es liegen aufregende Tage und Wochen hinter uns. Die mögliche Justizvollzugsanstalt an der A9 bei Weißenfels hat als Reizthema dominierend durch die „sozialen Netzwerke“, Print- und sonstigen Medien über die Region hinweg für Schlagzeilen gesorgt. Eines ist klar: die Kommunikation ist künftig zu verbessern – dafür habe ich mich in allen stattgefundenen Formaten entschuldigt. Ich bin aber durch die Erfahrung der vergangenen Wochen in meinem Eindruck bestärkt worden, dass der persönliche Dialog die Kür ist, den es zu pflegen gilt. Es ist schließlich nicht jeden Tag Stadtfest. In stürmischen Zeiten gilt es die Ruhe zu bewahren und auch in rauen Situationen das Steuer fest in der Hand zu halten. Doch eines ist hier zu wiederholen: Der digitale Raum trübt das Bild, das durch Facebook oder Instagram ein guter Transporteur von Meinungsbotschaften uns als Gesellschaft zur Seite gestellt ist. Es ist ein Moloch, das Lügen, Interpretationsspielwiesen für sonstige wirre Thesen und Beleidigungen zulässt. Dadurch entsteht mitunter Hysterie. Dennoch ist es mein Anliegen, mit harter Arbeit vorausschauend für den Standort Weißenfels zu werben und alles dafür zu tun, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen – auch wenn dafür Entscheidungen getroffen werden müssen, die nicht jedem gefallen.
Gestatten Sie mir einige Worte, die ich zu Beginn der Stadtratssitzung am 20.3.2025 an die Räte gerichtet habe, um einen Bogen von unserer Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft zu spannen.
Weißenfels ist reich an Geschichte und wurde über Jahrhunderte von den einstigen Handwerksinnungen in seiner vielseitigen Gestalt geprägt. Im Jahr 2014 bin ich nach Weißenfels gezogen, ohne zu ahnen, welch verborgenen Reichtum diese Stadt für einen Zugezogenen bereithält. Im Laufe der Jahre entwickelte sich für mich ein umfassendes Bild ihrer Geschichte, sodass ich heute mit Stolz und echter Begeisterung hier stehe.
Die Weißenfelser Fischerinnung war einst die wohlhabendste Handwerksinnung der Region. Der Fischreichtum sowie der Fleiß ehemaliger Familien wie Frahnert, Beyer, Maudrich, Nöring, Mundt und vieler weiterer zeugten bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts von ihrem Erbe. Einige wichtige Gegenstände, die diese Zeit widerspiegeln, werden heute im Depot des Schlosses aufbewahrt. Der thüringische Landgraf Ludwig der Springer und die Weißenfelder Fischer hatten eine besondere Beziehung, die die Basis für diesen Reichtum legte.
Aus Dankbarkeit für seine glückliche Rettung aus der Saale, nach einem Sprung von der Burg Giebichenstein, errichtete Graf Ludwig in Sangerhausen eine Kirche und weihte sie dem heiligen Ulrich. Den Fischern von Weißenfels wurde das Recht zugesprochen, seit etwa 1087 „auf ewige Zeiten“ auf der Saale von Giebichenstein bis zur Mündung der Ilm zu fischen. Von diesem Tage an erhielt Graf Ludwig den Beinamen „Ludwig der Springer“.
Dies war die Grundlage dafür, dass über Jahrhunderte ausschließlich Weißenfelser Fischer von Bad Kösen bis zur Burg Giebichenstein fischen durften. Zu Zeiten des großen Fischreichtums wurden bis zu 20 Pfund Lachs gefangen, die die Bevölkerung versorgten. In manchen Fangzeiten war der Fischreichtum so ertragreich, dass Lachs als Dünger auf die umliegenden Felder gebracht wurde. Die Fischer haben der Stadt über Jahrhunderte ein prägendes Gesicht gegeben. Mit dem Beginn der Industrialisierung, der Erwärmung des Wassers durch Fabriken wie die Dietrische Papierfabrik und dem Kaliabbau, ging der Fischbestand leider zurück. 1903 wurde der letzte Lachs gefangen, und die Fischerfamilien mussten andere Wege finden, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Heute ist von ihnen nicht mehr viel zu sehen.
Neben meiner Amtstätigkeit habe ich mich intensiv mit den Geschichten dieser ehemaligen Familien beschäftigt. Es berührt mich, dass von ihrem Erbe kaum noch etwas sichtbar ist. Vor einigen Wochen hatte ich durch Recherchen in unserem Archiv und die Suche nach Nachfahren das Glück, die letzte Enkelin des letzten Oberinnungsmeisters der Fischer, Erich Frahnert, in der Region ausfindig zu machen. Unser Treffen fand rasch statt, und wir tauschten Erinnerungen aus ihrer Kindheit aus. Sie übergab mir Urkunden aus der Herzogzeit, und auf meine Nachfrage nach der Innungslade, die ein zentraler Bestandteil jeder Innungsversammlung war, reagierte sie mit einem kurzen Schlucken und einem verhaltenen „Ja, wir haben sie“.
Diese Lade war seit dem Mittelalter ein integraler Bestandteil jeder Innung und Zunft. In ihr wurden das Siegel, wichtige Schmuckstücke der Fischer, das Innungsbuch und das Gedächtnis der Fischer aufbewahrt. Der Oberinnungsmeister hütete sie wie einen Schatz. Bei Versammlungen durfte nur gesprochen werden, wenn die Lade geöffnet war.
Im Stadtrat konnte ich diesen verschollen geglaubten Schatz präsentieren, der uns an die Zeit der großen Fänge an der Saale erinnert. Die Innungslade, die Herzog Christian im Jahr 1729 an die Fischerinnung stiftete, trägt zahlreiche Verzierungen und Intarsien. Sie ist damit ein bedeutendes Zeugnis dieser einst reichen Zunft.
Die Lade lädt uns heute ein, sowohl die kleinen als auch die großen Fänge unserer Zeit im Blick zu behalten. Sie ermutigt uns, die Netze gemeinsam einzuholen oder auch bewusst auf diesem Weg einige Fänge zurückzulassen. Der Blick in die geöffnete Lade erinnert uns daran, dass wir uns an unsere Tradition, unsere Geschichte und die daraus entstandenen Werte nicht nur erinnern sollten, sondern dass wir auch bereit sein müssen, bei schlechtem Wetter unsere Boote ins Trockene zu ziehen.
Zum Schluss möchte ich betonen, dass die Weißenfelser Fischer einst eine Losung hatten, die alles bisher Gesagte noch einmal unterstreicht: „Ob zu Wasser oder Land, immer in Gottes Hand.“
In diesem Sinn steht auch das bevorstehende Osterfest für Hoffnung und Neubeginn – möge dieses Fest Ihnen schöne Momente im Kreis Ihrer Liebsten und viele positive Impulse sowie Kraft für die kommenden Monate schenken.
Herzliche Grüße