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Wilthener Stadtanzeiger - Amtliches Mitteilungsblatt der Stadt Wilthen
Ausgabe 5/2023
Aus der Arbeit der Stadträte
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Informationen zur Einzelhandelsentwicklung – HZO und ALDI

In den letzten Monaten wurden viele Gerüchte über die Zukunft des ALDI-Marktes in Wilthen verbreitet. Was ist dran und wie geht es weiter? Das interessiert viele Wilthenerinnen und Wilthener.

Heute möchten wir Antworten auf diese und weitere Fragen geben, um aufzuklären und zu informieren. Was zählt sind Fakten.

Das Handels-Zentrum-Oberland (HZO) in Wilthen gehört seit 2007 zum britischen Immobilienkonzern COMER. Die privaten Gründer, die das HZO aus der Textilfabrik (C.G. Thomas, VEGRO) nach 1990 entwickelt hatten, waren durch die Schließung des EXTRA-Marktes im Jahr 2005 in finanzielle Schwierigkeiten geraten und mussten notgedrungen das Objekt mit seinen ca. 55.000 m² verkaufen. Die britische COMER-GROUP erwarb das HZO im Paket mit dutzenden weiteren Einzelhandelsimmobilien, vorwiegend in Sachsen, Brandenburg und Berlin.

ALDI ist seit 1993 Mieter im HZO. Der Markt wurde eigens für ALDI errichtet und zuletzt 2005 erweitert. EDEKA ist seit 2008 Mieter im HZO. Die alte EDEKA-SB-Halle wurde 2008 aufgegeben und an COMER verkauft. COMER wiederum baute den neuen Markt für EDEKA im HZO, der von der selbstständigen EDEKA-Kauffrau Peggy Raue gemietet und betrieben wird. Es muss betont werden, dass Frau Raue mit den von der EDEKA-Gruppe in unserer Region geplanten Umstrukturierungen nichts zu tun hat. Im Gegenteil. Sie ist eher die Leidtragende, wenn noch mehr EDEKA-Standorte in unmittelbarer Nähe entstehen und der ALDI abwandern würde. Wenn also hier im Text von EDEKA die Rede ist, dann vom EDEKA-Konzern, dessen Regionalgesellschaft EDEKA Nordbayern-Sachsen-Thüringen bzw. dem zuständigen Mitarbeiter der sog. Expansionsabteilung, Herrn Jan Hasek.

COMER selbst hat seit mehreren Jahren nichts mehr in das HZO investiert, behandelt es wie ein Spekulationsobjekt. Die Schließung kleiner Geschäfte wird billigend in Kauf genommen. Eine für die Stadt Wilthen absolut unbefriedigende Situation. Die Bürger sind auch unzufrieden mit dem Zustand des HZO. Die Stadt hat leider keine direkte Handhabe gegen den derzeitigen Eigentümer COMER, engagiert sich aber für einen baldigen Eigentumswechsel, um mit einem neuen Eigentümer endlich die großen Potenziale des HZO voll nutzen zu können und den Standort bedarfsgerecht auszubauen.

ALDI will seit geraumer Zeit einen günstigeren Standort in Wilthen im HZO, möglichst weiter vorn an der Zittauer Straße, finden. Alternativen an der Hauptstraße außerhalb des HZO gibt es leider in Wilthen nicht. Entweder sind die Flächen zu klein oder nicht bebaubar. Die Stadt hat hier alle Möglichkeiten geprüft und in den letzten Jahren viele Versuche unternommen, um ALDI zuallererst im HZO und notfalls auch außerhalb einen neuen Standort zu ermöglichen. Der Stadtrat hat sogar ein „Sondergebiet Einzelhandel“ für das HZO mit einem Bebauungsplanverfahren geschaffen. Das bedeutet, dass großflächiger Einzelhandel überall im Bereich des HZO ohne Weiteres möglich ist. Schaut man sich vergleichbare alte ALDI-Standorte in der Region an (z.B. Oppach oder Kamenz), ist die Umstellung auf neue Verkaufskonzepte und die direkte Lage an der jeweiligen Hauptverkehrsstraße keineswegs nur in Wilthen nicht umgesetzt. Der Wilthener ALDI-Markt erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Die Umsätze stimmen. Eine Kündigung des Mietvertrages seitens ALDI liegt auch bis heute gegenüber COMER nicht vor.

ALDI hat nach unserer Kenntnis seitens des Eigentümers des HZO, COMER IMMOBILIEN, ein Angebot für einen neuen Standort erhalten. Das Vorhaben soll im Bereich der ehemaligen EDEKA-SB-Halle umgesetzt werden (Umbau, Ausbau). Allerdings, wenn wir in das Grundbuch schauen, hat EDEKA beim Verkauf ihrer alten SB-Halle an COMER im Jahr 2008 eine Dienstbarkeit eintragen lassen. Diese besagt, dass sich dort kein Lebensmittelhändler ansiedeln darf. Das bedeutet also, EDEKA selbst blockiert aus Konkurrenzschutz einen besseren Standort für ALDI im Bereich des HZO Wilthen.

Mit dem Beschluss des Stadtrates von Schirgiswalde-Kirschau Anfang März 2023 zur Aufstellung eines Bebauungsplanes zur Entwicklung von Einzelhandel auf dem ehemaligen HALATEX-Areal an der Sauerstraße wurde erstmals offiziell der Name ALDI im Zusammenhang mit dem Vorhaben der EDEKA Gruppe genannt. Was bisher nur Gerüchte waren, führt nun zu einer öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung.

Für eine Entwicklung einer Einzelhandelsversorgung am Standort Sauerstraße in Schirgiswalde ist die Umsiedlung des ALDI-Marktes von Wilthen nicht zwingend notwendig, aus Sicht des Vorhabensträgers EDEKA wohl aber nützlich. Der dort geplante Doppelstandort aus EDEKA und ALDI ist überdimensioniert und schafft sowohl für den Bestands-Einzelhandel in Schirgiswalde-Kirschau (z.B. Netto-Nord Kirschau) existenzielle Probleme als auch für den Einzelhandel im gesamten grundzentralen Verbund eine unausgewogene neue Konstellation. Warum tut EDEKA das? Die Antwort ist einfach. Man will möglichst kostengünstig an einem Standort die Konkurrenz (REWE) ausbooten.

Der Standort HALATEX ist eine B/C-Lage und EDEKA will zur besseren wirtschaftlichen Erschließung das riesige Areal (22.000 m²) nicht allein bebauen, sondern ALDI als zahlenden Mieter gewinnen, um die sehr hohen Erschließungskosten zu refinanzieren.

Der Grund der Ansiedlung ist also nicht nur, wie vordergründig behauptet, die Sicherstellung der nach der Schließung des PENNY fehlenden Nahversorgung für Schirgiswalde, sondern vor allem der Konkurrenzkampf mit REWE, welcher sich am Standort HALATEX angeblich ansiedeln wollte. Nach unserer Kenntnis bestand eine solche Absicht aufgrund der schlechten Lage, der großen Fläche (mit Altlasten) und der Problematik des vorhandenen denkmalgeschützten Webereigebäudes an der Straße durch REWE nicht. EDEKA hat 2020 die Altlastenfläche trotzdem erworben und seitdem nach Konzepten für eine möglichst kostengünstige Bebauung gesucht. Schnell erkannte EDEKA, dass der Standort nur für einen mittelgroßen EDEKA-Markt allein zu kostenintensiv ist. Aufgrund der bisher bereits mehrfach praktizierten Zusammenarbeit mit ALDI (z.B. Husarenhof Bautzen) gelangte der Wilthener Markt mit seinem Wunsch nach Veränderung in den Fokus von EDEKA.

Da ALDI, im Gegensatz zu EDEKA, nicht zwei Standorte in unmittelbarer Nähe betreiben wird, bleibt nur die Abwerbung von Wilthen und Umsiedlung nach Schirgiswalde. Dieser willkürliche Eingriff in die vorhandene Versorgungssituation im grundzentralen Verbund schwächt einerseits den Standort Wilthen erheblich durch Abzug von ca. 4-5 Mio € relevantem Umsatz und reduziert das Angebot in Wilthen auf die zwei zum EDEKA-Konzern gehörenden Märkte „EDEKA“ und „Netto“. Zugleich werden die EDEKA-Märkte in Wilthen und Sohland geschwächt. Ein absurder Plan, offensichtlich nur, um REWE aus der Region fernzuhalten.

Andererseits wird die marktbeherrschende Stellung des EDEKA Konzerns in der Region noch weiter verstärkt. Alle Vollsortimentsmärkte im Umkreis von 20 km würden dann unter EDEKA laufen (Wilthen, Sohland, Oppach, Oberkaina und NEU in Schirgiswalde). Der weitere Ausbau einer marktbeherrschenden Stellung einer einzelnen Handelskette (EDEKA) kann nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger des grundzentralen Verbundes Oberland an einem fairen Wettbewerb um Angebote und Preise sein.

Kartellrechtlich ist das Agieren von EDEKA sehr bedenklich und für die Bürgerinnen und Bürger der Region am Ende nachteilig. Die Planungshoheit der Gemeinden würde ausgehebelt und EDEKA könnte nach Belieben Märkte öffnen und schließen, die Konkurrenz fernhalten und mit „nützlichen Partnern“ wie ALDI auf Jahrzehnte die Bedingungen im Einzelhandel der Region diktieren.

Die Stadt Wilthen hat bereits 2022 für den grundzentralen Verbund (Wilthen, Neukirch, Sohland, Schirgiswalde-Kirschau) das Gutachten „Perspektiven der Einzelhandelsentwicklung im Städte- und Gemeindeverbund „Oberland“ - Verbundweites Einzelhandels- und Zentrenkonzept“ in Auftrag gegeben. Die Finanzierung erfolgte durch die Verbundpartner je zu einem Viertel. Zum Standort Schirgiswalde steht darin:

„Mit der Ansiedlung eines modernen Vollversorgers, der in eine wechselseitige Angebotsergänzung zu dem discountorientierten Netto-Markt in der Ortschaft Kirschau treten würde, könnte zudem das qualitative Versorgungsdefizit abgebaut werden. Weder dürfen die zentralen Versorgungsbereiche in anderen Kommunen in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werden, noch darf es zu einer Störung der verbrauchernahen Versorgung im Betrachtungsraum kommen.

Die Beschlusslage im grundzentralen Verbund Oberland ist zum Vorgang eindeutig. Wilthen, Sohland und Neukirch sind sich einig. Der jetzige B-Plan Entwurf aus Schirgiswalde widerspricht eklatant der mehrheitlich getragenen Abstimmung zur gemeinsamen Bauleitplanung, welche besagt:

„Konsens besteht darin, einer Ansiedlung von Einzelhandel am Standort Sauerstraße in Schirgiswalde zuzustimmen. Um insbesondere der Standortssicherheit des ALDI in Wilthen Rechnung zu tragen, ist im erforderlichen vorhabenbezogenen B-Plan Verfahren ein sog. „Verträglichkeitsgutachten“ zwingend zu erstellen. Für die Ansiedlung eines neuen Lebensmittelmarktes (kein Doppelstandort Vollsortimenter und Discounter) sowie dessen maximal zulässige Verlaufsfläche ist ausschließlich auf die Kaufkraft der Stadt Schirgiswalde-Kirschau abzustellen.“

Die Abwerbeversuche für den ALDI-Markt Wilthen seitens des Bürgermeisters der Stadt Schirgiswalde-Kirschau, Gabriel, und des Projektentwicklers Hasek (EDEKA Nordbayern-Sachsen- Thüringen) werden daher durch den Stadtrat der Stadt Wilthen missbilligt. Die Stadt Wilthen lehnt den B-Plan Entwurf „Einzelhandel Sauerstraße Schirgiswalde-Kirschau“ ab.

Die Entwicklung großflächigen Einzelhandels in Schirgiswalde ist nach dem Landesentwicklungsplan (LEP) überhaupt nur dann möglich, wenn Schirgiswalde-Kirschau Teil eines Grundzentrums ist. Dieser grundzentrale Verbund besteht seit 2015 aus den Städten Wilthen und Schirgiswalde-Kirschau sowie den Gemeinden Sohland und Neukirch aufgrund eines öffentlich-rechtlichen landesplanerischen Vertrages.

Die Planung in Schirgiswalde betrifft den Kern dieses Vertrages. In diesem haben sich die Vertragspartner zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit verpflichtet, wie auch dazu, Konkurrenzsituationen zu vermeiden und raumplanerisch relevante Entwicklungskonzepte gemeinsam zu erarbeiten. Es gilt das Einstimmigkeitsprinzip.

Es widerspricht allen diesen vertraglichen Grundsätzen, wenn eine Kommune ein derartiges übergreifendes Entwicklungskonzept ohne Ab- bzw. Zustimmung der Vertragspartner alleine beschließt und auf dieser Basis beginnt, eine eigene Bauleitplanung umzusetzen. Ein derartiges Vorgehen stellt die Voraussetzungen für eine grundzentrale Zusammenarbeit massiv in Frage.

Der Bestand dieser Vereinbarung ist aber Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein grundzentraler Verbund besteht bzw. bestehen bleiben kann. Ohne den Verbund wäre die Entwicklung großflächigen Einzelhandels in Schirgiswalde unmöglich.

Neben Wilthen hat auch Sohland eine Ablehnung des B-Plans in Schirgiswalde bei den Planern eingereicht. Über den weiteren Fortgang werden wir Sie regelmäßig informieren.