Im vorherigen Beitrag mit der Überschrift „Eifriges Forschen – Geschichtsschreibung erreicht ihren Abschluss nie!“ hatten wir uns dem Schulmeister und Historiker Prof. Dr. Paul Kleber zugewandt, der seiner Nachwelt 1930 das Buch „Bilder aus Löwenbergs Vergangenheit“ anvertraute. Dieses geschichtliche Werk ist bis heute bedeutungsvoll, vermittelt es uns doch Einblicke in die vielfältige und längst vergangene Lebensweise deutscher Schlesier seit etwa 1200 bis zu deren Flucht und Vertreibung infolge des katastrophalen Zweiten Weltkrieges. Wer außer Paul Kleber hätte vor rund einhundert Jahren noch auf den Goldbergbau um Löwenberg hingewiesen, obwohl das Suchen und Finden dieses in aller Welt schon immer hoch geschätzten Edelmetalls in der Region Löwenberg am Bober und Goldberg an der Katzbach (nach der schlesischen Grammatik ist „Bach“ ein weibliches Substantiv) lediglich anfangs der Besiedelung bedeutsam waren – die dort lebenden Menschen, insbesondere Vögte, Bürgermeister und Grundherren, hatten große Hoffnungen in die zu erwartende Ausbeute gesetzt, die, wie sich zeigte, jedoch nur vorübergehend eintrat. Am beeindruckenden Erscheinungsbild der Kleinstadt Löwenberg bewundern wir bis heute den großflächigen Marktplatz, das markante Rathaus und die überdimensionierte Pfarrkirche „Mariä Himmelfahrt“ mit zwei (ungleichen) Türmen – steinerne Schätze und deutliche Hinweise, dass man wohl bei Stadtgründung 1217 auf reiche Goldvorkommen über Tage gesetzt hatte als Grundlage dafür, dass das Städtchen wachsen würde. Das trat allerdings so nicht ein; kaum 8000 Einwohner lebten zwischen und vor den doppelwandigen Stadtmauern! Dennoch galt für das Goldgraben ein Kodex unveränderlbarer Vorschriften als Bergrecht, das uns Studienrat Paul Kleber, dem Mittelhochdeutschen entnommen, in dieser Weise übermittelt hat: „Jedermann hat das Recht, mit Erlaubnis des Wassermeisters auf allen freien Zechen und in allen Gehölzen Gold zu suchen. Jede Dorfgemarkung, jeder Viehweg und jede Landstraße stehen dagegen zur Goldgewinnung dem Fürsten frei zu dessen Verfügung. Wer aber die Landstraße, die Dorfstraße oder den Viehweg aufbricht, um nach Gold zu graben, hat die Pflicht, sie wieder in Ordnung zu bringen. Wer auf seinem eigenen Acker nach Gold suchen will, darf es tun, aber nur mit Erlaubnis des Wassermeisters. Gräbt er ohne dessen Erlaubnis, so kann dort jedermann mit Fug und Recht graben. Wo Pflug, Egge oder Sense geht, soll niemand ohne Erlaubnis des Ackerbesitzers Gold suchen. Findet man aber Gold auf jemandes Acker, so soll man dem Besitzer ein Viertel davon geben. Wird eine Zeche von rauhen Wurzeln bedeckt, versiegt sie nach Jahr und Tag, bepflanzt sie der Mann und ebnet sie ein und fährt mit seinem Pfluge, seiner Egge, seiner Sense darüber Jahr und Tag ohne daß jemand dagegen Einspruch erhebt, so darf man, will man dort nach Gold graben, es nur mit des Mannes Willen tun. Nur so ist es rechtens!“ (Erläuterungen: „Viehweg“ = Weg zwischen zwei Feldern, zur Viehweide führend; „rauhe Wurzeln = Wildwuchs; „Zeche° = Fundstätte). Ein erklärendes Wort wollen wir dem erwähnten „Wassermeister“ widmen. Haben zur großen Freude der Sucher an einer Fundstelle winzige Goldkörnchen (oft nur 0,1 g Gewicht) gefunden, wurden diese im Wasser „gewaschen“ (mittelhochdeutsch ‚sifen‘ oder auch ‚siffen‘) mit Schüssel und Sieb von Ballaststoffen getrennt: So war es nicht nur Aufgabe des Wassermeisters, den Verbrauch zu regulieren, sondern zuerst die Goldgewinnung im Namen des Landesfürsten zu überwachen. Wir können ihn mit einem Schöffen gleichsttellen. Im Löwenberger Umkreis gibt es einige Ortschaften, die das Grundwort „-seiffen“ enthalten, so Lauterseiffen, Schmottseiffen, Ober und Nieder Görisseiffen, Mühlseiffen, Flachenseiffen... Wir schließen daraus, dass hier (und anderswo) mühselig Gold, vielleicht auch andere Metalle ausgewaschen worden sind. Reich davon wurde wohl keiner!
Als Ausklang dieses: Obwohl vor achthundert Jahren die erhoffte Goldausbeute um Löwenberg und Goldberg nicht eingetreten ist, gab es bis zum Beginn der industriellen Revolution e i n Gewerbe, das Löwenberg die wirtschaftliche Blüte einbrachte: die Zunft der mehr als 200 fleißigen Tuchmachermeister, daraus erwachsend der ergiebige Tuchhandel. Aber auch das: Bisher habe ich in keinem Geschichtswerk über Heidenaus und Wilthens Partnerstadt Lwówek Slaski/Löwenberg in Schlesien gefunden, dass auf Feldern nach dem Pflügen ringsum zahlreiche Mineralien aus Silizium brachliegen – Achate, die ihre vielfarbige Schönheit erst nach dem Aufsägen zu erkennen geben. Im Juli 2024 wird bereits der XXV. Achatsommer als riesiges Volksfest auf dem Marktplatz, im renovierten Rathaus und in den Seitenstraßen mit wiederum nahezu dreihundert Händlern aus aller Welt gefeiert, mittlerweile schöne Tradition polnischer Schlesier. Dann im nächsten Aufsatz wollen wir uns Löwenbergs Schwedenzeit zuwenden.