll er jetzt der Allgemeinheit dienen. Alt und jung, Kranke und Gesunde, alle sollen sich an dem schönen Fleckchen Erde erfreuen und für Geist und Körper Gesundheit und Frohsinn atmen. In unserem materialistischen Zeitalter ist die Rückkehr zur Natur eine Notwendigkeit.

Mit den Dichterworten: „Wer sich über alles freut, Hat nicht Zeit zu klagen, Tausend Freuden hat die Welt, Nicht nur tausend Klagen!“, schloß er seinen mit starkem Beifall der Versammelten belohnten Vortrag. Sodann erklärte er mit der Übergabe des Schlüssels an das Stadtoberhaupt, Bürgermeister Rohde, den Schloßpark für eröffnet. Bürgermeister Rohde dankte Stadtverordneten und Magistratualen für die tatkräftige Mitarbeit zur Erlangung des schönen Besitztums und bat, alles daran zu setzen, daß dasselbe Eigentum der Stadt bleibt zu Nutz und Frommen der Einwohnerschaft. Dann lud er zur Besichtigung des Schlosses und der Parkanlagen ein und schloß seine Ausführungen mit einem dreifachen Hoch auf Vetschau und seine Bewohner. Unter Vorantritt der Musikkapelle marschierte der Zug zum Schloßportal. Hier ergriff Bürgermeister Rohde wiederum das Wort und zeigte in einem historischen Rückblick die hauptsächlichsten Eigentümer des Schlosses bis zur Jetztzeit:

Vor Beginn des Schmalkaldischen Krieges gingen Schloß und Stadt Vetschau im Jahre 1540 an Eustachius von Schlieben über. Er baute ein neues – das jetzt vor uns stehende – Schloß, legte einen großen Küchengarten an und trat sehr für seine Untertanen ein. Im Jahre 1560 starb Eustachius, und die Herrschaft ging in den Besitz seines Sohnes Michael über. Im Jahre 1619 brannte Vetschau vollständig nieder: ob und wieviel das Schloß dabei in Mitleidenschaft gezogen wurde, konnte ich nicht ermitteln. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts scheint die Familie Schlieben verarmt zu sein, denn im Jahre 1687/88 unterlag die Herrschaft Vetschau der Versteigerung. Sie wurde durch Christian Dietrich von Schlieben für 1700 Taler an Moritz Wilhelm Herzog von Sachsen verkauft, welcher Vetschau im Jahre 1712 an den Hofmarschall von Tümling weiter veräußerte. In dieser Zeit scheinen sich die Geldverhältnisse der Familie Schlieben gebessert zu haben, denn schon 1715 kauft Michael von Schlieben sein Besitztum wieder zurück. Er ließ seine Güter Vetschau-Schloß, Belten und Suschow abschätzen und gab sie vom 23.7.1721 ab an die Herzogin Emilie Agnes zu Sachsen-Weißenfels-Drehna. Diese Besitzerin schloß am 8. Oktober 1721 einen Vertrag mit einem Bunzlauer Baumeister, wonach dieser das Schloß – oder wie es im Vertrage heißt – das alte Haus – niederreißen und ein neues aufbauen sollte. Der Vertrag wurde jedoch umgestoßen und laut Vertrag vom 11. Juni 1722 dahin umgeändert, daß nur Reparaturen vorzunehmen seien, welche im Jahre 1728 vollendet wurden. Somit wurde der alte ehrwürdige Bau gerettet und gleichzeitig durch Ausbesserungen aus seinem verwahrlosten Zustande gerissen. Am 15.Oktober 1729 starb die Besitzerin.

Nunmehr gelangte Vetschau in den Besitz des Reichsgrafen Erdmann von Promnitz. Unter ihm wurde der erste Besitzer des Schlosses - Christian Dietrich von Schlieben – in der wendischen Kirche beigesetzt. Nach dem Tode des Grafen Erdmann von Promnitz (1745) trat dessen minderjähriger Sohn Seyfried den Besitz an unter Vormundschaft seiner Mutter. Nach Seyfried übernahm die Güter sein Bruder Johann, der im Jahre 1785 starb, und das Besitztum fiel an Agnes Sophie Gräfin von Reuß. Durch Vertrag vom Jahre 1794 wurde Besitzer Graf Ludwig Ernst zu Lynar, dem im Jahre1807 der Fürstentitel verliehen wurde. Im Jahre 1815 wurde die Niederlausitz und somit auch Vetschau durch den Wiener Friedensvertrag vom 18. Mai 1815 dem preuß. Staate einverleibt und dem Regierungsbezirk Frankfurt a/O. zugewiesen. Vetschau gehörte um diese Zeit dem Grafen Otto Heinrich zu Lynar, welcher es im Jahre 1842 an den Grafen Pourtales mit Schloß, Belten und Suschow verkaufte. Von diesem ging der Besitz durch Kauf an Herrn Kreitling, demnächst an die Herren Siegmund und Gühne über. Von letzterem kaufte am 5. September 1879 Albert Graf zu Lynar das Rittergut nebst seinem Zubehör für den Preis von 564000 Mk. Nachdem wurde Besitzer Graf Maximilian zu Lynar. Am 1. Oktober 1912 erwarb das Gut Vetschau usw. der Hauptmann Wirth, und die Stadt Vetschau kaufte es am 3. Februar 1920 bekanntlich von dem Dr. Schwarzenberger. Vetschau erhielt die Preuß. Städteordnung am 17. März 1831 verliehen. Wahl der Stadtverordnetenversammlung am 11. Oktober 1831, neun Stadtverordnete: Zimmer, Belten, Blütchen, Noack, Richter, Schlegel, Schulze, Blütchen und Braunsdorf. Wahl des Magistrats am 12. März 1832.

Einsetzung und Einführung des neu gewählten Bürgermeisters Hanisch und der 3 gewählten Ratmänner: Kaufmann Müller, Kaufmann Rocher und Bäckermeister Klahre.

V e r b i n d u n g d e r S t a d t m i t d e m S c h l o ß V e t s c h a u

Das Wappen der Stadt wurde durch den damaligen Schloßbesitzer Eustachius von Schlieben bald nach 1548 entworfen und vom Könige genehmigt. Das Wappen ist dem Schliebenschen nachgeahmt worden. Die schachweise angeordneten Fächer sind dem Schliebenschen Wappen entnommen; sie deuten deshalb auf das Herrschaftsverhältnis des Hauses Schlieben zu Vetschau hin. Der Hund auf der linken Hälfte des Wappens soll das Sinnbild der Liebe und Treue darstellen, die die Bürger Vetschaus allzeit ihrem Gutsherrenhause zeigten. Sie sollen sich glücklich und zufrieden unter der Herrschaft ihrer Gutsherrn gefühlt haben. Ferner gab Bürgermeister Rohde kund, daß das Magistrats- und Polizeibüro, Standesamt etc. hier nach dem Schlosse und zwar in das Kavalierhaus gelegt werden müssen. Wenn das für die Einwohner auch etwas unbequemer sei, wäre es infolge der Wohnungsnot und der so teuren Baukosten nicht zu umgehen. Die Sitzungen der städtischen Körperschaften würden fernerhin im Schloßsaale stattfinden. Während das Publikum zur Besichtigung des Schlosses und Parkes dahin strömte, begann das Gartenkonzert. Das wunderbare Wetter zog noch immer mehr Besucher herbei, und auch die harmonischen Klänge der Andraeschen Stadtkapelle sorgten dafür. Konzertarie „Geisterwachen“ von Andrae jun. war ganz dazu angetan, die Geister des alten Schlosses, der alten Kastanie vor dem Schlosse, der hunderjährigen Eichen, Ulmen, Eschen, Erlen usw. erwachen zu lassen, ihr Rauschen erzählte von entschwundenen Zeiten. Jeder der vielen Besucher, der im Parke lustwandelte, fühlt die Bedeutung des denkwürdigen Tages und wird sie in Erinnerung bewahren.“

(entnommen aus dem Kreiskalender Calau, Cottbus, Spremberg von 1921).

F. d. R. der Abschrift:
Hartmut Bott