Titel Logo
Gemeindebote - Mitteilungsblatt für die Ortsteile
Ausgabe 2/2024
Ortsteil Lindenthal
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Kantor Otto Hase.ein Leben für Lindenthal

Mittig-rechts, das Küsterhaus (damals Hauptstraße 15)

Annagme: oben 3. v. r. O. Hase

Autobahnbrücke zur Birnenallee

Flakstellung Triftweg 1944

Foto der Personalakte 1945

O.Hase mit seiner Schulklasse 1946

AK Kirche/Hase Garte ~1959

Kurzer Abriss aus dem unermüdlichen Engagement des Kantors für die Entwicklung der Gemeinde Lindenthal und Problemlöser in schwierigen Zeiten.

Otto Hase wurde am 29.04.1878 in Neustädtel bei Schneeberg geboren. Er hat seine Ausbildung zum Kirchenschullehrer Ende des 19. Jahrhundert am königlich-sächsischen Lehrerseminar Marienberg erhalten. Von 1901 - 06 war er als Hilfslehrer/ständiger Lehrer in Schönheide angestellt. Am 27.02.1906 wurde er zum 3. ständigen Kirchenschullehrer der Kirchgemeinde Wahren zuständig für die Filialkirche Lindenthal ernannt und hatte hier zugleich das Lehramt der örtlichen Mehrklassenschule. Da es bis 1909 noch keinen hauptamtlichen Bürgermeister gab, war er somit höchster Beamter im Ort.

Persönliche Daten zu Otto Hase sind aus seinem Lebenslauf zur Bewerbung auf das Kantorat Lindenthal entnommen. Er heiratete 1903 die Tochter des Fabrikanten Ludwig Baumann, Wanda Fredericke Baumann.Das Ehepaar hatte drei Kinder.

Eine persönliche Meinung oder Einschätzung zur Gemeinde- oder Schulsituation ist in seinem Nachlass kaum zu finden. Deshalb können wir heute seine Berichte und Protokolle als objektive Betrachtung des Zeitgeschehens historisch bewerten.

Otto Hase wohnte ~ 60 Jahre im Kantor-/Küsterhaus an der Alten Schule.

Im Frühjahr 1910 wurde der 32-jährige Kantor vom Gemeinderat mit der Vorbereitung zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr beauftragt. Zur Gründungsversammlung am 02.06.1010 im Ratskeller (damals Deutsches Haus) wurden O. Hase und Bahnsekretär Pfennig einstimmig zu Hauptleuten der Feuerwehr gewählt.

Otto Hase gehörte zu den Gründungsmitgliedern des 1. Sächsischen Flugplatzverein zu Lindenthal. Im Verein waren Persönlichkeiten aus Leipzig und Lindenthal mit Gründergeist für den neuen Flugsport vereint. O. Hase war von der ersten Stunde als Prokurist und Schriftführer dabei. Er hat uns das Protokoll-Tagebuch (14 Blatt) und eine historische Abhandlung über den Flugplatz Lindenthal (18 Blatt) hinterlassen.

Der 1. Weltkrieg ging für das deutsche Kaiserreich tragisch zu Ende. Der Flugplatzverein Lindenthal ist Geschichte. Aber der Einsatz von Otto Hase für die Geschicke der Gemeinde ist ungebrochen. Von 1919 bis 1933 ist seine aktive Unterstützung der Gemeindeverwaltung in allen öffentlichen Bereichen in Aufträgen und Protokollen belegt. Von 1930 bis 33 war Otto Hase Mitglied im Gemeinderat.

In der NS-Zeit blieb zwar der vorsichtig agierende Bürgermeister von 1909, Otto Lätzsch im Amt, aber Hase richtete seine Aufmerksamkeit neben seinen schulischen Aufgaben auf eine fehlende Lindenthaler Ortschronik.

Vom 3. bis 18. Juli 1937 war Otto Hase im Auftrag des Gemeinderates der Organisator einer umfassenden „Heimatgeschichtlichen Ausstellung zu Lindenthal“ mit über 173 historischen Exponaten (überwiegend Leihgaben) im gesamten Rathaus.

Die „Neue Leipziger Tageszeitung“ vom 20. Januar 1941 kündigt eine von Oberlehrer Otto Hase erarbeitete Gemeindechronik an.

Der 2. Weltkrieg kommt mit Bombenalarm ab 1941 auch nach Lindenthal. Wir haben aus dieser Zeit eine protokollarische Beschreibung von O. Hase aller Alarmzustände und ihrer Begleiterscheinungen aus seinem Blickwinkel (auf 34 Seiten). Da wird die Flakstellung am Triftweg, die Bombenfehlwürfe am Birkenwäldchen und der US-Bomberabsturz am Forsthaus konkret beschrieben.

In der Nacht des 4. Dezember 1943 zum Bomben-Großangriff auf Leipzig war auch Lindenthal taghell erleuchtet. Der Kantor war Luftschutzwart der Lindenthaler Schulen. Die Neue Schule wurde sofort unter seiner Führung auf den Ansturm ausgebombter Leipziger vorbereitet. Wasserleitung und Elektrik waren unterbrochen. Nach Otto Hase`s Anweisungen wurden ohne Widerspruch Zimmer aufgeteilt, Strohsäcke gestopft, Waschräume zugewiesen usw. Nach 2 Wochen waren alle Einquartierten zu ihren Verwandten weitergereist. Der nächste Ansturm auf die Neue Schule wurde von O. Hase ebenfalls gemeistert. Im März/April 1945 wurde der Rangierbahnhof Wahren bombardiert und die Baracken der Zwangsarbeiter brannten völlig aus. Morgens, Anfang April kam eine zerlumpte Männerschar (200 Menschen) aller Nationen die Gartenstraße zu Schule herauf und verlangten vom Luftschutzwart Hase Quartier. Er hatte Erfahrung und konnte jedem einen Schlafplatz bieten. Zur Verpflegung mussten die Männer den bewachten Rangierbahnhof plündern. Plünderer wurden dort sofort erschossen. Es ging sehr harmonisch unter den Einquartierten zu. In der Alten Schule lag aber noch der Volkssturm. Hase musste die Gruppen auseinanderhalten.

Herbst 1945, Der Schulbetrieb sollte wieder anlaufen. Der neue Gemeinderat entschied sich als neuen Schuldirektor den Macher Otto Hase zu berufen. Er war kein Mitglied der NSDAP, auch kein Mitläufer und konservativ eingestellt.

Nach Aussagen seiner Schulkinder war er ein guter und gerechter Lehrer, der aber Ungehorsame sofort mit dem Zeigestöckchen auf die Finger bestrafte. Nach über 40 Jahren Schuldienst trat Otto Hase Ende 1948 in Ehren in den Ruhestand. Der Autor dieses Artikels kannte ihn noch persönlich und hat unbewusst eine Leidenschaft von ihm übernommen; die Ortschronik erhalten.

Hier rechts der große Garten, im Hintergrund sein Hobby, die Imkerei. Otto Hase verstarb am 23.04.1964 in seinem Wohnhaus, Hauptstraße 15.

Roland Busse, Ortschronist Leipzig-Lindenthal, im Februar 2024

PS: Es könnte bald zu spät sein! Vom Lindenthaler Bilderbogen und der Wiege der sächsischen Luftfahrt sind nur noch wenige Exemplare in der Poststelle Lindenthalrt Hauptstr. 68 verfügbar.