Das Archivale mit der Signatur AB Wo 607 befindet sich in der Archivbibliothek Wolfen und ist im Stadtarchiv Bitterfeld-Wolfen, Ortsteil Stadt Wolfen, zu finden. Es handelt sich um eine DIN-A5-Broschüre, die zum 85-jährigen Jubiläum der Filmfabrik Wolfen erschienen ist. Auf 47 Seiten wird die Geschichte und Entwicklung der Filmfabrik nachgezeichnet.
Die Veröffentlichung beginnt mit den Gründungsjahren der Agfa und der Entstehung der Filmfabrik. Ihre Ursprünge gehen bis ins Jahr 1850 zurück, als Dr. Jordan in Berlin-Treptow die Chemische Fabrik gründete. Im Jahr 1873 ging diese Fabrik eine Fusion mit der „Gesellschaft für Anilinfabrikation“ ein, wodurch die „Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation“ entstand.
In der Festschrift wird die Entwicklung des Unternehmens hin zu einem globalen Akteur im Bereich der Fotochemie dokumentiert. Obgleich Agfa zu Beginn nicht im Fotobereich arbeitete, lieferte das Unternehmen ab 1880 Azalin als Rotsensibilisator für panchromatische Fotoplatten an Professor Vogel von der Technischen Hochschule Berlin. 1889 folgte schließlich die Gründung einer eigenen Fotoabteilung.
Ein zentrales Thema der Publikation ist die Entstehung der Filmfabrik in Wolfen. Bereits 1907 begann Agfa mit der Produktion von Kinefilm. Die wachsende Nachfrage führte dazu, dass im Jahrbuch von 1908 erstmals der Bau einer eigenen Filmfabrik in Greppin erwogen wurde. Schließlich fiel die Wahl auf Wolfen, das mit guter Infrastruktur und der Nähe zu bestehenden Produktionsstätten überzeugte. Am 19. Juli 1910 begann in der Filmfabrik Wolfen die Produktion.
Besonders den technischen Fortschritten, die maßgeblich von Wolfen ausgingen, widmet sich das Heft. Hervorzuheben ist das Jahr 1934, in dem Dr. W. Schneider in Wolfen das Agfacolor-Verfahren ausarbeitete. Dank dieser Neuerung wurde die Herstellung von Farbfilmen erheblich vereinfacht und Farbfilme wurden einem größeren Personenkreis zugänglich. In der Broschüre ist eine Kopie des entsprechenden Patents enthalten. Ein Resultat dieser Entwicklung war die Erstaufführung des Films „Frauen sind doch bessere Diplomaten“ am 31. Oktober 1941 in Berlin, der komplett auf Agfacolor-Color-Negativ-Positiv-Material gedreht wurde.
Darüber hinaus werden die städtebaulichen und sozialen Folgen der Filmfabrik für Wolfen aufgezeigt. Eine Tabelle veranschaulicht das rasante Wachstum der Stadt: Um 1966 betrug die Einwohnerzahl Wolfens circa 20.000, wobei etwa 14.000 Personen in der Filmfabrik arbeiteten. Neben der Schaffung von Arbeitsplätzen engagierte sich die Agfa im Wohnungsbau, um den Arbeitern langfristige Perspektiven zu bieten.
Außerdem förderte die Agfa das Stadtleben in sozialen und kulturellen Belangen. Ein Betriebsarzt wurde mit Dr. Curschmann eingestellt, welcher dazu beitrug, dass sich ein umfassendes Gesundheitswesen etablieren konnte. Im Jahr 1927 wurde ein Theater mit 800 Sitzplätzen errichtet. Darüber hinaus trug die Agfa dazu bei, dass Theatercafés, Jugendclubs und andere kulturelle Angebote entstanden sind.
Die Broschüre bietet einen umfassenden Überblick über die enge Verknüpfung von Industrie und Gesellschaft in Wolfen. Sie verdeutlicht den Einfluss der Filmfabrik auf die Stadt und ihre Bewohner. Um mehr über die Geschichte der Filmfabrik zu erfahren, können Interessierte das Archivale im Lesesaal des Stadtarchivs Bitterfeld-Wolfen einsehen.