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Gemeindebote - Mitteilungsblatt für die Ortsteile
Ausgabe 9/2024
Ortsteil Lindenthal
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Neues aus der "Neuen Schule"

Plan 1907, Stadtarchiv Leipzig

Privatfoto Dr. Bothur, Breitenfeld, Otto Hase 1946 im Kreis seiner letzten Klasse

Foto 1931, Stadtarchiv Leipzig

Foto 1926

Foto 1938

Foto 1957

Foto 1957

Karl Winkler im Planetarium

Foto 1969

Grundschule Lindenthal 2024

Grundschule-Mensa

Lindenthaler Bilderbogen 2.0

Heute! Neues aus der „Neuen Schule“

Ist es nicht paradox, dass die Lindenthaler Schule immer die „Neue Schule“ blieb, obwohl sie in diesem Monat das 115. Jubiläum ihrer Einweihung feiern könnte? Aber die „Neue Schule“ wird doch ihrem Namen gerecht, denn die Stadt hat ihr in den vergangenen Jahren einen Anbau, eine Mensa und eine grundhafte Sanierung spendiert. Nach hartem Ringen des Ortschaftsrates mit der Stadtverwaltung bekommt jetzt die Turnhalle die dringend nötige Teilmodernisierung.

Die Lindenthaler Einwohnerzahler schnellten nach Fertigstellung der ersten Häuser der Eisenbahner-Baugenossenschaft ab 1908 in die Höhe. Tausende Familien fanden hier am Stadtrand Arbeit und Wohnraum. Der Schulneubau wurde mit wesentlichem Beitrag der preußischen Staatsbahn parallel geplant und auf dem aufgekauften Feld des Bauern Bergmann ausgeführt.

Der Bildungsauftrag und die Gesellschaftsordnung sind in den vergangen 120 Jahren mehrmals grundlegend umgestürzt wurden. Da waren nicht nur die Lehrbücher neu sondern auch neue und gut ausgebildete Lehrer standen plötzlich nach einem Umsturz vor der Schulklasse.

Aber ein Phänomen haben wir in Lindenthal: den Kantor Otto Hase. Im Kaiserreich 1906 wurde er als 2. Lehrer der Wahrener Filialschule Lindenthal angestellt. Er blieb über 4 Gesellschaftsordnungen seiner humanistischen Einstellung, der Schule und der Gemeinde treu. Sein Name und seine Aufgaben sind mit wesentlichen Neuerungen in der Gemeinde verbunden: Feuerwehrgründer, Prokurist des Flugplatzvereins, Ortschronist, Luftschutzwart der Schulen, Organist und Schulleiter der Volksschule Lindenthal. 1949 schied O. Hase hochgeehrt aus dem Schuldienst aus und konnte sich seinen Bienen und der geruhsamen Gartenarbeit widmen.

Die Neue Schule mit 11 Klassenzimmern, Hausmeisterwohnung, Turnhalle, Lehrerwohnung, Direktoren- und Lehrerzimmer war 1909 das Modernste was es in Leipzig und Umgebung gab.

Wegen schleppender Aufarbeitung des Gemeindearchivs im Stadtarchiv nach der Eingemeindung verfügt der Autor nur begrenzt über das nötige Archivmaterial. Dennoch gab es aus der Zeit der Weimarer Republik bis in die frühe DDR (1920-1950) immer Angebote privater Fotos zur Schulzeit unserer Lindenthaler. Der Autor wurde in ein privilegiertes Mietshaus (Bahnhofstr. 11/13 hinein geboren. Dort wohnten 3 Lehrer, der Bürgermeister, ein Bankdirektor und der Postinspektor. Da ist von diesen Nachbarn einiges Hintergrundwissen über die Eltern hier zurückgeblieben.

Lehrer Kurt Wünschmann war neben dem aktiven Schuldienst noch Leiter des Volkschores Lindenthal (76 Sänger). Er wurde 1945 ausgesondert und arbeitete freiberuflich noch als Landschaftsmaler.

Lehrer Klemm war noch bis zur Pensionierung ende der 50iger Jahre im Schuldienst für die Unterstufe aktiv.

Lehrer Kurt Rosenhain war auch bis Anfang der 50iger Jahre jedoch in der Schule Wiederitzsch in der Unterstufe eingesetzt.

Der Direktor Kurt Reinhardt wurde wegen NSDAP-Parteizugehörigkeit von der US-Besatzungsmacht in das Internierungslager Korn-Westheim verbracht.

Sein Stellvertreter der Lehrer Steude wurde aus gleichem Grund von der sowjetischen Besatzungsmacht auf den Elbwiesen bei Torgau interniert und starb dort an den Folgen.

Im Sommer 1945 beginnt eine neue Zeit. Der SPD-Bürgermeister Walter Schönzart setzt Otto Hase zum Schuldirektor ein. Dessen Nachfolger Karl-Heinz Nentwig und Karl Kieckhefen werden geschult und treten im Oktober 1945 als Neulehrer den Schuldienst an.

Am 01.08.1945 zieht Hausmeister Fritz Müller mit Ehefrau und Sohn Reinhard in die Schulwohnung ein.

Hierzu gibt es bestimmt noch viele Schüler, die sich an dieses Kollegium erinnern werden. Karl Kieckhefen tritt nach Studienabschluss 1955 seine neue Funktion als Schuldirektor an.

Die Sensation ist perfekt. Physiklehrer Karl Winkler kann ab 1957 die Fachleute in der DDR überraschen. Er baute für Schulzwecke und Schulklassen aus nah und fern ein einmaliges Lehrmittel. Er zauberte die Silhouette und den Sternenhimmel über Lindenthal. Wir Kinder waren begeistert.

20 Jahre nach der Wende war das Schuldach saniert und das Planetarium entsorgt. Eine Direktorin hielt das Unikat nicht für erhaltenswert. Schade!

Der Hausmeister Fritz Müller und Frau gehen 1969 von Bord und werden feierlich verabschiedet. Bereits in den 80iger Jahren des vorigen Jahrhunderts werden langgediente Lehrer wie auch Direktor Kieckhefen in den Ruhestand versetzt.

Ab 1992 passiert an der 10-klassigen Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule „Alfred Kästner“ etwas Entscheidendes. Wir haben ab dann eine 4-stufige und 3-zügige Grundschule in Lindenthal. Realschule, Oberschule und Gymnasium sind in Wahren, Möckern, Gohlis und Wiederitzsch.

Lindenthal bekommt mit Baubeginn 1999 einen Schulanbau für weitere 120 Schüler mit 4 allgemeinen Unterrichtsräumen, einer Mensa mit Küchentrakt, Garderoben und einen Aufzug zwischen Bestands- und Neubau.

Mit diesen phantastischen Lehrbedingungen wurden auch 2024 wieder 3 Klassen mit Schulanfängern aufgenommen.

Roland Busse, Ortschronist, Zum Wald 16, 04158 Leipzig, ines.roland@arcor.de