Titel Logo
Weißenfelser Amtsblatt – Amtliches Verkündungsblatt der Stadt Weißenfels
Ausgabe 3/2023
Nichtamtlicher Teil
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Mitten in der Stadt

Am 4. März 1933 kamen die ersten Häftlinge ins frühe Konzentrationslager auf Schloss Neu-Augustusburg

In Teilen des Schlosses war vom 4. März bis 12. August 1933 das frühe Konzentrationslager Weißenfels mit mindestens 300 Häftlingen untergebracht. In der Nacht zum 4. März 1933 wurden 31 führende Weißenfelser KPD-Genossen in Schutzhaft genommen und in das Polizeigefängnis gesperrt, das vor der Hofeinfahrt des Schlosses lag. Dieser und den folgenden Verhaftungen fielen alle bekannten Weißenfelser Funktionäre der KPD und später auch der SPD zum Opfer, darunter Kurt Beuthan, Erich Lattermann und Erich Schauer. Vermutlich ist der 4. März 1933 auch der Tag der Eröffnung des frühen Konzentrationslagers Weißenfels.

Von Beginn an wurden teilweise täglich Häftlinge in so genannte Schutzhaft genommen und in das Lager eingeliefert. Am 21. April 1933 waren bereits 85 Männer aus der Stadt und dem Landkreis Weißenfels im Schloss inhaftiert.[i] Sie wurden zunächst in den Keller- und Bodenräumen des Schlosses festgehalten,[ii] die jedoch bald überfüllt waren. Später wurde der Polizeiunterrichtssaal in der zweiten Etage des Schlosses als Gefangenenlager herge­richtet. Im Juni 1933 wurde es so eng, dass die Häftlinge in die Turnhalle im nahen Schlossgarten gesteckt wurden. Bis zur Auflösung am 12. August 1933 hatte das Lager eine durchschnittliche Belegungsstärke von 180 Männern. Ein großer Teil der im Schloss Inhaftierten wurde anschließend in das KZ Lichtenburg bei Prettin gebracht.

Die Häftlinge

Es können 240 Männer und eine Frau benannt werden, die im KZ Weißenfels inhaftiert waren. Die Gesamtzahl muss jedoch bei mindestens 300 Schutzhäftlingen gelegen haben. In Schutzhaft genommen wurden fast ausschließlich politisch aktive Männer; die meisten waren Kommunisten, einige gehörten der SPD an, andere waren parteilos. Im frühen KZ Weißenfels waren mindestens zwölf kommunistische und sozialdemokratische Stadtverordnete aus Weißenfels oder anderen Städten inhaftiert, unter ihnen Albert Schwarick, Paul Rosenkranz und Franz Engel. Bekanntester Häftling unter ihnen war der Reichstagsabgeordnete Albert Bergholz aus Zeitz. Weißenfels galt als „rote Hochburg“, daher konzentrierten sich hier besonders viele kommunistische und auch sozialdemokratische Abgeordnete. Inhaftiert waren nachweislich auch vier jüdische Männer, unter ihnen Max Laskin aus Hohenmölsen und Alfred Löwitsch aus Zeitz.

Erinnerungskultur in Weißenfels

Heute erinnert kaum etwas an das Lager im Schloss Neu-Augustusburg. Das sichtbare Erinnern hat in Weißenfels mit einer Gedenkstele für die ermordeten Kommunisten und Sozialdemokraten im Thälmannpark (heute Stadtpark) begonnen, die am 21. Februar 1947 aufgestellt wurde. 1981 wurden im Auftrag des Kreiskomitees der Widerstandskämpfer die Namen von 21 Weißenfelser NS-Opfern eingemeißelt. Einige von ihnen begannen ihren Leidensweg schon im Lager in der eigenen Stadt.

Geschichtspfad

2007 gründeten Studierende der Fachhochschule Merseburg den „Verein für Demokratiegeschichte Sachsen-Anhalt e.V.“ Ein Projekt, das seitdem realisiert wurde, war die Pla­nung und Durchführung von Geschichtspfaden zum Nationalsozialismus in verschiedenen anhaltischen Städten.[iii] Diese sollen an authentischen Orten die Möglichkeit bieten, über Geschichte aufzuklären, Interesse zu wecken und die Erinnerung an die Leiden der Opfer wachzuhalten. An acht Standorten geben die Tafeln Auskunft über historische Zusammenhänge in Weißenfels. Im Innenhof von Schloss Neu-Augustusburg befindet sich eine Gedenktafel für das Lager Weißenfels.

Auch wenn es im Schloss und in der Turnhalle im Schlossgarten keine sichtbaren Spuren mehr gibt, die an das frühe Konzentrationslager erinnern, sollte gezeigt werden, dass sich hier Historisches ereignet hat, nachvollziehbar als Geschehen in der Nachbarschaft mitten in der Stadt - nicht nur Neuber und Bach waren hier, auch Beuthan und Bergholz.

Ramona Ehret, Erinnern und Gedenken Weißenfels e. V.

[i] Stadtchronik Weißenfels, hg. vom Rat der Stadt Weißenfels gemeinsam mit dem Museum Weißenfels (Schloß) und dem Archiv der Stadt Weißenfels, Naumburg 1980, S. 60.

[ii] Brief von Dr. Artur Schellbach, Sohn von Fritz Schellbach, vom 5.2.2003 an die Autorin.

[iii] Weißenfelser Amtsblatt, 20. Jahrgang, Nr. 3, 12.3.2010, S. 8.