Knabenschule mit Jugendherberge
Mädchenschulhaus
Solche Entschuldigungszettel waren zu dieser Zeit keine Seltenheit.
Das man zur Schule gehen kann und damit kostenlosen Zugang zu Bildung erhält, ist ein großes Privileg, das in vielen Teilen der Welt noch immer nicht selbstverständlich ist.
Lästige Schulpflicht, viel zu viel Lernstoff und ein starres und strenges System – über die Schule wird viel und gerne geschimpft.
Das moderne Schulsystem, von dem auch ärmere Schichten profitierten, ist vergleichsweise jung und wurde zunächst eher abgelehnt. Schließlich fehlten Kinder als Arbeitskräfte auf dem Feld und bei Hausarbeiten, wenn sie die Schule besuchten.
Die allgemeine Schulpflicht besteht erst seit 100 Jahren. Sie wurde 1919 in die Weimarer Reichverfassung aufgenommen, sodass es nach und nach zu einer flächendeckenden Bildung aller Menschen kam. Der Leitspruch vieler Schulen lautete: “Gerade sitzen, Ohren spitzen, Hände falten, Schnabel halten!”
Und in Vetschau?
Das erste Schulgebäude in Vetschau auf dem Kirchplatz im Schatten des mächtigen Turmes war nach dem Ende der Schrecken des Dreißigjährigen Krieges erbaut - eine Einklassenschule. 1692 sollte an ihre Stelle eine Zweiklassenschule treten, aber erst 1734 konnte der Plan in die Tat umgesetzt werden. 1882 war es, als das 150 Jahre alte Zweiklassengebäude ersetzt wurde, an derselben Stelle an der Westseite der Kirchen. Aber schon 15 Jahre später hielt auch dieser Bau den Erforderlichkeiten nicht mehr stand. Über die ganze Stadt verstreut wurde in angemieteten Räumen unterrichtet. Der Ruf nach einer neuen Schule wurde unüberhörbar. Zwar wurden die Mädchen weiterhin in der Schule am Kirchplatz unterrichtet, die Knaben bekamen 1897 ihr neues Schulhaus (später Gymnasium, jetzt Bürgerhaus).
Was wurde in diesen Mauern nicht alles erlebt. Kaiserreich, Weimarer Republik, National- und Realsozialismus, zwei Weltkriege, in die mit Hurra auf den Lippen gezogen wurde und aus denen so wenige wiederkamen, Flüchtlinge, Wiedervereinigung zur Bundesrepublik. Treueschwüre auf seine Majestät den Kaiser, auf den Führer und auf die unverbrüchliche Freundschaft zur Partei und Regierung und der Sowjetunion. Aber auch zu allen Zeiten Kinder, die toben, lernen, singen, Lehrer ärgern, bei Klassenarbeiten und Prüfungen schwitzen, die wieder Hausaufgaben vergessen haben, die Feste feiern, kurzum, Freud und Leid dicht beieinander. Schule war nie losgelöst von ihrem Umfeld, in ihr finden sich, wie in einem Brennglas, die Probleme der gesellschaftlichen Entwicklung wieder.
Im Jahre 1892 erschien für die Vetschauer Stadtschule eine neue Schulordnung. Diese hob das Holzbringen der armen Kinder auf, bestimmte, dass die im Schulbesuch säumigen Kinder von der Obrigkeit bestraft würden und setzte bestimmte Sommerferien fest.
Im Knabenschulhaus befand sich auch eine Jugendherberge. Im August und September 1922 richtete das städtische Wohlfahrtsamt zwei Milchkuren ein, für je 50 Kinder ein. Am 19.06.1924 wurde die Schulspeisung eingeführt.
Quelle:
Festschrift Unsere Schule wird 100 Jahre alt 1897-1997