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Foto 1912
Bebauungsplan Baugenossenschaft 1906
AK 1913
Foto 1910, Lindenthaler Hauptstraße (heute: am neuen Kreisverkehr)
Foto ~ 1912
Foto 1939 Ausflug der Freiwilligen Feuerwehr Lindenthal nach Bad Schandau
Foto 1922
Foto 1990 nördliche Seite der Hauptstraße mit den typischen 3-Seiten-Höfen
Flugschau 1912 auf dem Flugplatz Lindenthal
Foto 1917 Deutsche Flugzeugwerke Lindenthal
Foto ~ 1915
Foto ~1908
Kirchhof 18. Jh.
Friedhofstor Salzstraße 2022
Foto 1945
Heute neues Bilderbogenthema! von Roland Busse
Anlass war die 100-jährige Gedächtnisfeier zur Völkerschlacht auf dem Kirchhof Lindenthal mit dem Planzen einer Erinnerungseiche und dem Setzen eines Gedenksteines mit Eisernem Kreuz und der Inschrift 1813 – 1913. Unter dem Stein wurde eine Kapsel mit dieser Urkunde versiegelt und versenkt.
Eine Kopie dieser Urkunde befand sich im Archiv des Lehrers Harry Szpengel aus der Nagelstraße. Jan Szpengel hat uns für einen historischen Rückblick die Unterlagen seines Vaters zur Verfügung gestellt.
Ihr Bilderbogenautor möchte Ihnen das Historische der 28 seitigen Urkunde bewahren. Er muss aber dennoch den Text auf das Wesentliche beschränken. Für den Gemeindeboten-Leser wird die „Urkunde“ durch historische Fotos amüsant lesbar gestaltet.
von Otto Lätzsch und Wilhelm Vierling
Der Einwohnerzuwachs der vergangenen 18 Jahre von 1895 (1125 EW) bis 1913 (3500 EW) zeigt auf, dass sich der Ort wesentlich entwickelt hat. Um die weitere Entwicklung zu fördern, ist der gesamte innere Ort einschließlich der Bahnhofstraße 1908/09 beschleust und an die eigene 1911 fertiggestellte Kläranlage angeschlossen wurden.
Foto 1912 Zur Trinkwasser-Versorgung wurde mit der Nachbargemeinde Wahren 1909 ein langfristiger Vertrag zur Trinkwasserlieferung aus deren neuzeitlichen Wasserwerk mit Wasserturm abgeschlossen.
Einen sprunghaften Einwohnerzuwachs erfährt Lindenthal gegenwärtig durch die 1906 gegründete Baugenossenschaft für Eisenbahnbeamte und -arbeiter.
Der Bebauungsplan „Lindenthal-Südwest“ wurde bereits ein Jahr nach der Gründung der Eisenbahn-Baugenossenschaft umgesetzt. Die ersten Wohnblöcke waren im Oktober 1909 und im März 1910 bezugsfertig. Von 1909 bis 1913 entstanden in rasanter Bauzeit 51 Mehrgeschosshäuser, die unverzüglich von 1500 Neulindenthalern bezogen wurden.
AK 1913
Die Bautätigkeit geht weiter. 1913 ist die linke Seite der Pitzschkestraße mit 10 Wohnhäusern im Bau.
Auf dem südlich benachbarten Areal der Schreber-Landhauskolonie Wahren- Lindenthal sind sämtliche vorgesehenen Straßen hergestellt. Gegenwärtig sind auf „Süd-West“ 13 Einfamilienhäuser im Bau.
Im inneren Ort ist die Herstellung bzw. Neubefestigung mehrerer Straßen notwendig geworden. So ist 1910 die Gartenstraße (Gartenwinkel) durch Ausfüllen des nördlichen Straßengrabens, Anlegen eines Fußweges und grundhaften Ausbau der Fahrbahn saniert wurden.
In der Hauptstraße sind 1903 die seitlichen Straßengräben verfüllt, Fußwege angelegt und 1912 mit Schlackenstein gepflastert worden. Kosten 50.000 RM. Seit 1903 besteht im Ort unter der Garantie der Gemeinde eine Sparkasse.
Diese war in der Alten Schule an der Hauptstraße zusammen mit dem Gemeindeamt untergebracht.
Foto ~1912 Die Einlegerguthaben haben sich in den vergangenen Jahren recht befriedigend entwickelt: 1910 bei 781 Konten mit 589.000 Reichsmark auf 1913 mit 1463 Konten mit 1.027.000 Reichsmark.
Am 1. Oktober 1910 erfolgt die Einweisung des 1. Lindenthaler Gemeindevorstandes. Neben dem hauptamtlichen Bürgermeister und 2 Gemeindeältesten sind 12 Gemeindevertreter in Berufen vom Gutsbesitzer bis zum Fabrikschlosser ausgewählt und nebenberuflich tätig. Weiterhin sind 10 Gemeindebeamte und Hilfskräfte in der Ortsverwaltung angestellt:
| - | Gemeinde- und Sparkassenkassierer |
| - | Gemeinde- und Polizeiregistrator, Sparkassenkontrolleur |
| - | 2 Kopisten (Schreiber, Sekretäre), 2 Schreiberlehrlinge |
| - | Oberschutzmann und Vollstreckungsbeamter, 2. und 3. Schutzmann |
| - | Wegewärter zugleich Nachtschutzmann und Friedhofwärter |
Zum Schutz der Gemeinde gegen Feuergefahr besteht seit 02. Juni 1910 eine Freiwillige Feuerwehr unter dem Kommando des Landwirtes Otto Arndt mit 38 Mitgliedern sowie eine Freiwillige Schutzmannschaft unter dem Kommando des Gutsbesitzers Richard Pötzsch als Oberanführer für 75 Mitglieder. Seit Jahren ist der Ort Gott sei Dank von größeren Schadenfeuern verschont geblieben.
Seit Sommer 1911 ist die Gemeindeverwaltung zwecks günstiger Verkehrsanschlüsse zu der benachbarten Stadt Leipzig in Verhandlung mit der Direktion der „Leipziger Elektrischen Straßenbahn“ (Rote Wagen!) wegen Verlängerung der gegenwärtig nur bis an die Gohliser Kasernen fahrenden Straßenbahnlinie 6 bis in den hiesigen Ort.
Das Projekt liegt seit längerer Zeit bei den königlichen Ministerien in Dresden zur Prüfung. Es ist zu erwarten, dass im Laufe der nächsten Wochen die ministerielle Genehmigung erteilt wird, sodass im Herbst des nächsten Jahres der Fahrbetrieb aufgenommen werden kann.
Im Ort befinden sich gegenwärtig noch 11 bewirtschaftete Bauerngüter an der 650 m langen Hauptstraße.
Weiterhin hat der Ort 2 Fabriken: die Feuerwerksfabrik Andrich an der Breitenfelder Straße und das Dauerwäschewerk an der Wiederitzscher Straße.
Am Anfang des Jahres 1911 fand sich eine flugbegeisterte Schar Lindenthaler und Leipziger zusammen, die den I. Sächsischen Flugplatzverein gründeten. An der südlichen Seite der Gartenstraße wurde auf 200 Acker ein Flugplatz angelegt, der vom Luftfahrerverband Berlin als 1. Sächsischer Flugplatz für Motorflugzeuge anerkannt wurde.
Der Flugplatzverein mit nahezu 300 Mitgliedern wurde von Anfang an vom Landwirt Otto Arndt geführt. Aber jetzt tauchen Gerüchte auf, dass die Stadt Leipzig auf dem Mockauer Rittergutsgelände einen eigenen Flugplatz und Luftschiffhafen begründet hat. Der Lindenthaler Flugplatzverein musste auch aus finanziellen Gründen im Wettstreit mit Mockau unterliegen und zog eine ehrenhafte Auflösung vor.
Aber Lindenthal bleibt dennoch weiterhin ein „Fliegerdorf“.
Auf dem hiesigen Exerzierplatz am Breitenfelder Tannenwald entstehen gerade massive Werkhallen und ein Übungsflugplatz. Im Ort sind fluglernende Unteroffiziere einquartiert, sodass hier ein buntes militärisches Fliegerleben herrscht.
Im August 1913 zog neues Leben auf dem ehemaligen Flugfeld an der Gartenstraße ein. Der Ballspielverein FC „Olympia Leipzig“ richtet sich auf der 6 Acker großen Anflugbahn ein Spielfeld ein.
Der anliegende Schankwirt Wilhelm August Fritzsche mit seinem „Lindengarten“ weihte unverzüglich einen neuen Olympia Sportpark ein. Lindenthal hat ein buntes Vereinsleben.
Herren-Riege des TSV Vorwärts Lindenthal auf dem Exer am Tannenwald Aufzählung der mitgliederstärksten Vereine: 1.Sächsischer Flugplatzverein, 3 Männergesangsvereine (Lied hoch, Harmonie, Sängerlust), 2 Turnvereine (Allgemeiner Turnverein 1876, TSV „Vorwärts“). 1 Haus- und Grundbesitzerverein, 1 Jugendverein “Eintracht“, 1 Stenographenverein “Gabelsberger“, 1 Gartenverein „Flügelrad“, 1 Kaninchenzüchterverein,
1 Zitherclub „Almenrausch“, 1 Sozialdemokratischer Ortsverein und andere kleinere Vereine.
Der Allgemeine Turnverein 1876 plant gegenwärtig den Bau einer eigenen massiven Turnhalle.
Resümee zur Kirchfahrt Lindenthal mit Breitenfeld durch den Gemeindepfarrer Wilhelm Vierling. Im Oktober 1903 wurde der Knopf auf der Kirchturmspitze abgenommen, die Urkunden darin ergänzt und feierlich wieder aufgesetzt.
Kirchhof 18. Jh. Das Kirchengebäude wurde 1903 innerlich und äußerlich renoviert.
Der Kirchenpatron Albin Bach, Rittergutsbesitzer auf Breitenfeld spendierte der Gemeinde einen Terrazzo-Mittelgang-Fußboden und einen Ofen zur Beheizung der Kirche. Für die weitere Sanierung und Ausmalung des Innenraumes sammelte die Gemeinde 1200,- Reichsmark Spenden ein. Als 1905 in Lindenthal die Gasbeleuchtung eingeführt wurde, stiftete die Familie Gustav Görner einen großen Kronenleuchter zur Beleuchtung des Kirchenschiffes.
Im Jahre 1905 machte sich die Anlegung eines neuen Friedhofes erforderlich. Hierzu wurde vom Gutsbesitzer Oswalt Busse eine 10 Hektar große Parzelle für den Kaufpreis von 9.000 Reichsmark erworben. Noch im gleichen Jahr wurde durch den Leipziger Architekten Doberenz die Friedhofskapelle und das Wärterhaus für eine Bausumme von 26.347,- Reichsmark erbaut.
In den Jahren 1901 -05 löste sich die Filialkirche Lindenthal von der Mutterkirche Wahren, wähle einen eigenen Kirchenvorstand und stellte am
18.Februar 1906 Herrn Otto Hase als 1. ständigen Lehrer und Kirchenschullehrer für Lindenthal ein.
Die Entwicklung der Schulbildung in Lindenthal war über Jahrhunderte eng mit der Kirchgemeinde verbunden. Aber 1908 zeichnet sich mit dem Bezug der Eisenbahner-Genossenschaft auch ein sprunghafter Anstieg der Schülerzahlen ab. Der Schulvorstand schrieb einen Schulneubau an der Gartenstraße aus.
Von der Grundsteinlegung am 25. August 1908 bis zur feierlichen Weihe zu Michaelis am 20. September 1909 waren in rasanter Bauzeit von weniger als 13 Monaten eine neuzeitliche Volksschule geschaffen wurden. Da auch die Schulkinderzahl bis Ostern 1913 auf 700 Köpfe anstieg, war die Anstellung
eines Schuldirektors, 6 ständigen Lehrern, 2 Hilfslehrern, 1 Nadelarbeitslehrerin und eines Vikars notwendig.
Kommen wir zurück auf den Anlass dieser „Urkunde“: der feierliche Festakt am 31. Oktober 1913 auf dem Kirchhof Lindenthal. Die Weiherede hielt Herr Pfarrer Vierling. Es werden in Folge alle materiellen und finanziellen Sponsoren und Teilnehmer für dieses Fest genannt. Das Lehrer-Kollegium ist vertreten und die 1. Knaben- und Mädchenklasse trägt ein Lied vor.
Bürgermeister Otto Lätzsch schließt diese Urkunde mit patriotischen Wünschen für die Gemeinde Lindenthal, für Kaiser, König und Vaterland.
Ihr Bilderbogenautor hat Sie heute durch ca. 10 Jahre Historica von Lindenthal begleitet. Ausdruck und Satzbildung waren vor 111 Jahren noch abweichend zu unserer modernen Sprache. Aber wir haben es geschafft und die schönen alten Fotos haben uns dabei geholfen.
Einen guten Start ins Jahr 2025 wünscht Ihnen der Bilderbogen-Autor,