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Weißenberg aktuell Amtsblatt der Stadt Weißenberg
Ausgabe 4/2025
Aus den Ortsteilen
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80 Jahre ist es her …

als diese Bilder aufgenommen wurden. In den letzten Tagen des 2. Weltkrieges erreichte Tod und Zerstörung auch Weißenberg und die umliegenden Dörfer. Für die meisten von uns, die wir im Frieden aufgewachsen sind, ist es kaum vorstellbar, was sich in diesen wenigen Tagen hier bei uns abgespielt hat. Am 18. April kam es zur Besetzung durch die Rote Armee. Durch die deutsche Wehrmacht wurde bis zum 25. April das Gebiet bis zum Kriegsende zurückerkämpft. Die Zerstörung großer Teile Weißenbergs und der Tod so vieler Menschen noch kurz vor Kriegsende waren die Folge dieser Kämpfe. Viele Einwohner, aber auch Flüchtlinge und eine große Anzahl Soldaten beider Seiten ließen ihr Leben. Jegliche Vernunft konnte sich zu jener Zeit nicht mehr gegen Hass und Verblendung behaupten und es musste nach 6 Jahren Krieg erst die totale Niederlage erfolgen, bis ein Neuanfang möglich wurde. Noch leben Zeitzeugen, welche diese Tage miterlebt haben und ihre Berichte über ihre Erlebnisse sind außerordentlich wichtig für uns. Angesichts der Entwicklung in der Welt mahnen sie uns, niemals zu vergessen was Krieg wirklich bedeutet. Der folgende Bericht ist dem Buch „Weißenberg zwischen Krieg und Zerstörung“ entnommen. Dafür danken wir Herrn Kassner und Herrn Franke ganz herzlich.

Zeitzeuge Christian Francke, geb. 1937

Als Junge von 7½ Jahren habe ich die Kämpfe in meinem Weißenberg miterleben müssen. Das Herannahen der Russen hörten wir besonders in der Nacht vom 17. zum 18. April. Es war wie fernes Gewittergrollen. Am 18.04.1945 war es dann soweit. Mit Auto, Pferdewagen, Leiterwagen oder nur zu Fuß flüchteten viele Weißenberger und Bürger aus der näheren Umgebung die Hauptstraße runter, um noch über die Brücke zu kommen. Es hieß, daß die Brücke über das „Löbauer Wasser“ in wenigen Minuten gesprengt wird. Alles hastete nur in eine Richtung. Deutsche Tiefflieger „Stukas“ attackierten das auf Weißenberg heranrückende russische Militär. Am 18.04. gegen 10.45 Uhr wurde die Brücke gesprengt. Es war fürchterlich, der Erdboden bebte.

Meine Mutter und ich sowie einige Nachbarn fanden Zuflucht bzw. Schutz bei Frisör Wilhelm Richter im Keller. Wir Nachbarn wollten alle zusammen sein.

Dann kamen die Russen. Das erste Fahrzeug, was um die Zschochkurve kam, war ein Panjewagen, besetzt mit johlenden russischen Soldaten. Dann ein Panzer, auch besetzt. Einige Russen hatten Schalmeien und spielten darauf. Das Haus des Sattlermeisters Otto Beyer brannte. Man hatte uns im Keller entdeckt und wir mußten alle hoch in den Ladenraum. Ein betrunkener Russe wollte uns alle mit seiner Pistole erschießen. Wir standen mit erhobenen Händen. Ein russischer Offizier hat ihn dann abgeführt. Wir waren dann 4 oder 5 Tage im Haus bei Wilhelm Richter. In diesen Tagen entwickelte sich ein heftiger Beschuß auf Weißenberg, dieser hielt Tag und Nacht an. Es war fürchterlich!!!

Eine Weißenbergerin (Frieda Pätzold) mit ihren 2-jährigen Jungen wurde im Gesicht von einem Granatsplitter schwer verletzt. Der 2-jährige Junge hieß Werner Pätzold aus dem Gasthaus „Brauerei“, jetzt LVM. Meine Mutter nahm sich des Werners an und hatte nun einen zwei- und einen siebeneinhalb-jährigen bei sich. Es war eine glückliche Entscheidung von meiner Mutter, denn die Frauen hatten es schwer in diesen Tagen.

Es half kein Vermummen und Verstecken. Das Alter spielte keine Rolle. Ich verstand es nicht!

In weiterer Zeit stellten wir fest, daß der Beschuß auf Weißenberg von noch starken Wehrmachtsverbänden kam. Diese restlichen Wehrmachtsverbände unter General Ferdinand Schörner belagerten Weißenberg und drängten die Russen wieder aus Weißenberg heraus. Es gab sehr viele Tote auf beiden Seiten und große sinnlose Zerstörung. Auch Wilhelm Richters Haus brannte ab. Nach wenigen Tagen löste sich die Wehrmacht auf und setzte sich ab.

Meine Mutter mit einem Leiterwagen und ich mit einem Fahrrad flüchteten vor den wiederkehrenden russischen Militärs. Wir strandeten in Neugersdorf. Nach einigen Tagen kehrten wir mit den anderen Weißenbergern wieder heim. Wir waren froh, daß unser Haus noch stand. Viele Einzelheiten möchte ich nicht erzählen. In Weißenberg entstand später ein Russenfriedhof. Deutsche Soldaten wurden längs unserer Kirche beigesetzt, mit dem nachdenklichen Worten am Kreuz: „Wir mahnen zum Frieden.“