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Bitterfeld-Wolfener Amtsblatt
Ausgabe 11/2023
Stadt Bitterfeld-Wolfen
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Besondere Gäste kreuzten meinen Weg

Familientreffen auf den Lofoten mit Nichte Tini (Mi.) und ihrem Partner Max (li.) sowie Thomas Meixner.

Tierischer "Damenbesuch" am Fahrrad und Zelt des Weltenradlers

Weltenradler Thomas Meixner war am 11. April auf seine Radtour bis nach Helsinki mit der ursprünglichen Routenplanung gestartet. Im Amtsblatt Nr. 9 berichtete der Stab Öffentlichkeitsarbeit/Marketing über den Kampf des Weltenradlers bis ans Nordkap. Mit dabei auf seiner Reise ist immer ein Wimpel der Stadt Bitterfeld-Wolfen, den Thomas Meixner von Oberbürgermeister Armin Schenk am 11. April überreicht bekommen hatte. Mittlerweile fuhr Thomas Meixner weiter über Finnland, überquerte den Polarkreis in Norwegen und befindet sich gerade wieder auf seiner Rücktour durch Schweden. Er plant, in der ersten Septemberwoche gemeinsam mit seinem Begleiter der ersten fünf Wochen, Torsten Zabel, wieder zurück in Wolfen zu sein.

Dies sind Thomas Meixners letzten Reiseeindrücke in Norwegen im Juli:

Seit Narvik sind nun schon wieder zwei Wochen vergangen und ich bin gut in Richtung Süden vorangekommen. Die Räder meiner „Rosinante“ rollten durch sehr schöne Landschaften. Aber die hat man ja hier in Norwegen überall.

Natürlich war ich auf dieser Tour zu Besuch auf den Lofoten. Doch dass es hier schöne Natur zu sehen gibt, wusste nicht nur ich. Hier auf den Inseln gibt es quasi nur eine Straße, die E10. Auf dieser Straße drängelte sich alles, was Räder hatte, aneinander vorbei. Aber die hunderte Wohnmobile und die Einheimischen fuhren überwiegend entspannt und brachten auch Geduld mit, sodass wir Radler nicht mit ihnen in Konflikt gerieten.

Auf einer der Lofoten-Inseln, in der Ortschaft, mit Namen Svolvær, traf ich meine Nichte „Tini“ (25 Jahre) mit ihrem Freund Max. Die beiden reisen seit Anfang März mit einem kleinen Wohnmobil durch Westeuropa und waren auf dem Weg nach Norden. Wir hatten einen schönen Abend bei ein paar sehr teuren Bieren. Danach fuhr jeder seines Weges: Sie nach Narvik, ich weiter nach Süden. Am Ende stand ich an der westlichen Lofoten-Spitze hinter dem Ort Å. Dieser Ort hat nur einen Buchstaben. Hier war die Lofoten-Reise zu Ende.

Mit einer Fähre, auf der ich sieben Stunden unterwegs war – wir fuhren noch die Inseln Værøy und Røst an – landete unser Duo in Bodø und war wieder auf dem Festland.

Auf uns wartete die Küstenstraße mit der Nummer 17. Eine Traumstraße! Aber auch etliche Tunnel waren dabei. An manchen Tagen hatte ich den Eindruck, dass ich mehr unter- als übertage radelte. Auf meiner gesamten Norwegen-Reise habe ich etwa 40 bis 60 Kilometer Tunnel mit dem Rad durchquert.

Es war auf einer der vielen Fähren, die die Straße Nr. 17 verbinden und ein trüber Sommertag. Die Wolken hingen tief und Melancholie machte sich ein wenig breit, als ich fast unmerklich über den Polarkreis nach Süden schipperte.

Nicht immer waren die Nachtlager frei von den stechenden Geschöpfen. Vor allen die kleinen Kriebelmücken (ich kenne sie als Sandfliegen oder auch Gnitzen). Die beißen fürchterlich und die Bisse jucken noch nach Tagen.

Man findet auch hier etliche Straßenschilder, die vor dem Elch „warnen“. Ich bekam aber selten einen zu sehen. Wenn, dann waren sie weit weg. Und so wie sie mich bemerkten, liefen sie ins Dickicht.

Ein Morgen war besonders bemerkenswert: Es war sonntags in der Stadt Sandnessjøen auf der Küstenstraße Nr. 17. Alle Supermärkte hatten geschlossen. Unverrichteter Dinge rollte ich weiter, bog ein paar Kilometer weiter auf eine Nebenstraße ein in der Hoffnung, einen Bauern anzutreffen. Oben auf einem bewaldeten Hügel war ein Hinweisschild auf einen Wanderweg und auf einem Brett standen zwei Telefonnummern von den Bauern, denen die Kühe hier gehören. Denn der Weg führte durch ihr Grundstück und ein Wanderer sollte sich melden, wenn er auf ein verletztes Rind stieß.

Ich stieß erst mal ein Tor auf, denn das Gelände war freilich umzäunt. Dann entdeckte ich ca. 100 Meter weiter eine Hütte mit Feuerstelle und Sitzgelegenheit. Das ist es, dachte ich. Hier bleibst du. Ich errichtete mein Zelt und deckte den Holztisch, kochte mir Nudeln und eine heiße Schokolade. Zwei Wanderer mit kleinem Hund kamen vorbei, grüßten freundlich und gingen weiter. Die noch helle Nacht brach herein und ich verkroch mich ins Zelt. Tau fiel vom Himmel. Ich schlief relativ gut. Nach Mitternacht raschelte es im Gebüsch. Ich zischte, als ob ich ein Tier verscheuchen wollte und öffnete das Zelt. Ein weiterer Wanderer schlich mit zwei Nordik-Walking-Stöcken am Zelt vorbei, Grüße ebenfalls und entschuldigte die nächtliche Störung. Ich schlief wieder ein. Die Sonne weckte mich am Morgen und heizte meine kleine Behausung mächtig auf. Die erste Amtshandlung war es, den Tisch zu decken, um mir einen Tee zubereiten. Doch dazu kam ich nicht mehr. Eine Herde Milchkühe, alle jung und mächtig neugierig, kam zielgerichtete auf mein Lager zugelaufen. Sie schoben sich wie eine Wand immer näher an Zelt und Fahrrad heran, leckten am Fahrrad und Zelt herum. Ich hatte den Eindruck, dass, wenn eine Kuh den Tau am Zelt geleckt hatte, die anderen auch mal kosten wollten. Ich blieb ruhig und redete auf die Damen ein, hob dabei die Hände und schien, Eindruck zu schinden. Sie wichen zurück. Doch hinter meinem Rücken rückten schon die nächsten heran. Sie waren nicht zu überzeugen, dass Gras das Beste für sie ist. Das Spiel ging etwa eine halbe Stunde. Schließlich nahte meine Rettung. Ein erster Wanderer mit zwei großen Jagdhunden kam aufs Gelände. Die Damen rannten nicht etwa davon, sondern in Richtung Hunde. „Eine weitere Abwechslung für sie“, dachte ich bei mir. Sie liefen Hunden und Herrchen hinterher. Die Hunde schienen etwas verstört und konnten sich nicht entscheiden zwischen Angst haben oder zum Angriff zu blasen. Es wurde ruhiger und ich konnte endlich mit dem Frühstück beginnen.

Vorgestern war ein Regentag und ich legte am Wiesenrand, abseits der Häuser, eine Zwangspause ein. Und siehe da: über den Tag kamen in relativer Nähe zum Zelt vier dieser großen Säuger zu Besuch. So hatte der trübe Tag auch seine guten Seiten.

Jetzt habe ich nochmal Quartier an einem Hostel oberhalb von Verdal am „König-Olaf-Weg“ (er ist hier ganz in der Nähe bei einer Schlacht im Jahre 1040 tödlich verwundet worden) bezogen. Mit Blick auf den Leksdalsvatnet, einem schönen Binnensee, genieße ich hier die Stunden. Das werden die letzten Tage in Norwegen sein. Es sind noch 40 Kilometer bis zur schwedischen Grenze und das nächste Land auf dieser Reise wartete auf meine Entdeckung.

Thomas Meixner
Weltenradler