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Bitterfeld-Wolfener Amtsblatt
Ausgabe 9/2023
Stadt Bitterfeld-Wolfen
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70 Jahre Volksaufstand in der DDR: Gedenkveranstaltung im Ortsteil Stadt Bitterfeld

Oberbürgermeister Armin Schenk spricht im Rahmen der Gedenkveranstaltung an den 17. Juni 1953

Sven Sachenbacher, der Leiter des Kreisarchivs Bitterfeld und des Industrie- und Filmmuseums Wolfen, über den historischen Zusammenhang

Dr. Christine Jäkel im Gespräch mit Moderator Tobias Köppe über ihren Onkel Paul Othma

Dr. Christine Jäkel im Gespräch mit Moderator Tobias Köppe über ihren Onkel Paul Othma

Kranzniederlegung am Gedenkstein 17. Juni 1953

Oberbürgermeister Armin Schenk

Vertreter aus Politik und Gesellschaft nahmen an der Gedenkveranstaltung teil.

Vertreter aus Politik und Gesellschaft nahmen an der Gedenkveranstaltung teil.

Anlässlich des Volksaufstandes in der DDR von 1953 veranstaltete die Stadt Bitterfeld-Wolfen eine Gedenkfeier am 17. Juni auf dem Robert-Schuman-Platz im Ortsteil Stadt Bitterfeld. Zahlreiche geladene Gäste aus Politik und Gesellschaft und die Zeitzeugen Klaus Staeck und Karl-Heinz Nebelung sowie historisch interessierte Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung von Oberbürgermeister Armin Schenk gefolgt und nahmen an der Gedenkveranstaltung teil.

Die Veranstaltung war eingebettet in das vom 16. bis 17. Juni stattfindende Symposium „70 Jahre Volksaufstand in der DDR“ des Industrie- und Filmmuseums Wolfen, das von der Landeszentrale für politische Bildung und dem Landesbüro Sachsen-Anhalt der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie von Kurator und Moderator Paul Werner Wagner im Industrie- und Filmmuseum veranstaltet wurde.

Der Platz mit den angrenzenden Binnengärtenwiesen in der „Grünen Lunge“ wurde als Veranstaltungsort deshalb gewählt, weil er vor 70 Jahren einer der vier Orte der Massenproteste in Bitterfeld war: Zehntausende legten damals in den Werken und Großbetrieben in Bitterfeld und Wolfen ihre Arbeit nieder und brachten mutig und couragiert den Protest auf die Straße für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, für gerechtere Bezahlung sowie geregelte Arbeitszeiten. Sie zogen am 17. Juni 1953 in die Kreisstadt Bitterfeld, um ihre Forderungen öffentlich zu bekunden. Auf einer improvisierten Tribüne sprachen mehrere Streikführer aus den Betrieben zu den Menschen. Einer der Streikführer war der Elektriker Paul Othma, der im Elektro-Chemischen Kombinat seiner Arbeit nachging. Othma war redegewandt und genoss das Vertrauen der Streikenden. Aus deren Sicht konnte er die Forderungen gegenüber der DDR-Regierung artikulieren und vertreten. Daher wählten sie Paul Othma zum Streikführer. Er war und ist eines der Gesichter des Volksaufstandes in Bitterfeld. Dabei war seine wichtigste Botschaft an die Menschenmenge der Verzicht auf jegliche Gewalt gegen Personen und Sachen. Aus diesem Grund blieb der Bitterfelder Aufstand 1953 friedlich.

Nach einer musikalischen Darbietung von der Leiterin der Musikschule „Gottfried Kirchhoff“, Nadine Baer, eröffnete Oberbürgermeister Armin Schenk die Gedenkveranstaltung: „Der 17. Juni in Bitterfeld ist im weitesten Sinne als Vorläufer der friedlichen Revolution zu sehen. Eine Protestform, die knapp vier Jahrzehnte später zum Mauerfall führte. Denn das Streben nach Freiheit wohnt den Menschen inne. Sie lassen sich nicht dauerhaft einschränken oder unterdrücken. Daher bin ich fest davon überzeugt, dass der 17. Juni nicht nur in der Rückschau, sondern auch in der Gegenwart und Zukunft uns eines lehrt: Wir müssen uns täglich aktiv für die Freiheit einsetzen, damit die Werte, für die Paul Othma und Zehntausende hier in Bitterfeld eingestanden und gekämpft haben, für uns und folgende Generationen aufrechterhalten werden.“

Der Leiter des Kreismuseums Bitterfeld und des Industrie- und Filmmuseums Wolfen, Sven Sachenbacher, erläuterte anschließend den Zuhörern detailliert die Vorgeschichte und den historischen Zusammenhang des 17. Juni 1953: „In Bitterfeld, und das ist eines der Alleinstellungsmerkmale der Ereignisse, hatte das Kreisstreikkomitee die Macht übernommen. Die Volkspolizei musste feststellen: Im Kreis Bitterfeld war auf diese Weise in den Mittagsstunden eine Lage entstanden, dass es keinerlei Organe mehr gab, welche die Staatsautorität verkörpern konnte. Deutlicher kann man die Niederlage kaum ausdrücken.“

Stellvertretend für alle Zeitzeugen gab es im Anschluss ein sehr ergreifendes Interview zwischen dem Moderator Tobias Köppe und Dr. Christine Jäkel, die Nichte von Paul Othma. Sie erinnerte sich an den gerechtigkeitsliebenden Familienmenschen Othma und auch daran, welche Folgen durch den Volksaufstand für ihn und seine Angehörigen entstanden waren – sei es die Inhaftierung oder seien es die Repressalien, die seine Familienangehörigen erlitten.

Zum Abschluss erfolgte die Kranzniederlegung am Gedenkstein des Volksaufstandes. Oberbürgermeister Armin Schenk und andere Gäste verneigten sich vor dem Gedenkstein, um an die Teilnehmer des Volksaufstandes in Bitterfeld zu gedenken.

Die Veranstaltung ließ noch einmal diesen wichtigen Tag für alle in Erinnerung rufen, „der nicht nur die Stadt-, sondern auch die Geschichte von Familien und nachfolgenden Generationen prägte“, so Oberbürgermeister Armin Schenk.

Stab Öffentlichkeitsarbeit/Marketing
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