Hase-Protokollbericht
LSR Schule
Flakbatterie Lindenthal
B 17s Bomber Flying Fordress
Autobahnbrücke 1
Autobahnbrücke 2
Zwangsarbeiter im Lager "Schwarzer Weg"
Brandschäden Lager "Freies Feld"
Die Wehrmacht in Lindenthal
Schafstall-Sanierung 1950
Der Ortschronist des vorigen Jahrhunderts, Kantor Otto Hase hat uns in einem akribischen Protokoll-Bericht auf 34 Seiten seine Erlebnisse bei 472-mal Sirenenalarm wegen alliierter Bomben- und Kampfflieger über Lindenthal und die Auswirkungen auf Schule und Ortschaft hinterlassen.
Er beobachtete die Flugzeugverbände, die Bombeneinschläge und die deutsche Flakabwehr von der Neuen Schule und von seiner Wohnung im Kantorhaus (Hauptstraße 15). Unverzüglich nach dem Luftalarm hielt er das Erlebte im Luftraum „Leipzig-Delitzsch-Schkeuditz-Leuna-Taucha“ protokollarisch fest, um es später nach dem Krieg im o.g. 34-Seiten-Bericht zusammenzufassen.
Wir können hier nicht das ganze Grauen des Bombenterrors besonders über Leipzig und auch Lindenthal darstellen und auch nicht alle Luftschutzmaßnehmen in Lindenthal beschreiben. Aber einige Auswirkungen auf Einwohner, Ausgebombte, Zwangsarbeiter und Soldaten an den heute noch bekannten Örtlichkeiten sollen hier wiedergegeben werden.
Der Luftschutz war auch in Lindenthal bereits vor dem Krieg gut organisiert. Otto Hase war der Luftschutzwart der beiden Lindenthaler Schulen.
In der Neuen Schule befand sich ein Luftschutzraum. Der Fluchtweg dorthin war wie überall mit „L S R“ an der Hauswand der Kantorei bei der Alten Schule gekennzeichnet und ist heute noch lesbar.
Zur Abwehr der alliierten Luftangriffe wurde 1939 in Lindenthal eine Flakbatterie mit 4 Kanonen aufgestellt. Zuerst hatte diese ihren Stand am Tannenwald, Salzstraße etwa Standort des Denkmals der 53.
Später wurde sie an den Triftweg (Lange Trift) Nordseite verlegt. Bedient wurde sie von ca. 30-40 jungen Flakhelfern. Es waren meist Schüler höherer Schulen im Alter von 16-18 Jahren. Sie standen unter dem Befehl erfahrener älterer Offiziere und Unteroffiziere. Die gesamte Mannschaft lag in der Alten Schule Zimmer 18 in Quartier.
Ab Mitte 1940 nimmt die Häufigkeit der nächtlichen Luftangriffe zu. Ziele sind der Flugplatz Schkeuditz und die dortigen Siebel-Flugzeugwerke (MAB-Gelände), Taucha (MiMo) Mitteldeutsche Motorenwerke sowie ERLA-Werke und die LEUNA-Raffinerie. Alle Treffer, Schäden und Blindgänger in Lindenthal waren Fehlwürfe oder Flakrückläufer.
Otto Hase hatte an der Kirche einen Garten mit Bienenhaus. Hier verbrachte er manchen Fliegeralarm im Freien und dort im Bienenhaus sicherte er seine Schreibmaschine, Dokumente/Aufzeichnungen und einige gute Anzüge.
93. Alarm, 4.Dezember 1943 3:30 bis 5:30, Großangriff auf Leipzig
B 17s Alliierter Bomber Flying Fordress Wikipedia
O. Hase beschreibt das Inferno über Leipzig detailliert. In Lindenthal sind wegen einzelner Brandbomben kleinere Brände ausgebrochen; in Breitenfeld brannte am Denkmalweg eine Feldscheune ab.
Am 04.Dezember war der Schulunterricht unterbrochen. Otto Hase war sofort Leiter des Auffanglagers in der Neuen Schule. Dort wurde Schlafräume, Sanitätszimmer, Lese- und Radiozimmer, Waschräume usw. eingerichtet.
Für ca. 180 Schutzsuchende im Lager kam täglich Dr. Kurt Bandau zur Sprechstunde ins Sani-Zimmer. Ein Mädchen wurde dort geboren. Jeden Morgen zwischen 7:00 und 8:30 kam Frisör Otto Schmeil ins Lager. Am 16.12.43 waren die ausgebombten Leipziger zu Verwandten weitergereist und das Lager wurde geschlossen.
Tagangriff, 208.Alarm am 27.08.1944
Über Lindenthal wird ein US-Bomber getroffen. Er stürzt mit schwarzer Explosionswolke neben dem Forsthaus (etwa Rothkegel-Gelände) auf Breitenfelder Flur ab. Die 6 US-Soldaten fanden den Tod und wurden auf dem Friedhof Lindenthal beerdigt. Nach dem Krieg exhumierten die US-Besatzer ihre Leute und überführten sie in die USA.
Tagangriff, 222.Alarm am 28.09.1944
Starke Verbände greifen den Motorenprüfstand der MiMo im Birkenwäldchen an der Autobahn auf Breitenfelder Flur an. Es wurden danach 103 Bombentrichter gezählt. Der Prüfstand wurde nicht getroffen. Die halbe Autobahnbrücke wurde jedoch zerstört.
Ein tragisches Unglück: Drei Arbeiter hatten sich in der Kehle der Brücke auf einen Betonpodest gesetzt und glaubten sich dort vor Bomben am sichersten. Sie wurden dort von der einstürzenden Brücke zerquetscht. Einige junge Mädchen auf der anderen Seite der Brücke kamen mit dem Schrecken davon.
Zwangsarbeiter in Lindenthal: Die sogenannten Tschechen-Lager befanden sich im Alten Gasthof und in der Alten Schule. Die Männer aus dem Protektorat Böhmen/Mähren arbeiteten in der Pittler-Werkzeugmaschinenfabrik Wahren. Im Rittergut Breitenfeld waren Zwangsarbeiter aus Polen und der Sowjetunion (Männer Feldarbeit und Frauen Gärtnereiarbeit) beschäftigt und untergebracht.
Im Zimmereigeschäft Fritz Tamm Lindenthaler Hauptstraße (heute Gelände Ehlert-Küchenmöbel) waren ~7 Männer Franzosen und Russen beschäftigt.
Die Deutsche Reichsbahn beschäftigte auf den Verschiebebahnhof Wahren eine große Zahl Zwangsarbeiter aus Polen Belgien Frankreich Niederlande Sowjetunion und dem Protektorat. Diese waren in den Lagern „Freies Feld“ (Verlängerte Weststraße) und „Schwarzer Weg“ (Wahrener Straße) auf Lindenthaler Flur untergebracht.
Nachtgroßangriff auf den Rangierbahnhof Wahren und das Krankenhaus St. Georg, 10.04.1945, 21:45 bis 23:30
Starke Bomberverbände in mehreren Wellen warfen erst Leuchtbomben an Fallschirmen, dann Phosphorbrandbomben und zuletzt Sprengbomben auch mit Zeitzünder ab. Die Wirkung auf alle technischen Anlagen und Gebäude der Bahn war verheerend. Die Ausländerbaracken brannten.
Am Morgen des 11.04.45 kommt eine ausgebombte abgerissene Schar von 300 Zwangsarbeitern aller Nationen die Gartenstraße zur Neuen Schule herauf. Für den Leiter des Auffanglagers Otto Hase begann jetzt die schwierigste Aufgabe seines Lebens. Sie verlangten Aufnahme (Quartier und Verpflegung). Hase bot ihnen Quartier in der Neuen Schule an und richtete Nationenzimmer ein. Verpflegung mussten sie sich unter Lebensgefahr selbst auf dem zerstörten Rangierbahnhof organisieren. Es herrschte stets Ruhe und Ordnung im Lager.
Otto Hase hatte noch ein Problem: Der Ort wurde von der zurückweichenden Wehrmacht geflutet und in der Alten Schule war noch der bewaffnete Volkssturm einquartiert. Es herrschte noch Kriegsrecht und da galt es für den Lagerleiter, die unterschiedlichen Gruppen auseinanderzuhalten. Die Italiener und Franzosen verließen frei das Lager und wollten sich in ihre Heimat durchschlagen. Tschechen, Belgier und Holländer wurden vom Volkssturm in ein anderes Auffanglager verlegt. Eine Gruppe von 20 Russen blieben vor Ort und wurden in der Alten Schule einquartiert.
In einem der letzten Luftangriffe vom 10.04. bis 17.04.1945 hatten die alliierten Bomberbesatzungen doch noch zielen gelernt und den Motorenprüfstand im Birkenwäldchen nach monatelangen Versuchen zerstört.
Der Krieg ist zu Ende und Otto Hase resümiert: Lindenthal ist trotz der immensen Zerstörungen um den Ort herum mit einem „blauen Auge“ davongekommen.
Die Gartenfreunde des Gartenvereins „Flügelrad“ ergreifen ~1950 die Initiative und bauen die zerstörte Ausländerbaracke der Reichsbahn „Schwarzer Weg“ zu einem schicken Spartenheim mit Gartenlokal wieder auf.
Wer kennt ihn nicht, den berühmten „Schafstall“ am Schwarzen Weg. Für Neulindenthaler: Leider nicht mehr zu erleben, denn seit Jahren geschlossen.