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Wehlener Rundschau - Mitteilungsblatt der Stadtverwaltung Stadt Wehlen
Ausgabe 10/2025
Historisches
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„Das Wehlstädtel“

Auszug, alte Kirchengalerie

Schon seit der Mitte des 17. Jahrhunderts ist für Wehlen auch der Name „Wehlstädtel“ bekannt. Es ist eine rein volkstümliche Redewendung, die lange in Gebrauch blieb und nicht vom Fremdenverkehr geprägt wurde, wie zuerst angenommen. Zu dieser Zeit war das Elbsandsteingebirge noch unentdeckt. Die Gegend mit ihren hohen Felsen und tiefen Schluchten galt als unwirtlich, ja sogar gefährlich, und ist zu dieser Zeit so gut wie nicht bereist worden.

Bereits ab dem 16. Jhd. wurde unsere Stadt, Wehlstädtel, Städtlein oder Städtgen genannt, siehe dazu alte Urkunden und die „Kirchengalerie“ von 1840.

In einem Verkaufsbrief von Hans von Clumen wurde unser Ort 1464, „Stettlein“ genannt.

Erst etwa 100 Jahre später sind einige Anfänge spürbar. Maler der neu gegründeten Dresdner Kunstakademie zogen ins Gebirge und zeichneten dort die vielen Sehenswürdigkeiten. Zu den Malern gehört der Schweizer Adrian Zingg, der seine Skizzen in Kupfer stach und in verschiedenen Formaten verkaufte. 1801 entstand ein weithin bekanntes Bild von Caspar David Friedrich mit dem Felsentor im Uttewalder Grund. Das Interesse für diese „malerische“ Landschaft im wahrsten Sinne des Wortes war geweckt.

Ein begehrtes Objekt der Maler und Kupferstecher war auch unsere Burgruine, die in über 20 verschiedenen bekannten Bildern von berühmten Malern der Zeit festgehalten wurde.

Allmählich und besonders in der Zeit der Romantik wandelte sich die Wahrnehmung der Landschaft: Jetzt passte das raue Gebirge zu den Empfindungen der Menschen, die es „zurück zur Natur“ drängte. Ihnen standen erste, mit Bildern versehene Bücher zur Verfügung. Besonders erwähnenswert sind die Schriften von Wilhelm Leberecht Götzinger (1804) und Karl Heinrich Nikolai (1816), die seinerzeit weithin großes Interesse fanden und den Fremdenverkehr belebten. An die beiden verdienstvollen Pfarrer erinnert heute eine Gedenktafel an der Basteibrücke.

Als besonders günstig erwies sich die verkehrsmäßige Erschließung des nun „Sächsische Schweiz“ genannten Gebirges. 1837 wurde die Personen-Dampfschifffahrt auf der Elbe aufgenommen (Landungsstelle in Stadt Wehlen ab 1843) und 1851 war die Eisenbahnlinie von Dresden ins böhmische Bodenbach mit Halt in Pötzscha fertig gestellt. Die Anzahl der Reisenden stieg sprunghaft, allerdings blieben sie bei ihren Ausflügen noch lange auf fremde Hilfe angewiesen. Befestigte und markierte Wege sowie Wanderkarten als Orientierungshilfe waren anfangs nicht vorhanden. Wer zum Beispiel von Wehlen aus durch die romantischen Gründe zur schon bald berühmten Bastei gelangen wollte, musste sich einen Führer mieten, ein Reittier oder auch mehrere kräftige Männer als Sesselträger. Damit entstand ein neuer Erwerbszweig für die Anwohner. Die so genannten "Schweizführer" mussten sich einer jährlichen Prüfung unterziehen. Für sie galten strenge Regularien, insbesondere hinsichtlich der Tarife und des Verhaltens gegenüber den Gästen. Im Jahr 1870 gab es bis zu 48 vereidigte Schweizführer in Wehlen. Der letzte von ihnen, August Walter, starb 1932. Ihre Stationspunkte waren die Dampferanlegestelle am rechten und der Bahnhof Pötzscha am linken Elbufer. Ein Aufenthaltsraum für die „Schweizführer Gilde“ befand sich in der früheren Elbterrasse am „Alten Fährplatz“.

Vom Fremdenverkehr in die Sächsische Schweiz profitierte auch in Stadt Wehlen das Gaststätten- und Beherbergungswesen. Schon am Ende des 18.Jhd., Anfang des 19. Jahrhunderts wurden der Schiffer Dietrich (heute Manufakturhotel) sowie der Fleischer Richter (heute Hotel Wehlener Hof) lobend erwähnt, weil sie gute Kost und Logis anboten, aber auch lieferten. Reisende wurden gern in Privathäusern mit solchen klangvollen Namen wie „Villa Marie“ oder „Villa Tausendschön“ aufgenommen. In den 1930er Jahren, als vor allem ein inzwischen verschwundenes Berggasthaus auf dem Kleinen Bärenstein und der Wanderweg über den Rauenstein als erstrangige Ausflugsziele galten, war Wehlen und Pötzscha ein begehrter Urlaubsort.

Daran hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert. Nach 1945 steigerten sich die Übernachtungszahlen sogar noch um ein Vielfaches. Infolge der stark begrenzten Reisemöglichkeiten ins (westliche) Ausland hatte der gewerkschaftliche Feriendienst der DDR alle verfügbaren Unterkünfte vertraglich gebunden, so dass sich in den Sommermonaten nicht selten mehr Urlauber als Einwohner in den Orten des Elbsandsteingebirges aufhielten. Die Sächsische Schweiz war damals das zweitgrößte Erholungsgebiet nach der Ostseeküste.

Auch derzeit bietet Stadt Wehlen beste Voraussetzungen für einen mehrtätigen und erlebnisreichen Aufenthalt. Der von Pirna kommende „Malerweg“, angelegt auf den Spuren der frühen Künstler wie Zingg, C.D. Friedrich und vieler anderer, gilt deutschlandweit als schönster Wanderweg. Er berührt schon auf seiner ersten Etappe die Gründe nahe der Stadt, so dass sich Wehlen als Übernachtungsort anbietet. Dasselbe gilt für den gut ausgebauten Elberadweg, der von Tschechien aus bis nach Hamburg und Cuxhaven führt. Seit 2004 ist die Wehlener Kirche eine besonders ausgewiesene Radfahrerkirche, die zur Andacht einlädt. Auch für kleinere Unternehmungen ist Stadt Wehlen nach wie vor ein bedeutender Ausgangspunkt, insbesondere der Wehlener-, Uttewalder-, Zscherre- und Höllengrund nach der weltbekannten Bastei, laden zu Wanderungen ein.

W. Th.