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Gemeindebote - Mitteilungsblatt für die Ortsteile
Ausgabe 8/2024
Ortsteil Lindenthal
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Das Lindenthaler Zollhaus oder Chausseehaus

Foto ~1905

Karte 1825

Foto 1905

Karte 1836

Zolltariefe

Lithographie ~1912

Gaststube

Foto 1940

Gaststube Foto 1940

Hund und Affe der Hola

2 Freunde

Foto~1986

Foto 2024

Lindenthaler Bilderbogen 2.0

Heute neu! Das Lindenthaler Zollhaus oder Chausseehaus

Da denken wir Rand-Leipziger doch eher an das Chausseehaus an der Kreuzung Delitzscher-/Georg-Schumann-Straße.

Dieses schöne Zollhaus, Chausseehaus und Restaurant fiel 1925 der Straßenerweiterung ersatzlos zum Opfer.

Für die Aufklärung zu einem Zollhaus in Lindenthal müssen wir die Historie bemühen: Mit Napoleon und Frankreich hatte auch Sachsen die Völkerschlacht verloren. Einer der Sieger (Königreich Preußen) beanspruchte sächsische Ländereien. So wurde nördlich von Lindenthal und Breitenfeld hinterm Tannenwald 1815 die preußisch-sächsische Grenze (rot) festgelegt.

Der sächsische König und die Stadt Leipzig wollten wie damals üblich vom Grenz- und Warenverkehr von und nach Preußen profitieren. Dazu wurde mit den Lindenthaler Gemeindeältesten verhandelt, an der damaligen Landsberger Straße ein Grundstück und ein Zollhaus zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug hatten die Lindenthaler freien Zugang und Warenverkehr nach Leipzig.

Wir wissen nicht, wie das Zollhaus oder Chausseehaus am Abzweig der heutigen Straße „An der Hufschmiede“ nach Wiederitzsch aussah. Es war 1825 ein bescheidener Neubau für 1885 Taler Baukosten. Über der Haustür hing die Tafel mit der Aufschrift: „Königlich-Sächsische Grenz- und Chaussee-Gelder-Einnahme zu Lindenthal“. Jetzt ist Ihre Phantasie gefragt. So wie auf dem Foto von 1905 sahen eben Zollhäuser in Sachsen aus.

Das Lindenthaler Chausseehaus bekam rechts an der Straße einen Schlagbaum mit Seil und Kette sowie eine Waage mit Waagehäuschen (heute Parkplatz Löschdepot).

Einheitlicher sächsischer Chausseegeld-Tarif vom 9. Nov.1833

Der erste Einnehmer von Lindenthal trat im Dezember 1825 seinen Dienst an. Er wurde anteilig aus seinen Einnahmen bezahlt und erhielt eine jährliche Pauschale für Holz, Licht und Schreibmaterialien. Mehrere Einnahme-Beamte kamen und gingen bis 1852 Danach wurde die Zolleinnahme in Lindenthal beendet. Das neue Leipziger Chausseehaus (Foto siehe oben) war fertig.

Das Lindenthaler Zollhaus wurde 1854 für 905 Taler vom Gutsbesitzer Gottlob Reichel ersteigert und für die nächsten 3 Jahrzehnte in ein Wohnhaus umgewandelt.

1980 bricht eine neue Zeit für das alte Zollhaus an. Die Privatier Karl Eduard Zwicke beantragt eine Schankgenehmigung, Abriss des ehemaligen Zollhauses und Neubau eines Wohnhauses mit Schankwirtschaft. Zwicke erhält die beantragten Genehmigungen der Amtshauptmannschaft Leipzig zum Brandweinausschank und zum Krippensetzen unter mehreren Bedingungen.

Was ist Krippensetzen?: Eine Unart der Pferde im Stall oder auf der Koppel an der hölzernen Einfriedung oder Futterkrippe zu nagen.

Hier ist es im übertragenen Sinn die Berechtigung einen Wagenplatz für Geschirre sowie Halterungen und Krippe für Kutsch- und Reitpferde anzulegen.

1894 beantragte Zwicke weitere Nebengebäude wie Kegelbahn, Stallgebäude und Sommerlaube anzulegen.

In der „Guten Alten Kaiserzeit“ war das Restaurant „Zur Erholung“ auf fast jeder Lindenthaler Postkarte zu finden.

Lithographie ~1912 oben links Zur Erholung Böhmes Restaurant

Am 16.Mai 1896 übernahm Zwickes Schwiegersohn Louis Otto Böhme als Schankwirt mit seiner Frau Pauline Emilie verehelicht Böhme geb. Zwicke das Restaurant.

Zur Erholung, bei den Stammgästen die „Hola“ war für den hiesigen bürgerlichen Sportverein 1876 das Vereinslokal mit Gästezimmern und Kegelbahn. Das war das Feinste, was es in Lindenthal gab.

Foto 1940 Der Schankwirt hatte wegen Ordnung und Sauberkeit an der Fernstraße Leipzig-Magdeburg stets die Aufforderungen der Gemeinde zu befolgen, den Pferdeschmutz zu beräumen.

1916 übernimmt Zwicke die Zwangsverwaltung über sein Grundstück einschließlich Schankwirtschaft. Böhme als Schuldner versucht in Eigenverwaltung einen Konkurs abzuwenden.

Im Oktober 1921 wird Herrmann Kunze Hausbesitzer und Schankwirt. Im Juli 1923 verpachtet Kunze das Restaurant an Friedrich Wilhelm Müller.

In der Zeit als Kunze Hausbesitzer war, tauchen 2 „Stammgäste“ sogar als Postkarte auf, ein geselliger Schäferhund und ein quirliges Äffchen.

Der Autor hat die Nachfahren dieser 2 Freunde noch um 1960 in Aktion erlebt. Der Hund schlief meist hinter der Theke. Der Affe (Meerkatze) wartete auf der Gardinenstange auf seine Chance, den Bierschaum vom neu servierten Bier mit der Pfote abzuschöpfen.

In der DDR-Zeit gingen die guten Tage der „Erholung oder Hola“ zu Ende. Das Restaurant war schon in den 60iger Jahren geschlossen. Wohnungen wie diese an der Landsberger Straße waren in Lindenthal immer auch unsaniert sehr begehrt.

In den 80iger Jahren war Schluss mit Gaststätte, Kegelbahn und Sommerlaube.

Am Haus und in den Wohnungen wurde repariert und die HO richtete sich eine Verkaufsstelle ein. Diese wurde Jahre später zum Vorläufer des Löschdepot´s.

Ca. 35 Jahre später bricht wieder eine neue Zeit für die Immobilie auf dem Grundstück des alten Zollhauses an. Jetzt unter der neuen Adresse „An der Hufschmiede 31“ hat die Lindenthaler Familie Winkler das solide Gebäude grundhaft modernisiert und so weitere Totalverluste in Lindenthal verhindert.

Das Gebäude ist auch durch die Erhaltung der historischen Gestaltung ein Schmuckstück für Lindenthal geworden. Dank an die Familie Winkler!

Es werden immer noch historische Fotos und Dokumente von Lindenthalern gefunden. Danke! So entstehen neue Themen für den Bilderbogen 2.0, der noch im Jahre 2024 als Handbuch erscheinen wird.

Roland Busse, Ortschronist, Lindenthal, Zum Wald 16, ines.roland@arcor.de