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Gemeindebote - Mitteilungsblatt für die Ortsteile
Ausgabe 13/2025
Ortsteil Wiederitzsch
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Trauer um Günter Brendel

Am 1. November des Jahres starb der Maler, Zeichner, Grafiker, Performancekünstler Günter Brendel. Er war leidenschaftlicher Eutritzscher, warum dann die Erinnerung an ihn im Wiederitzscher Teil des Gemeindeboten?

Vor fast 30 Jahren leitete er dort im Rahmen einer ABM-Stelle einen Grafikzirkel für Kinder und Jugendliche, erst einmal wöchentlich, dann eine zeitlang sogar zweimal in der Woche. Im Gemeindebegegnungszentrum (GBZ) hatte er einen eigenen Raum und sogar eine eigene Druckpresse. Hier konnte er seine zeichnerischen und druckgrafischen Kenntnisse weitergeben. Vielleicht erinnert sich der oder die eine oder andere heute längst erwachsene Teilnehmer/in von damals an Brendels engagierte Zirkelleitung. Und dann gab es natürlich Ausstellungen mit seinen Bildern als Einzelausstellung oder gemeinsam mit anderen Künstlern. Zum 7. Herbstfest 1997 wurden im Rathaussaal erstmals die Malereien und Grafiken zum Thema Pythagoras ausgestellt und mit einer Performance zur Eröffnung ergänzt. Das „Drehbuch“ für diese Performance befindet sich in meinen Unterlagen und fasziniert mich noch heute. Ganz akribisch hatte er jeden Schritt, jede Bewegung, jeden Laut bedacht und eingeübt. Dabei war er auch ein Meister der Mehrdeutigkeit der Sprache, die mit dem eigenen Namen begann. So unterschrieb er oft mit Günter BRENNTHELL, und so heißt auch das Porträt-Gemälde, das Andreas Weißgerber 2017 von ihm gefertigt hat.

Günter Brendel, Jahrgang 1943, kam aus dem grafischen Gewerbe. Als Tiefdruckretuscheur, Schrift- und Plakatmaler im betrieblichen Werbeatelier des VEB Interdruck entwickelte sich seine künstlerische Arbeit parallel zum Beruf, Kurse an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst ergänzten die autodidaktischen Bemühungen auch nach dem Wechsel zum VEB Blechverformungswerk Leipzig. Messingabfälle des Betriebes regten ihn an, sich mit Kaltnadel- und Ätzradierung zu befassen. Später fertigte er aus leeren bunten Plastediarahmen zum Beispiel einen Turm, der auf seiner letzten großen Ausstellung Anfang des Jahres im Budde-Haus auf dem Klavier stand, das Stephan König zur Eröffnung bespielte. Die Verbindung von Mathematik und Musik, hier wurde sie ganz augenscheinlich wieder demonstriert, auch auf den Schallplattenhüllen, die er gestaltet hat.

Nichts war Günter Brendel zu gering, und so faszinierte mich auch seine überaus bescheidene Lebensweise: kein Auto, kein Computer, kein Smartphone, nur ein Festnetztelefon. Ein Kritiker schrieb einmal, Brendel sei „irgendwie aus der Zeit gefallen.“ Wenn er auch unbeeindruckt schien von Trends und Moden, so war er doch im Leben (und auch im Internet) präsent und erstaunte mich oft mit seinem historischen und gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Interesse, seinem Nachdenken über die Probleme der Zeit, das in der Frage gipfelte „Erlerne ich den aufrechten Gang?“

Eine Frage, der wir uns auch stellen sollten.

Im Mitmachmuseum Inspirata an der Alten Messe in Leipzig ist Brendel und dem Pythagoras eine ganze Wand gewidmet. Vielleicht findet der von ihm entworfene Pythagomat, mit dem sich Winkelwanderungen zur mechanischen Beweisführung des Lehrsatzes zeigen lassen, nun den Weg in das von einem gemeinnützigen Verein geleitete Museum.

Die enorme Vielseitigkeit des Künstlers, seine Offenheit und Kontaktfreudigkeit werden unvergessen sein und vielleicht auch seine besondere Beziehung zu Wiederitzsch.

Uta Sander